92 Prozent Harmonie

Nach längerer Pause haben The Walkabouts wieder zusammengefunden. Chris Eckmans Thema ist diesmal die Wüste im Herzen Amerikas.

Da kümmert man sich mal ein bisschen ums Privatleben, und schwupps: sind sechs Jahre vergangen. Nach „Acetylene“ (2005) gingen die Wege der Walkabouts einfach auseinander. Songwriter Chris Eckman wohnt seit Langem in Slowenien, der Rest hatte in Seattle „genug Leben zu erledigen“, wie Sängerin Carla Torgerson es nennt. Sie baute ein Haus mit kleinem Aufnahmestudio, gründete „ein Kollektiv und eine urbane Farm“ in Seattle mit großen Gemüsegärten. „Wenn ich könnte, wäre ich Bauunternehmerin, weil es so wichtig ist, jetzt nachhaltige Gebäude zu entwickeln.“ So beschäftigte sich jeder mit unterschiedlichen Projekten, und je mehr Zeit verging, desto schwerer wurde es, wieder zusammenzufinden. Es gibt die Walkabouts seit 1984, da musste sich Eckman schon etwas Besonderes ausdenken: „Nach 12 oder 13 Studioalben geht es nicht mehr darum, einfach noch ein weiteres aufzunehmen. Wir müssen auch keines machen, um über die Runden zu kommen. Also ging es darum, herauszufinden, welche Idee spannend genug ist, um uns alle ins Studio zurück zu ziehen.“

Also ab in die Wüste! Einen weiteren, offeneren Blick auf die Welt wollten sie wagen, auch mal wieder mit mehr Streichern. „Travels In The Dustland“ heißt das Ergebnis. Eckman schrieb die Songs, produzierte und mischte sie ab. Aber bei der Definition des Werkes hat er nun Probleme: „Ich würde es ja einen, Songzyklus‘ nennen, wenn das nicht noch prätentiöser klänge als, Konzeptalbum‘. Es sind einfach ein paar Songs, die sich um ein bestimmtes Thema drehen. Zuerst macht das die Sache leichter, und am Ende wird es richtig hart – weil man sich dann fragen muss: Wie oft darf ich das Wort, dust‘ verwenden?“ Carla schenkt ihm ihr nachsichtiges Lächeln. „You did fairly well this time!“ Chris gibt zu, dass er viele „dusts“ gestrichen hat. Die beiden waren lange ein Paar. Jetzt kennen sie sich immer noch so gut, dass sie sich ständig gegenseitig verbessern können und dabei liebevoll klingen.

Ein typischer Dialog:

Chris: „Wir sind ein eingeübtes Team, wir brauchen nie länger als fünf Tage für den Großteil eines Albums.“

Carla: „Und wir können erst ruhig schlafen, wenn alles in trockenen Tüchern ist – oder zumindest 80 Prozent. Dann kann Chris nach Slowenien zurückgehen und sich um den Rest kümmern.“

Chris: „Wir hatten schon mehr als 80 Prozent.“

Carla: „Gut, etwa 92 Prozent.“

Chris: „Genau, und für die anderen acht Prozent habe ich dann acht Monate gebraucht.“

Carla: „Stimmt, aber das war schon in Ordnung so.“

Nachdem das Album fertig war, reiste Eckman noch mit seiner Frau durch die USA, um zu sehen, ob er die kargen Landschaften richtig beschrieben hatte, obwohl er schon so lange im europäischen Exil lebt. Die apokalyptische Melancholie, die alle Lieder durchzieht, wird nur gebrochen von der Harmonie, die schon immer die Walkabouts ausgemacht hat – der kratzige Eckman und die engelsgleiche Torgerson ergänzen sich perfekt. Wie sie entscheiden, wer welche Stücke singt? Carla sagt: „Bei manchen rufe ich: Chris, den übernehme ich!“ Chris widerspricht: „Nein, das machst du bei allen! Ich schlage nur manchmal noch vorsichtig etwas vor.“ Carla lächelt. „Wahrscheinlich hast du recht.“ Wahrscheinlich.

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