Adam Green

Der Anti-Folk-Veteran über frühe Inspirationen, Los Angeles und die Geheimnisse der Songwriter-Introspektion

Weiße Polka-Dots auf schwarzem Hemd, barfuß in schwarzen Halbschuhen – so empfängt Adam Green in einem Hotelzimmer in der Hamburger Innenstadt, das so leidlich derangiert wirkt wie das zu erwarten ist bei einem Chaoten auf Stippvisite. Auf dem Bett zwischen Klamotten, Gedöns und Papierkram irgendwas von Hemingway. Zwischen den Gesprächen macht Green ein, zwei Minuten Pause, dann kommt der nächste Kandidat in den Genuss eines Redeschwalls, der auch gen Ende dieses Interviewmarathons allenfalls kurz ins Stocken gerät… Wie singt er gleich noch in dem neuen Song „Buddy Bradley“? „So I went downstairs for a walk, but I had no strength to not talk…“

Mr. Green, Musikinteressierte kennen vielleicht noch den großen Nashville-Produzenten Owen Bradley. Aber wer, verdammt, ist dieser Buddy Bradley?

(Lacht) Mit zwölf las ich „Hate“, den Comic von Peter Bagge. Buddy ist darin so ein Anti-Held, der aus New Jersey nach Seattle gekommen ist, weil er gehört hatte, dass dort die Post abgeht. Doch er trifft nur Junkie-Rockbands, psychotische Mädchen und fiese Mitbewohner. Buddy entfremdet sich immer mehr, fast wie eine Charlie Brown-Figur, bis er nach New Jersey zu seinen Eltern zurückzieht, um dort seine Version der unromantischsten Liebe zu finden, nämlich eine aus rein praktischen Gründen. Ich hab mich damals sehr stark mit Buddy identifiziert…

Immerhin sogar so weit, dass Sie nach der High School ebenfalls nach Seattle gingen…

Ja. Und dort, im pazifischen Nordwesten, gab’s dann ja auch die ersten Moldy Peaches-Gigs. Komisch, ich komm mir ziemlich alt vor, wenn ich Jüngeren jetzt erkläre, dass sie damals bestimmt auch in Seattle gelandet wären, weil die Rockszene in New York zu der Zeit so öde war. Aber nun war wohl die Zeit gekommen, um Buddy Bradley endlich als kulturelle Referenz zu etablieren (lacht). Ich hoffe nur, der Comic-Autor ist nicht zu enttäuscht von dem Song.

Bisher waren Ihre Alben eher „just a bunch of songs“. Doch auf „Minor Love“ scheinen sie stärker zusammenzugehören – auch weil sie ähnliche Themen haben?

Ja, das ist wohl wahr. Hängt damit zusammen, dass diesem Album einige persönliche Dramen vorangingen. Ein Typ wird geschieden und befindet sich in einer ähnlichen Situation wie ich damals mit 19. Er hat keine feste Bleibe, schläft bei Freunden auf dem Sofa und findet sich erneut an der Westküste wieder. Ich wollte so weit weg von allem wie möglich. Ehrlich gesagt ging ich nur nach L.A., um mich dort mit Kokain und Huren abzulenken. Was auch gelang, aber ich schrieb eben auch diese Songs. Und gerade als ich mich mit der Idee anfreundete, meinen Kram in New York wieder auf die Reihe zu kriegen, fand ich mich plötzlich im Haus von Noah Georgeson wieder, wo wir die Lieder schnell einspielten. Wenn du ein Album in so kurzer Zeit aufnimmst, wird es immer ein bestimmtes Gefühl transportieren. Und ich fühlte mich halt die ganze Zeit wie traurige Folk-Musik (lacht).

Hat es sich auch angefühlt, als würden Sie noch mal an den Anfang zurückkehren?

Seit „Gemstones“ habe ich mit dieser Cabaret-Idee gespielt, die ich mir von Scott Walker-Alben abgehört hatte. Da war etwas Kompliziertes in dieser Musik, und das schien mir eine größere Herausforderung zu sein als noch mehr Anti-Folk-Zeugs. „Sixes And Sevens“ war dann schon eine Platte des Übergangs, ich wusste nicht genau, wo ich stehe. Und jetzt ist es schön, mit „Minor Love“ einfach zu der Musik zurückzukehren, die ich liebte, als ich anfing zu spielen. Folk-Rock, Velvet Underground.

Die Texte sind einerseits brutal ehrlich und persönlich, andererseits scheint es so, als untersuchten Sie fast wie ein Außenstehender verschiedene Rollen. So als wollten sie sagen: Wer ist dieser Typ bloß?

Yeah. Ich vergesse einfach nicht, dass ich immer noch ein Entertainer bin. Klar, ich hatte ein beschissenes Jahr und daraus zog ich meine Inspiration, aber ich bleibe dabei immer noch ein Plattenmacher. Und als solcher hüte ich mich davor, den Leuten einfach einen Eimer Kotze in den Schoß zu kippen. Diese Platte soll kein Problem für sie sein, sondern ein Geschenk. Weil sie vielleicht etwas finden, das zu ihnen spricht. Wenn ich Platten höre – und der Typ hat gerade ein Problem, dann kann er mir gern davon erzählen, aber ich möchte nicht das Gefühl bekommen, ich müsste mich wirklich damit auseinandersetzen.

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