TV-Fußnoten

Amerika in Serie: Die neuen Staffeln von „House Of Cards“, „The Americans“ und „Scandal“ rauben einem den Schlaf

Es heißt ja nicht umsonst "Binge-Watching" - man fühlt sich auch ein bisschen wie beim Vollrausch: Erst kann man einfach nicht aufhören, und danach geht's einem schlecht.

Haben Sie es schon geschafft? Die komplette dritte Staffel von „House Of Cards“ bereits angeschaut? Seit Freitag ist sie bei Sky verfügbar – bei den Allzeit-bereit-Unterabteilungen des Senders, die „Sky Go“ und „Sky Anytime“ heißen und einem damit schon suggerieren: Nimm’s dir! Wann immer du magst! Aber am besten schnell. An einem Wochenende eine ganze Staffel anschauen ,13 Folgen nacheinander – und dann ein Jahr warten, bis es Nachschub gibt. Überdosis und Cold Turkey, nichts dazwischen. Es heißt ja nicht umsonst „Binge-Watching“ – man fühlt sich auch ein bisschen wie beim Vollrausch: Erst kann man einfach nicht aufhören, und danach geht’s einem schlecht. Die Demut nach dem Suff wird zur Demut nach der Staffel: Wäre es nicht schön gewesen, die Folgen häppchenweise zu gucken, das Finale wochenlang hinauszuziehen – und im nächsten Jahr möglicherweise noch genauer zu wissen, was eigentlich alles passiert ist? Serien im Schnelldurchlauf – vielleicht gar keine so gute Idee? Erschwerend kommt hinzu, dass man jetzt niemandem etwas über den Verlauf erzählen darf – die Spoiler-Gefahr ist zu hoch bei einer Serie, in der jede Folge mindestens eine spektakuläre Szene bietet und nichts, aber auch gar nichts sicher ist. Außer dass Francis (Kevin Spacey) und Claire Underwood (Robin Wright) bei allen Widrigkeiten das perfekte Paar sind: souverän, scharfzüngig, skrupellos.

Kurz vor „House Of Cards“ lief auch die dritte Staffel von „The Americans“ an. Jede Woche lade ich die neue Episode runter (natürlich legal) und leide mit. Man scheint in Echzeit mitzuerleben, wie sich Elizabeth (Keri Russell) und Philip (Matthew Rhys) immer weiter von dem Leben distanzieren, das sie zu führen vorgeben. Als russische Undercover-Agenten in den 80er-Jahren sind sie bereit, alles für ihr Land zu geben – doch wie weit geht die Loyalität, wenn die eigene Tochter rekrutiert werden soll? Paige (Holly Taylor) wächst langsam zur Erwachsenen heran und formt sich ihr eigenes Weltbild, während das der Elterngeneration immer mehr ins Wanken gerät. Zwischendurch passiert bei „The Americans“ ziemlich viel, es gibt die klassischen Spionage-Aktionen (Abhören, Einbrechen, Wegrennen, Kämpfen), aber die zwischenmenschlichen Tragödien sind es, die einen stets am meisten mitnehmen. Bei der Vorstellung, alle Folgen direkt nacheinander anschauen zu müssen, wird einem flau im Magen. Ähnlich verhält es sich mit der anderen großen US-Politik-Serie: Während sich „House Of Cards“ immer mehr aufs Weiße Haus verdichtet und das Präsidentenpaar kaum noch Privatleben kennt, leidet der erste Mann im Staat bei „Scandal“ auch in der 4. Staffel weiter – unter der unerfüllten Liebe zur aus ihrem Versteck aufgetauchten Olivia Pope (Kerry Washington), unter dem Druck des Amtes, unter seiner eigenen Verlogenheit. Auch „Scandal“ ist Woche für Woche ein Vergnügen, weil sich gnadenlose Intrigenspiele, gefährliche Feindschaften und zarte Momente des Glücks abwechseln.

Höre ich jemanden sagen, ich hätte „House Of Cards“ ja auch gemütlicher gucken können, statt eine Folge nach der anderen durchzuziehen wie ein Kettenraucher? Stimmt natürlich. Doch Sucht, laut Duden „das unabweisbare Verlangen nach einem bestimmten Erlebniszustand“, ist halt nichts, das sich so leicht kontrollieren lässt. Francis Underwood weiß das, sein Machthunger ist unstillbar. Mein liebster Dialog in dieser Staffel:

Claire: „We’re murderers, Francis.“
Francis: „We’re survivors.“

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