Aus dem Leben geklaut

Bei Bastian Pastewka verschwimmen die Grenzen zwischen Fernsehen und Wirklichkeit. Der geniale Komiker stellt mit Begeisterung seine Spleens, Krisen und Unzulänglichkeiten aus.

Mein Gott, Sie sind ja wirklich so!“ Diesen Satz hört Bastian Pastewka oft. Wenn man glaubt, ihn zu kennen, weil man gerade die fünfte Staffel der Serie „Pastewka“ gesehen hat, liegt man gar nicht falsch. „Natürlich bin ich so“, gibt der Komiker zu. „Jeder hat doch manchmal einen schlechten Tag. Einmal im Monat geht bei mir an irgendeinem Dienstag – und ich erwarte es am Montagabend noch nicht – alles schief. Morgens gibt’s Ärger mit den Müllmännern, mittags ruft meine Mutter an und hat irgendeine Hiobsbotschaft, danach kriege ich von meiner Agentur eine Absage für etwas, das ich gern gemacht hätte – und an so einem Tag legt sich meine Stirn gegen zwölf Uhr mittags in Falten, und ich werde krampfig und ärgerlich und ungerecht und panisch. Und wir lassen Bastian Pastewka diesen Tag Folge für Folge erleben. Deshalb kann ich von mir nicht behaupten, auch nicht, um zu kokettieren: Das ist alles überspitzt. Es ist vielleicht zugespitzt, aber nicht überspitzt.“

Pastewka spricht erstaunlich makellose Sätze, gern verschachtelt, und seine Geschichten sind voll skurriler Feinheiten. Das ist vielleicht sein größtes Talent: Er arbeitet alles bis ins kleinste Detail aus. Er spielt den überspannten Tolpatsch so liebenswürdig wie den sammelwütigen Besserwisser, und immer nimmt man ihm das selbst verschuldete Chaos ab, das sein TV-Leben ausmacht. Wenn ihm privat Katastrophen passieren, macht er sich im Kopf gleich Notizen, merkt sich Optik, Stimmlage und Sätze von Personen. „Neulich stand ich im Supermarkt und wollte nur eine Packung, Philadelphia Doppelrahmstufe‘ kaufen und hatte es wahnsinnig eilig. Die beiden Kassiererinnen redeten ohne Punkt und Komma über den neuen Studenten, den der Chef eingestellt hatte und der nicht weiß, wie man Paletten stapelt. Und ich stand da, und die redeten, ohne dass ich oder die Schlange hinter mir sie geschockt hätten, immer weiter über ihre Supermarktprobleme. Super Szene – habe ich sofort geklaut aus dem wahren Leben und in eine unserer Folgen eingewoben.“ So verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fernsehen, und der Star hat kein Problem damit, er spart sich jedes Selbstmitleid. Sollen die Leute ihm doch Europa-Hörspielkassetten zustecken oder spontan sein Wissen auf die Probe stellen: „Natürlich fragen mich Menschen auf der Straße, weil ich mal herumposaunt habe, dass ich alle Folgentitel von, Die drei ???‘ auswendig kann von 1 bis 40:, Ey, sag mal 36!‘ Und dann sage ich:, Die drei ??? und der Super-Wal‘, und dann grinsen die. So einfach ist es manchmal. Und darunter leide ich ebenfalls nicht.“

Pastewka hat Anfang der 90er-Jahre zwar kurz und „mit sehr wenig Erfolg“ Pädagogik studiert, doch eigentlich wusste er schon vor dem Abitur in Bonn, dass er Komiker werden will. Als Teenager, erzählt er, hatte er große Angst, dass die Schule irgendwann zu Ende geht und alle Kameraden schlagartig weg sind. Er spielte mit dem Gedanken, lieber ein paarmal sitzen zu bleiben, „weil ich so überzeugt war, dass ich danach in diesem Leben total verloren bin“. Doch dann entdeckte er mit seinem damaligen Schulfreund und bis heute besten Kumpel Bernhard Hoëcker die Bühne. Zur Not hätte er wohl lebenslänglich vor 20 Leuten Sketche gespielt, aber dann gelang ihm schon 1996 der Durchbruch in der „Wochenshow“. Seitdem ist er aus dem deutschen Fernsehen kaum wegzudenken. Nächstes Jahr wird er 40, ist immer noch begeistert von seiner Arbeit und „fast krankhaft ehrgeizig“. Zurzeit werkelt er mit Anke Engelke an einer neuen Volksmusikshow-Parodie: „Fröhlicher Frühling mit Wolfgang und Anneliese“ wird am 13. Mai gesendet. Und er hofft natürlich auf weitere „Pastewka“-Staffeln, denn desaströse Dienstage wird es noch genug geben.

Einen großen Unterschied im Freizeitverhalten gibt es übrigens doch zwischen ihm und seinem TV-Alter-Ego. Zwar hat er schon früher „den einen oder anderen Wir-ziehen-mal-um-die-Häuser-Abend in einer crazy Bar ausgelassen“, weil er abends lieber einen Spielfilm oder eine Serie sehen wollte. Aber: „Ich habe heute – im Gegensatz zu dem, was mein Serien-Pastewka macht – mit dem 80er-Jahre-Fernsehen, also dem Fernsehen meiner Kindheit abgeschlossen. Es gibt Freaks, die so nett sind und mir eine, Timm Thaler‘-DVD-Box schenken. Ich würde sie nicht schauen., Hart, aber herzlich‘,, Ein Colt für alle Fälle‘, auch mit Comics allgemein habe ich komplett abgeschlossen.“ Er gehört auch nicht zu den Schnöseln, die jede Serie aus England oder Amerika sofort und im Original sehen müssen, er kann notfalls warten. Natürlich kennt er sie trotzdem alle, ob die BBC-Serie „State Of Play“, sämtliche „24“-Folgen oder „Breaking Bad“ und „Mad Men“.

Einen Bereich der Popkultur hat Pastewka dagegen vollkommen ausgeblendet: „Bei aktueller Musik bin ich fürchterlich unbewandert. Ich höre alles und nichts, aber in erster Linie Filmmusik. Ich fand Trent Reznors Soundtrack zu, Social Network‘ toll, oder die Scores von, Inglourious Basterds‘,, Revolutionary Road‘,, The Illusionist‘. Philip Glass, Ennio Morricone. Ich habe eine absolute Affinität zu Instrumentalmusik, ich mag keine anstrengenden Stimmen. Mit Rockmusik, mit lauter Musik, mit Alanis-Morissette-ich-knödel-mal kann ich nichts anfangen. Ich habe ein paar 80er-Jahre-Songs gepaart mit Filmmusiken, und ansonsten höre ich fast ausschließlich Hörspiele, die ich mir im Radio aufgenommen habe. Das klassische öffentlich-rechtliche Funk-Hörspiel. Vor Kurzem sechsmal 90 Minuten, Das Geisterhaus‘: fantastisch! Viermal 90 Minuten, Der Name der Rose‘. Sechs Stunden ‚Paul Temple und der Fall Curzon‘ – so was höre ich rauf und runter.“ Nein, normal ist keiner der beiden Pastewkas. Wäre auch langweilig.

Die DVD „Pastewka – Die fünfte Staffel“ ist bei Sony erschienen.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates