Ben Folds Five – zu Gast auf der Roling Stone Road Show

Die Außenseiter aus North Carolina kultivierten auf ihren bisher drei Alben den subversiven Witz von Burschen, die in der Schule nicht viel zu lachen hatten. Doch Ben Folds und seine Kollegen - mir zwei übrigens haben sich längst emanzipiert und spielen mit leichter Hand Songs, die Supertramp und Barry Manilow mit Randy Newman erdacht haben könnten - live ein Feuerwerk

Das Klavier rockt nicht Vielleicht früher, bei Jerry Lee Lewis. Aber heute bei Elton John? Bei Billy Joel? Nun ja. Gitarren rocken. Man kann sie auf dem Boden zerschmettern, durch die Luft wirbeln, anzünden. Eine richtige Rockband braucht also Saiten, nicht lasten. Ben Folds Five sind allerdings keine richtige Rockband. Sie sind die ewigen Außenseiter im Popgeschäft Sturköpfe, subversive. Sie unterwandern jedes Klischee, und sie können auf Gitarren getrost verzichten. Deshalb müssen Ben Folds Five auch keine fünf sein, sondern nur drei. Hört sich sowieso besser an als »Ben Folds Three“, findet der Sänger, Pianist und Namensgeber des Trios aus North Carolina. Bass und Schlagzeug, mehr Brimborium will er gar nicht Live jedenfalls nicht. Auf dem jüngsten Album „The Unauthorized Biogttphy Of Reinhold Messner“ kommen auch Bläser und Streicher zum Einsatz, aber nur weil sich Ben Folds Five das jetzt leisten können – „und weil der Begriff Klavier-Rock so abgegriffen ist. Vbr allem aber, weil wir eine Menge Geld aus dem Fenster werfen wollten und die Platte ordentlich was kosten sollte.“ Man ist schließlich stolz auf die Karriere. Früher, das hat Folds nicht vergessen, gab nämlich keiner einen Pfifferling auf die ungewöhnlichen Ideen des bekennenden Neil-Sedaka-Fans, der neuerdings doch häufiger wie Barry Manilow croont. Anfang der 90er Jahre fand Folds in Bassist Robert Sledge und Drummer Darren Jessee endlich die geeigneten Menschen, um seine Vision voranzutreiben. Rache an den Zweiflern, Mut für alle nerds. Das erste Album, JZponymous“ (’95), schoss gegen alles und jeden, der es dem kleinen Ben schwer gemacht hatte – und wirkte dabei fast fröhlich. So schafft es dieser Mensch nämlich, seine fiesen Verse zu verkaufen: Er schreibt einfach bezaubernde Melodien drumherum. Watte um die Wahrheit; weiche Schale, eisenharter Kern. Zwei Jahre später, zu “ Whatever And Ever Amen“, schrieb der sympathische Zyniker den „Song Fbr The Dumped“, der so kläglich klang, dass sich keine Frau mehr beschweren mochte, dass ihm in seiner Wut und Traurigkeit ein „bitch“ rausrutschte. Der Solidaritäts-Song klingt übrigens auch in der japanischen Version sehr charmant. Es war aber nicht alles so bitter ernst. Das vermeintliche Liebeslied „Kate“ soll aus einer Wette entstanden sein: Freunde glaubten nicht, dass es Ben gelingen könne, einen Song zu schreiben, dessen Chorus nur aus einer einzigen Silbe besteht Natürlich zeigte er es ihnen. Bei den Konzerten des Trios muss man auf manche dieser Knüller der Vergangenheit leider verzichten. Das Gedächtnis von Folds funktioniert nur dann gut, wenn es um zurückliegende Kränkungen geht. Bei Liedern hat er mehr Probleme. Genau deshalb fallen ihm aber auch immer wieder originelle Melodien ein. „Ich würde mich ganz gerne mal wiederholen, doch ich kann mich leider kaum an meine alten Songs erinnern. Wir haben neulich mal versucht, ,Underground‘ noch einmal zu spielen, und ich wusste schon gar nicht mehr, wie’s geht.“ Ist ja nur ein Klassiker vom Debütalbum. Liegt halt schon fünf lange Jahre zurück. Andere Höhepunkte früherer Werke müssen wohl auch ausfallen, wenn die drei auf Samples verzichten wollen. Wer genau hinhörte, konnte auf Ben Folds Fives Alben immer interessante Details entdecken, von denen man nie wusste, ob Zufall oder Absicht dahinter steckte. So läutet etwa bei „Steven’s Last Night In Tbwn“ im Hintergrund ein Telefon. Ein Freund aus Minnesota meldete sich im Proberaum, der Band gefiel die kurze Unterbrechung. Man löschte das Klingeln nicht vom Band, auch das anschließende Lachen Roberts nicht. Und zwischendurch quatschen die drei ganz gerne mal irgendeinen Unsinn, wie sie es auf der Bühne auch tun. Als Ben Folds Five vor einige Monaten ihr neues Werk in London vorstellten, alberte der Pianist herum, als sei es ihm vollkommen egaL dass die gesamte englische Musikpresse angerückt war, um zu berichten. Mal brach er einen Song – ausgerechnet das niedliche JLullabye“ – abrupt ab, entschuldigte sich aber recht herzlich: „Sorry, ich musste rülpsen. Das Mineralwasser, Sie verstehen. Gleich geht’s weiter.“ Mal vergaß er eine Strophe, aber auch dafür gab es eine Erklärung: „Die Lieder sind ja noch so neu. Die habe ich noch nicht ganz im Kopf.“ Und auf Textbiätter zu schauen ist unpraktisch, denn Ben schließt gerne die Augen, wenn er vor vielen Menschen auftritt So sieht also sein Problem aus: An die alten Lieder kann er sich nicht erinnern, die neuen kann er sich nicht merken. Aber dafür hört man mitunter Versionen vom Buggles-Hit „Video Killed The Radio Star“ und Elvis Costellos „Wave A White Flag“. Auf der Bühne verrenkt sich Folds oft ganz komisch, verbeugt sich tolpatschig und fallt fast über seine eigenen Füße. Das macht aber nichts, dann haben seine beiden Kollegen wenigstens auch mal was zu lachen. Viel zu sagen haben sie nicht Doch auch wenn Folds wie ein Einzelkämpfer wirkt – ohne Sledge und Jessee wäre er sehr unglücklich: „Alleine käme ich mir vor wie ein Winsler, der immer nur von sich selbst singt.“ Außerdem hat man sich längst an einander gewöhnt Man raucht dasselbe Kraut, trinkt das gleiche Bier und leidet an der selben Krankheit: „Narcolepsy“. Der Song gehört zu den wenigen, die Ben wirklich aus der Seele sprechen: „Wenn du mal vier, fünf Jahre lang auf Tour warst, weißt du, wie wichtig Schlaf ist Irgendwann checkst du gar nichts mehr, weil du vor lauter Schlafentzug schon halb in Trance bist Wie ferngesteuert läuft man dann durch die Gegend.“ Der vitriolische Witz, mit dem Folds nicht nur seine Alltagssorgen beschreibt, sondern auch die schiefen Lebensläufe anderer armer Wichte, war es wohl, der ihn davor bewahrte, es sich in den Südstaaten gemütlich zu machen und zum ewigen Studenten zu werden. Wo er sich auch umsah, immer entdeckte er ulkige Geschichten. „Wahrscheinlich können nur Südstaatler unsere Lieder wirklich richtig verstehen. Wir haben diese langsame Art zu reden und zu denken.“ Bei der dann aber einige doch nicht mitkommen. „Missverständnisse sind wir schon gewohnt. Vermutlich schaffen es manche auch noch, ,Your Redneck Past‘ falsch zu verstehen.“ Und wie versteht man den Song richtig? „Tja, das weiß ich jetzt auch nicht so genau. Es ist schon kompliziert, aus dem Süden zu kommen. Die Last der Geschichte sitzt auf deinen Schulter. So schön es hier ist, immer denkt man an den Bürgerkrieg, Sklavenhaltung und so weiter. Mal ganz abgesehen von den vielen modernen Rednecks, die noch viel mehr nerven.“ Bei Politik fangt Folds an zu gähnen, darüber redet er doch nicht so gem. Über Musik auch nicht, „die erklärt sich von selbst“. Im Juli ist er Vater von Zwillingen geworden, aber erwachsen? „Wir reden immer noch so wie ab Kids, wir können gar nicht anders. Das haben wir wohl ausnahmsweise mit allen anderen Rockbands und Musikern der Welt gemein.“ Birgit Fuss RoaD SHOW

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