Blog: Die Leipziger Buchmesse – Als die Autorenbilder laufen lernten

Cut-up revisited: Maik Brüggemeyer streift über die Leipziger Buchmesse und bastelt sich eine Art akustische Collage aus Journalistenfragen und Autorenantworten. "Warum schreiben Sie?" – "Schreiben macht einsam."

Die Buchmesse in Leipzig wird gerne als das gemütlich-familiäre Gegenstück zur Großmesse in Frankfurt im Herbst beschrieben. Hier mischen sich Geschäft und Lust an der Literatur. Endlich kann man als Leser mal sehen, wie die Autoren in Farbe und mit Unterleib aussehen. Das literarische Wunderkind aus Österreich, Clemens J. Setz (erhielt für „Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes“ den Preis der Leipziger Buchmesse), steht vor einer Wand mit Max-Frisch- und Michel-Foucault-Büchern am Suhrkamp-Stand, Hellmuth Karasek („Im Paradies gibt’s keine roten Ampeln“) klagt am Hoffmann-und-Campe-Stehtisch über die Messeanstrengungen, Peter Stamm („Seerücken“) trinkt Kaffee, Mathieu Carriere („Im Innern der Seifenblase“) fläzt sich erschöpft neben Dieter Moor auf einem Sofa, Karen Duve („Anständig essen“) eilt, Veronica Ferres („Kinder sind unser Leben“) walkürt vorbei, Tino Hanekamp („Sowas von da“) will was essen.

Aber man sieht die Autoren nicht nur, man hört sie auch. Denn eigentlich ist die Leipziger Buchmesse vor allem eine riesige Medienveranstaltung. Hier gibt es mehr Kameras als Crêpe-Stände (und die gibt es an jeder Ecke). Das ZDF hat sein Blaues Sofa aufgebaut, arte, 3Sat und der MDR haben jeweils eine Bühne, die ARD gleich zwei, nachdenkliche Menschen sinnieren an Radiosenderständen, vor Lokalfernseh- und Internetmagazinmikrofonen …

Und so ist ein Gang über die Buchmesse eine Art akustische Collage aus Journalistenfragen und Autorenantworten, die – je nachdem, wie schnell man unterwegs ist – oft nicht so recht zusammenpassen. „Wie gefällt Ihnen die Messe bisher?“ –“Es ist schwierig, sein eigenes Werk zu analysieren.“ – „Wie sind sie auf diesen Stoff gekommen?“ ­– „In Berlin kann man es sich nicht leisten, erwachsen zu werden.“ – „Warum schreiben Sie?“ – „Schreiben macht einsam.“ – „Hat Ihr Buch einen moralischen Kern?“ –“Verliererfiguren sind immer interessanter.“ – „Haben Sie viel recherchiert?“ – „Ich lasse mich von meiner Kreativität überraschen.“ – „War es schwierig, sich in diesen kindermordenden Centauren mit seiner Vorliebe für Bach und Sodomie hineinzuversetzen?“ – „Ich schöpfe da natürlich auch aus eigenen Erfahrungen, aus meiner Lebenswelt.“

Und über das eigene Metier erfährt man auch noch etwas. In einem schönen neuen Gedichtband von Dietmar Dath:

Die Blogger spinnen zittrig Flimmerzeilen

Ephemeriden ohne Sternzeitzahl

Bei keinem Hyperlink darfst du verweilen.

Soziale Netze, plötzlich asozial.

(aus: „Editorial Content“, in: „Gott ruft zurück“, Connewitzer Verlagsbuchhandlung)

Mehr Pop und Kultur und Pop-Kultur (fast) täglich in unserem Blog.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates