Das Jahr in Serie: Birgit Fuß schaut auf das Serienjahr

Birgit Fuß ist unsere TV-Expertin in Sachen Serien und bloggt in ihren TV-Fußnoten regelmäßig über ihr Herzensthema. Im Rahmen unserer Jahresendaktion "Farewell 2011" hat sie noch einmal das TV-Jahr 2011 Revue passieren lassen.

Birgit Fuß ist unsere TV-Expertin in Sachen Serien und bloggt in ihren TV-Fußnoten regelmäßig über ihr Herzensthema. Im Rahmen unserer Jahresendaktion „Farewell 2011“ hat sie noch einmal das TV-Jahr 2011 Revue passieren lassen und fand dabei:

Elf Glücksgriffe und ein Trauerfall

Wenn bei jedem Sender die „Menschen 2011“ gekürt werden, wahlweise auch die „Bilder“, „Emotionen“ und „Helden“, wenn alle über Höhepunkte und Katastrophen der vergangenen zwölf Monate nachdenken, dann kann man auch mal auf die schönsten Serienmomente des Jahres zurückblicken, auch wenn da eigentlich in Staffeln gerechnet wird. Meine persönlichen Top 11:

Die cleverste Pathologin: „Body Of Proof“
Als hysterische Katherine hatte Dana Delany bei „Desperate Housewives“ nicht die angenehmste Rolle, bei „Body Of Proof“ wuchs sie einem dann überraschend schnell ans Herz: Als spröde Pathologin löste sie jeden Fall und schaffte es dabei immer noch, ihre Kollegen alt aussehen zu lassen. Man mochte diese notorische Besserwisserin wegen der Risse in ihrer Souveränität – privat bekam sie wenig auf die Reihe.

Das charmanteste Duo: „White Collar“
Wenn FBI-Agent Peter Burke und Ex-Sträfling Neal Caffrey zusammen auf Verbrecherjagd gingen, spielten sie immer auch miteinander Katz und Maus: Der trockene Schleicher hatte das Gesetz auf seiner Seite, der charmante Gaunerseinen scharfen Verstand. Das Zuschauerherz schlug natürlich für Caffrey – nicht nur wegen der blauen Augen, sondern weil er nur für eine Sache alles aufs Spiel setzen würde: für die Liebe.

Die härteste Krankenschwester: „Nurse Jackie“
Die Unentschlossenheit, mit der die Serie zwischen Drama, Satire und Komödie schwankte, irritierte manchmal, aber Edie Falco hat nach Carmela Soprano wieder eine Paraderolle gefunden: Als störrische Krankenschwester Jackie Peyton regierte sie die New Yorker Notaufnahme – wenn sie ihren bösen Blick aufsetzte, kuschten selbst Ärzte. Und all die Pillen, die sie einschmiss, schienen kaum einen beruhigenden Effekt zu haben.

Der größte Glamrockfaktor: „Californication“
Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Serie über den hedonistischsten Schriftsteller aller Zeiten die hedonistischste Musik aller Zeiten entdeckte – zumindest im Mikrokosmos Los Angeles. Die Tochter von Hank Moody spielte mit ihrer Mädchenband in der vierten Staffel Songs von Skid Row, und während sich Moody an der Bar betrank, klimperte im Hintergrund Tommy Lee „Home Sweet Home“.

Die schlimmste Trennung: „House“
Ja, er ist ein egozentrischer Mistkerl, unzuverlässig und unsozial, aber musste Cuddy ihn deshalb verlassen? Er hat sich doch bemüht! Wir haben schon viel mitgemacht mit House, aber seit er unter der Trennung von seiner Geliebten leidet, ist jede Folge eine Qual. Eine Qual, die immer noch berührender, dramatischer und gewitzter ist als alles andere, natürlich.

Die schnöseligsten Schnösel: „Gossip Girl“
Serena van der Woodsen und Blair Waldorf, Nate Archibald und Chuck Bass haben die Highschool verlassen und studieren jetzt oder geben sich ganz dem Gesellschaftsleben hin. Geld verdienen müssen sie ja nicht, das hat man an der Upper East Side einfach. Während die Neuauflagen von „90210“ und „Melrose Place“ unerträglich stumpf sind, ist es jede Woche ein Spaß, die arroganten Gören beim Erwachsenwerden zu beobachten. Sie werden auch nicht glücklicher werden als wir – eine Erleichterung.

Die irrsten Phänomene: „Haven“
Klingt wie großer Quatsch, ist aber spannend: In der kleinen Hafenstadt werden ausgestopfte Tiere lebendig, Menschen zu Stein oder zu Mumien, Straßen verwandeln sich in Krater, und dauernd bricht irgendwo ein Feuer aus. Schuld ist immer die „Problemzeit“ („troubles“ klingt irgendwie besser) – was das genau sein soll, weiß nur Stephen King, auf dessen „Colorado Kid“ die Serie aufgebaut ist. Bis FBI-Agentin Audrey Parker es rausfindet, rätseln wir gern mit.

Das lustigste Celebrity-Reality-Show-Paar: „Ice Loves Coco“
Man dachte, seltsamer als Flavor Flav und Brigitte Nielsen geht es nicht, aber diese Show auf „E!“ belehrte uns eines Besseren: Zwar rettete Ice-T mit seiner launigen Selbstironie manch peinliche Szene, aber man fragte sich doch, welchen Narren er an der Ultrablondine Nicole „Coco“ Austin gefressen hat. Ist die Antwort wirklich so simpel wie: „DD“?

Der schärfste Zahn: „True Blood“
Jeder vernünftige Mensch hat sich schon nach dem ersten „Twilight“-Film geschworen, stets Abstand von Vampiren zu nehmen, aber „True Blood“ machte das unmöglich. Von Staffel zu Staffel wuchs einem Eric Northman mehr ans Herz – der tausendjährige Wikinger, der vom Erzbösen zum manchmal auch putzigen Ziemlichbösen mutierte. Dass es nebenbei jetzt auch Werwölfe und Werpanther, Gestaltenwandler, Hexen und Elfen gab, trug nicht gerade dazu bei, dass man Uneingeweihten gern von „True Blood“ erzählte. Man kam sich dann so irre vor.

Der geschmeidigste Doktor: „Royal Pains“
Gut, dass es zwischen den Todesfällen bei „Body Of Proof“ und den Ausfällen von „House“ auch noch eine entspannte Arztserie gab: Dr. Hank Lawson kümmerte sich um steinreiche Privatpatienten, versuchte vergeblich, seinen Luftikus-Bruder in den Griff zu kriegen, und kam einfach nicht hinter das ganze Geheimnis seines adligen, todkranken Vermieters. Macht aber auch nichts – wir begleiten ihn gern weiter bei seinen Cabriofahrten durch die Hamptons.

Die härtesten Jungs: „Sons Of Anarchy“
Die letzten Wochen des Jahres habe ich in Kalifornien verbracht, mit einer Horde Bikern. Sie heißen „Sons Of Anarchy“, aber wir nennen sie nur noch SAMCRO (Sons Of Anarchy Motorcycle Club Redwood Original), weil das noch cooler klingt. Sie tragen Kutten und hören Hardrock, sie hängen mit Stripperinnen herum und schlagen gern zu, ihr Geld verdienen sie mit Waffenhandel. Hört sich jetzt nicht gerade nach Sympathieträgern an, aber ich habe sie liebgewonnen. In ihrer Kleinstadt Charming haben sie alles unter Kontrolle – die Läden, die Polizei, die anderen Gangs -, bis natürlich alles irgendwie schiefgeht. Zwei Gründe, warum man „Sons Of Anarchy“ sehen muss: Der dramatische Machtkampf zwischen Jax Teller (Charlie Hunnam) und seinem Stiefvater Clay Morrow (Ron Perlman) – zwei Alphamänner, die kaum noch wissen, wie es weitergehen kann. Der eine sieht aus wie eine Mischung aus Brad Pitt und Kurt Cobain, der andere war mal Vincent in „Die Schöne und das Biest“ – und beiden nimmt man jede Sekunde alles ab: den Stolz, die Brutalität, die Unbeugsamkeit. Und doch: Ohne ihre Frauen sind sie nichts, und sie wissen das. Clays „old lady“ wird gespielt von Katey Sagal, die gar nicht mehr Peggy Bundy ist, sondern nur noch Gemma Teller – eine der stärksten Frauenfiguren, die man je in einer Serie gesehen hat.

.. und dann ist da noch der traurigste Abschied: „Desperate Housewives“
Im August wurde es offiziell bekanntgegeben: Die achte Staffel wird die letzte sein – und ich trauere jetzt schon Lynette Scavo und Bree Van de Kamp hinterher, Gaby Solis und Susan Delfino. Schön war es mit Euch, auch wenn Ihr mir mit Euren Neurosen oft auf die Nerven gingt. Wenn gerade kein blödes Geheimnis erforscht werden musste, war es immer ein Spaß, Eure wechselnden Freundschaften und Feindseligkeiten zu beobachten. Diese Hiobsbotschaft war allerdings nicht der einzige Abschied in diesem Jahr: Das romantische Staffelfinale von „Doctor’s Diary“ war im Februar auch das Letzte, was wir von Gretchen Haase und Marc Meier sehen – die Serie wird nicht fortgesetzt, angeblich haben einige Darsteller zu viel anderes zu tun. Das gilt natürlich auch für Charlie Sheen, der sich im selben Monat mit seinen skurrilen Nebenaktivitäten und Kommentaren bei „Two And A Half Men“ hinauskegelte. Man dachte sich einen schönen Serientod aus für Charlie Harper: Er wird von der Metro überrollt – wie Sheen vom Leben.

Was nächstes Jahr wohl passieren wird? Ich freue mich vor allem auf J.J. Abrams „Alcatraz“ und „Mildred Pierce“ mit Kate Winslet – und hoffe, dass „Bored To Death“ endlich nach Deutschland kommt. Sonst geht es wieder mit dem Import von DVD-Boxen los und dem zwanghaften Acht-Episoden-am-Stück-Schauen. Man hat doch schon zu wenig Freizeit! Jede Woche eine Folge, das ist gerade noch zu schaffen – wenn nicht gerade mehr als zehn gute Serien gleichzeitig laufen. Was immer häufiger der Fall ist. Man muss dann eben Prioritäten setzen – auf Lanz, Beckmann und Kerner verzichte ich schon lange. Und Casting-Shows, Sport und Spielfilme werden eigentlich auch überschätzt, oder? Ich halte mir nur noch ein kleines Zeitfenster frei – für „Wetten, dass…?“.

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