Erinnerung an Eagles-Mitbegründer Glenn Frey: Der harte Bursche

Die Eagles definierten den Westcoast-Sound, indem sie die lieblichen Harmonien der introspektiven Songwriter-Kunst, Country Music und Mainstream-Rock verbanden. Schon 1975 waren sie die erfolgreichste US-Band, und sie waren auch die wildeste. Nicht zuletzt wegen Glenn Frey.

Wahrscheinlich hat Glenn Frey das Ende der Eagles von allen Mitgliedern der Band am wenigsten bedauert. Als Don Henley die verbliebenen Musiker um die Jahrtausendwende für ein weiteres Studioalbum – das erste seit 1979 – zusammenrief, war es Frey, der nicht zu dem Termin erschien.

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Frey war es auch, der in den 70er-Jahren zuerst Bernie Leadon, dann Randy Meisner aus der Band trieb. Glenn Frey war der Bully neben dem Brüter Don Henley. Er war der Vorsitzende der Eagles, Henley der zweite Mann – aber Henley schrieb die Texte, und er sang die meisten Songs. Sie teilten die Autoren-Credits (Frey wird neben Don Felder und Don Henley als Autor von „Hotel California“ genannt, war aber kaum an dem Stück beteiligt), sie teilten eine Villa, sie teilten die Drogen, sie teilten die Frauen. Die 70er-Jahre waren ihre gemeinsame Zeit.

Die Eagles 1974, L-R: Bernie Leadon, Glenn Frey, Don Henley, Randy Meisner, Don Felder
Die Eagles 1974, L-R: Bernie Leadon, Glenn Frey, Don Henley, Randy Meisner, Don Felder

„Lass es, Glenn!“

Als sie in den 80er-Jahren kaum noch etwas teilten, teilten sie noch den schwindenden Erfolg. Glenn Frey reüssierte 1984 mit „The Heat Is On“ aus dem Film „Beverly Hills Cop“, Don Henley hatte seinen größten Hit mit „The Boys Of Summer“. Frey wollte Schauspieler sein und übernahm eine Nebenrolle in „Miami Vice“ – er war als Flugzeugmechaniker sehr gut. Als er aber bei einer Gartenparty zu seinem 50. Geburtstag einen Zusammenschnitt seiner kleinen Filmauftritte präsentierte, rief jemand aus dem Publikum: „Lass es, Glenn!“ Niemand nahm seine Ambition ernst. In Cameron Crowes Film „Jerry Maguire“ hat er eine Rolle als skrupelloser Football-Manager. Crowe kannte ihn. Glenn Frey war ein harter Bursche, und er war immer nur Glenn Frey.

In den 60er-Jahren war er der ehrgeizigste unter den jungen Musikern in Detroit. Er lungerte immer da herum, wo Bob Seger war, der damals seine ersten Platte aufnahm. Seger wurde auf den Jungen aufmerksam, der passabel Gitarre und Klavier spielte und sang. Frey wollte Rock’n’Roll, aber in Detroit war ja schon Seger, und der war bald auch nicht mehr da. Glenn Frey zog nach Los Angeles und schlug sich eine Weile durch. Er wohnte in einem Haus über dem garagenarartigen Apartment eines jungen Musikers namens Jackson Browne. Durch die Decke hörte er immer, wie Browne auf dem Klavier seine Song schrieb, dann Tee kochte, dann wieder Klavier spielte. Frey begriff, wie jemand arbeitet, der sehr begabt ist. Browne hatte als 18-Jähriger in New York bei Konzerten von Nico Gitarre gespielt. Er konnte Songs schreiben wie ein junger Gott.

Die Eagles definierten den Westcoast-Sound

1971 gründete Frey mit dem Schlagzeuger Don Henley, der in Linda Ronstadts Band gespielt hatte, die Eagles, während Browne seine erste Platte aufnahm. Browne und Frey schrieben „Take It Easy“, das auf dem ersten Eagles-Album erschien (und das Browne bis heute bei Konzerten spielt). „Take It Easy“ sagte schon alles, was die Eagles ausmachte und Jackson Browne gar nicht.

Aber auch die Eagles nahmen nichts leicht – sie waren die verkrampfteste, ehrgeizigste und womöglich fleißigste Band der Welt. Sie definierten den Westcoast-Sound, indem sie die lieblichen Harmonien der introspektiven Songwriter-Kunst, Country Music und Mainstream-Rock verbanden. Schon 1975 waren sie die erfolgreichste amerikanische Band, und sie waren auch die wildeste. Sie erfreuten sich daran, dass kaum jemand wusste, wie diese Typen eigentlich aussahen. Sie konnten unerkannt durch Los Angeles, ihre Stadt, gehen. Aber sie gingen nie. Die Songs entstanden zu Hause und im Studio, auf ihre Tauglichkeit wurden sie beim Autofahren geprüft. Frey und Henley waren nicht am Strand, sie machten keinen Urlaub, sie kannten das „Peaceful Easy Feeling“ nur mit Kokain, Methaqualon und Alkohol. Nach „Hotel California“ quälten sie sich zu „The Long Run“, die 70er-Jahre waren zu Ende, und mit ihnen die Eagles.

Don Henley (li.) und Glenn Frey 2013
Don Henley (li.) und Glenn Frey 2013

1994 kamen sie noch einmal zurück, veröffentlichten das magielose Live-Album „Hell Freezes Over“, unternahmen eine sagenhaft erfolgreiche Tournee und verdienten Fantastillionen. Sie machten keinen Hehl daraus, dass der Manger Irving Azoff der wichtigste Mann des Unternehmens war. Die Solo-Karrieren dümpelten; Timothy B. Schmit, Don Felder und Joe Walsh hatten sonst gar nichts. Felder wurde nach dem Millenniumskonzert im Jahr 2000 gekündigt. Den verbliebenen Eagles gelang 2007 schließlich „Long Road Out Of Eden“, ein Doppelalbum und die Summe ihres Schaffens: Mit befreundeten Autoren wie J.D. Souther und Jack Tempchin beklagten sie den Niedergang eines Amerikas, das es niemals gegeben hat. Sie beklagten das Verschwinden der Wälder. Sie beklagten den Irak-Krieg. Sie beklagten das Ende der Liebe, das Verdämmern der Sonne, den Hedonismus der Berühmtheit. Es ist eine ergreifend ambivalente und sentimentale Platte, die Platte von Meistern ihres Schicksals.

Frey ging den ganzen Weg zurück

Die Eagles unternahmen eine „First Farewell Tour“; sie waren immer ironisch. Frey und Henley ließen einen Dokumentarfilm drehen, in dem sie vor dunklem Hintergrund mit der Autorität und den Grabesstimmen von alten Universitätsdozenten und Mafiosi erzählen, wie sie das alles gemacht haben. Glenn Frey ist noch einmal der Schlaue, Don Henley der Intelligente. Im Jahr 2012 veröffentlichte Frey eine Platte mit amerikanischen Evergreens, nostalgischer Lounge-Musik: „After Hours“. Er ging den ganzen Weg zurück.

Den letzten Song von „Long Road Out Of Eden“ schrieb Frey mit Jack Tempchin. Er heißt „It’s Your World Now“: „Leave something good behind/ The curtain falls/ I take my bow/ That’s how it’s meant to be/ It’s your world now.“

Glenn Frey wäre am 06. November 75 Jahre alt geworden.

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Gems Redferns
John Leyba Denver Post via Getty Images
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