Der letzte Magier

Das grosse Rolling-Stone-Interview: Jimmy Page über die kurze Wiedervereinigung und das endgültige ende von Led Zeppelin, Okkultismus, Drogenexzesse und seine Pläne für 2013 in entspanntes Lächeln huscht über sein Gesicht, als er vor das Büro seiner Londoner Managementfirma tritt, um kurz einmal Luft zu schnappen. Es ist das ausführlichste Interview, das Jimmy Page dem ROLLING STONE je gegeben hat – acht Stunden, auf zwei Tage verteilt. Er überdenkt wohl auch gerade die Frage, die in Gesprächen mit ihm unweigerlich auftaucht: Wie geht er im Rückblick mit den legendären Exzessen um – den Drogen, den zertrümmerten Hotelzimmern und einigen noch schlimmeren Vorfällen -, für die Led Zeppelin in den 70er-Jahren berühmt und berüchtigt waren?

„Würde sich heute noch irgendjemand für die Sache mit dem Hai interessieren, wenn’s die Musik nicht gegeben hätte?“, beantwortet er – noch immer lächelnd – meine Frage nach dem sagenumwobenen (wenn auch nie verifizierten) Vorfall von 1969, in dem eine junge Frau, ein Fisch und ein Motelzimmer in Seattle die Hauptrolle spielten. „All das waren Randerscheinungen. Sicher, sie wurden Teil unserer Geschichte, aber diese Geschichte hätte es nie gegeben, wenn wir nicht unsere ganze Energie in die Songs, in die Shows gesteckt hätten. Ohne die Musik würde niemand mehr über diesen ganzen anderen Kram reden.“

Page, inzwischen 69, redet mit uns anlässlich der Veröffentlichung der Live-CD/DVD „Celebration Day“, die 2007 in der Londoner O2-Arena mitgeschnitten wurde – und die sofort Platz eins der deutschen Albumcharts belegte. Der Reunion-Auftritt war das erste komplette Konzert, das sie seit 1980 spielten, als sich Led Zeppelin nach dem Tod von John Bonham aufgelöst hatten. In London wurden die verbliebenen Mitglieder – Page, Sänger Robert Plant und Bassist John Paul Jones – von Jason Bonham unterstützt, der den Platz seines verstorbenen Vaters würdig ausfüllte.

Für Page indes ging die Led-Zeppelin-Story eigentlich nie zu Ende. Als er die Gruppe im Spätsommer 1968 ins Leben rief, tat er es mit der Vision eines neuartigen Heavy-Rock, der sich aus Fifties, Folk und Psychedelia speiste und von hypnotischen Riffs nach vorne gepeitscht wurde. Das Resultat waren acht klassische Rock-Alben, die von Page produziert wurden. Selbst nach ihrer Trennung erwiesen sich Led Zeppelin als eine der zugkräftigsten Bands der Rockgeschichte: Bis heute haben sie weltweit geschätzte 300 Millionen Alben verkauft. Und Page ist noch immer der Kapitän an Bord, der den Backkatalog betreut, aber auch neue Archiv-Veröffentlichungen wie die DVD „Led Zeppelin“ von 2003. Momentan ist er damit beschäftigt, Deluxe-Editionen aller regulären Alben vorzubereiten, die ab diesem Jahr erscheinen sollen und „zusätzliche klangliche wie visuelle Leckerbissen“ bereithalten werden.

Anders als Plant und Jones, die auf erfolgreiche Solokarrieren zurückblicken können, hat sich Page seit 1980 mit eigenen Veröffentlichungen zurückgehalten. 1982 produzierte er den Soundtrack zu „Death Wish II“, 1988 das Soloalbum „Outrider“ und beteiligte sich sporadisch an Projekten mit Paul Rodgers, David Coverdale oder den Black Crowes. Auf die Frage, ob er das kreative Energielevel vermisse, das er mit Zeppelin in den Siebzigern erreicht hatte, kommt die schnelle Antwort: „Nicht in dem Ausmaß, wie es die Leute wohl vermuten.“ Er sieht seine primäre Aufgabe als Hüter des Erbes: „Es war eine wichtige Entscheidung, sich darum zu kümmern“, sagt er mit Nachdruck, „und die Entwicklung hat mir recht gegeben.“

James Patrick Page wurde am 9. Januar 1944 in Epsom, südwestlich von London, geboren und erwies sich schnell als Gitarrenwunderkind. Bereits als 15-Jähriger ging er mit Neil Christian and The Crusaders auf Tour und war schon bald einer der gefragtesten Sessionmusiker im Swinging London. Er war bei Aufnahmen der Who, Kinks, Them und Donovan dabei, bevor er Ende 1966 bei den Yardbirds einstieg, wo er zunächst mit seinem Jugendfreund Jeff Beck spielte, um ihn wenig später ganz zu ersetzen. 1968 gründete er Led Zeppelin.

Page, das weiße Haar zum Pferdeschwanz zusammengebunden, erweist sich als aufgeschlossener, artikulierter Gesprächspartner – ob es nun um seine Jugend, die Yardbirds oder Led Zeppelin geht. Was die gegenwärtige Musikszene betrifft, ist er immer noch auf dem Laufenden und schwärmt von zwei Konzerten, die er gerade besucht hat (Muse und Rival Sons). Er will sich nicht festlegen, ob mit weiteren Soloalben zu rechnen ist, betont aber, dass er bereit und nach wie vor aktiv ist, zu Hause Musik macht und weitere Projekte im Auge hat: „Ich spiele noch immer Gitarre. Man sieht nur nicht, wie ich Gitarre spiele. Das ist der einzige Unterschied.“

Auch Fragen zu Drogen, seinem Faible fürs Okkulte und Aleister Crowley sowie seinem Privatleben geht er nicht aus dem Weg. (Mit seiner zweiten Frau Jimena hat er drei Kinder sowie zwei weitere aus früheren Beziehungen.) Doch selbst in unserem Interview – vermutlich eines der offensten, die er je gab – behandelt Jimmy Page sein Leben, seine Träume und seine Ziele genau so, wie er es auch mit dem Erbe und Nimbus von Led Zeppelin tut: umsichtig, unbeirrbar und felsenfest in seinem Glauben, dass die Antworten auf alles letztlich in der Musik zu finden sind.

Nach dem O2-Konzert hatten die Fans auf eine komplette Led- Zeppelin-Tournee gehofft. Warum hofften sie vergebens?

Auch einige von uns gingen davon aus, dass es weitergehen würde – allein schon deshalb, weil wir viel Arbeit in diese eine Show investiert hatten. Jason, der damals mit Foreigner spielte, hatte sich dafür eigens von der Band getrennt. Aber Robert war unabkömmlich – er war gerade mit seinem Alison-Krauss-Projekt beschäftigt. Mir war im Vorfeld gar nicht bewusst gewesen, dass sich die Termine überschnitten. Was macht man also in einer derartigen Situation? Mit den anderen beiden Jungs hatte ich die Proben für den O2-Gig so weit vorangetrieben, wie es ohne Robert möglich war. Der Funke zwischen uns dreien sprang über. Das Problem war nur, dass keiner von uns sang.

Also konzentrierten wir uns auf die vorhandenen Stärken. Wir hatten wirklich gutes Material beisammen, wir hatten richtig einen Lauf. Vielleicht hätten wir mit dem Material sogar gleich ins Studio gehen sollen.

Wie lange haben Sie mit Jones und Jason Bonham geprobt?

Wochen – über einen längeren Zeitraum verteilt. Wir nahmen es nicht professionell auf, nur auf einem kleinen Digi-Recorder. Ich hielt’s für gelungen und wollte weitermachen, doch dann meldete sich wieder das alte Problem zu Wort. Jemand sagte: „Wir brauchen einen Sänger.“

Wohlgemerkt: Es war niemand von uns, der das sagte, sondern es kam aus unserem Umfeld. Schon richtig, wir würden irgendwann einen Sänger auftreiben müssen – aber nicht notwendigerweise zu diesem Zeitpunkt. Zunächst einmal sollte man vernünftiges Material zusammenstellen. Und wenn alles so wundervoll läuft: Warum sollte man sich dann mit einem Sänger einen potenziellen Unruheherd in die Band holen? (Pause) Ich möchte eigentlich nicht darüber sprechen, wer dann tatsächlich zum Vorsingen kam.

Der Name, der am häufigsten genannt wurde, war Myles Kennedy von der US-Band Alter Bridge. Wie klang das Resultat?

Es klang wie ein Frühstadium, auch wenn ich mir durchaus vorstellen konnte, in welche Richtung es sich hätte entwickeln können. Es gab diverse Leute, die darauf drängten, auf Tour zu gehen, aber ich wollte lieber zunächst ein gutes, glaubwürdiges Album haben – auch um den Eindruck zu vermeiden, dass wir den O2-Auftritt kommerziell ausschlachten wollten.

Steven Tyler erzählte auch, dass er mal reingeschaut habe.

Hat er denn gesagt, dass er auch gesungen hat? Nun, wenn er das sagt, wird’s wohl stimmen. (grinst) Das Timing war alles andere als optimal. Wir drei kamen mit tollen, viel versprechenden Sachen rüber, aber dann kam uns halt dieses andere Projekt in die Quere. (Pause) Und damit war das Thema gegessen.

Waren Sie frustriert, dass Robert Plant an weiteren Shows kein Interesse zeigte? Auf seinen eigenen Tourneen spielt er ja durchaus Zeppelin-Songs, aber es scheint fast so, als wolle er für den Rest seines Lebens nicht durch die Band definiert werden – während Sie damit ja keine Probleme haben.

Nun, ich kann nicht so tun, als sei das nicht passiert. Ich würde auch nicht behaupten, dass er sich einfach eine Ecke aus dem Zeppelin-Material abbricht, aber es liegt auf der Hand, dass ihm das dritte Album („Led Zeppelin III“ von 1970) mit seinen akustischen Elementen im Lauf der Jahre mehr ans Herz gewachsen ist als die härteren Elemente, die Led Zeppelin auszeichnen. Wohingegen ich sofort lustvoll darin eintauche – notfalls sogar nackt.

Es war eine interessante Erfahrung, wieder mit Robert auf „Unledded“ (dem MTV-Unplugged-Album von 1994) zusammenzuarbeiten. Ich machte damals gerade mit David Coverdale Musik: Wir hatten ein Album veröffentlicht („Coverdale-Page“ von 1993) und probten für eine Japan-Tournee. Doch dann kam die Anfrage, ob ich nicht Robert treffen wolle.

Er hatte Material mit ein paar Loops vorbereitet. Die Ausgangsposition war wohl: „Lass uns doch mal schauen, ob Jimmy mit ein paar Ideen rüberkommen kann? Oder setzt er sich lieber zu David Coverdale in die dicke Limousine?“ Nein, ich bin für Herausforderungen durchaus offen. Gleich am ersten Tag schrieben wir zwei neue Sachen für das Projekt. Es war eine gute Erfahrung, sich wieder miteinander auszutauschen. Möglicherweise habe ich dabei anderen Leuten vors Schienbein getreten. (John Paul Jones wurde nicht gefragt, ob er bei „Unledded“ und der anschließenden Tour mitmachen wollte.) Aber es ging nur darum, mal wieder zusammenzukommen.

Was hat Robert Plant, das ihn als Sparringspartner noch immer so attraktiv macht?

Welche Qualitäten habe ich, die mich für ihn attraktiv machen? Vielleicht gar keine. Wir arbeiten ja nicht mehr zusammen. (lacht) Wir hatten einen wirklich engen Draht. Bei „Babe I’m Gonna Leave You“ (auf „Led Zeppelin“ von 1969) wusste ich beispielsweise genau, wie sich der Song herauskristallisieren würde. Ich hatte zum Einstieg diese akustische, flamencolastige Passage geschrieben, aber dann war es Robert, der völlig darin aufging. Er nahm diese unglaublich intensive Gesangsspur auf. Wenn man in einer Band ist, versucht man nun mal automatisch, das Beste aus dem anderen herauszubringen. Und uns beiden ist das damals mit Sicherheit gelungen.

Led Zeppelin trennten sich 1980 – letztlich durch John Bonhams Tod ausgelöst. (Er starb am Vorabend einer US-Tour, nachdem er 40 Gläser Wodka gekippt hatte.) Was war es für ein Gefühl, als diese Band, die Sie ins Leben gerufen hatten, plötzlich aus Ihren Händen gerissen wurde?

Man kann es nicht erklären, was ich damals durchmachte. Er starb in meinem Haus, verdammt noch mal! Was geht dann wohl in einem vor? Ich kann es auch heute nicht in Worte fassen, was damals in meinem Kopf ablief. Ich weiß, dass es die Hölle war. Nicht nur für mich, sondern für alle in unserer Umgebung, vor allem natürlich für seine Familie.

Hatte Bonhams Alkoholkonsum eigentlich nie einen Einfluss auf seine Performance?

Nein, er konnte unglaublich fokussieren. Womit ich nicht gesagt haben will, dass mir nicht auffiel, wenn er zur Flasche griff. Aber es waren endlose Tourneen, ein Gig nach dem anderen, obendrein dreistündige Sets. Er bekam das außergewöhnlich gut geregelt. Nach einem dreistündigen Set gab es niemanden, der sich nicht einen Drink genehmigte.

Inwieweit hatten Sie selbst damit Probleme? Es gibt diese legendären Fotos von Zeppelin-Tourneen, wo man Sie mit der Jack-Daniel’s-Flasche sieht.

Ich trank exzessiv, zumindest nach heutigen Standards – wobei ich heute allerdings auch bei null angekommen bin. Aber damals hatte ich definitiv meinen Spaß. Ich wollte den ganzen Lifestyle in mich aufsaugen – und dazu gehörten nun auch einmal die Partys.

In welchem Umfang habe Sie in den Yardbirds-Jahren mit LSD experimentiert?

Mal kaum, andere Male bis übers Limit. Ich hatte schon von üblen Fällen gehört und erlebte selbst, wie jemand auf einen schlechten Trip ging. Es reichte mir, um meine eigenen Versuche etwas zurückzuschrauben. Es war auch nicht die ideale Droge, wenn man herausfinden wollte, ob man in diesem Zustand noch Musik machen konnte. Es gab andere Sachen wie Meskalin, die mich mehr faszinierten.

Wie sah Ihr Drogenkonsum während und nach der Led-Zeppelin-Ära aus?

Es gab eigentlich nie eine Zeit, in der ich glaubte, jenseits von Gut und Böse zu sein. Im Rückblick – vielleicht. Aber immerhin bin ich noch immer hier. Wobei ich nicht flapsig klingen möchte, weil wir eine Menge guter Leute unterwegs verloren haben. Aber was die Frage angeht, ob mein Drogenkonsum außer Kontrolle war – nein. Ich möchte aber darüber nicht weiter sprechen.

Wann haben Sie Schluss gemacht?

Mit Alkohol? Den anderen Sachen? Vor vielen, vielen, vielen Jahren.

In den Neunzigern?

Wie gesagt: vor vielen Jahren. Es spielt keine Rolle, wann genau es war. Es liegt lange zurück. Wir durchlebten Jahrzehnte der Dekadenz, darauf folgten fast schon Jahrzehnte der Nüchternheit. Ich flirtete mit Dingen, die definitiv hochgefährlich waren. Es war ein Rausch – und dann war er vorbei. Wie eine Romanze, die sich in Luft auflöst.

Spielten Sie besser Gitarre, nachdem Sie aufgehört hatten?

Weiß ich nicht. Man schlüpft eben in eine andere Person.

Was für eine Person?

Eine nüchterne Person. Nüchtern, wenn auch nicht unbedingt vernünftig. Weil sich in meinem Kopf noch immer wundervoll verrückte Ideen tummeln.

Wenn Sie mal zurückdenken: Was sind Ihre frühesten Erinnerungen an den Rock’n’Roll?

Ich habe Keith Richards‘ Buch nicht gelesen, aber nach allem, was ich davon gehört habe, war meine Erfahrung in den 50er-Jahren wohl genau die gleiche: Man hörte sich die Platten an und lernte daraus. Es war die erste Generation, die nicht mehr zum Militär eingezogen wurde, die erste Generation, die diese Freiheit nutzte, um etwas Eigenes zu formen.

Sie hatten Freiheit, aber nicht unbedingt Wohlstand.

Brauchten wir auch nicht – abgesehen von der Tatsache, dass wir Geld auftreiben mussten, um eine Gitarre zu kaufen. Eine Gitarre zu kaufen – das war so, als würde man von einem Cadillac träumen. Es war ein Gegenstand, den man nur auf den Covern von Gene Vincent und Buddy Holly gesehen hatte. Buddy Holly spielte hier 1958, aber ich hatte nicht das Geld, um ihn mir anzuschauen. An diesem einen Abend hätte ich so viel lernen können.

Sie hatten keine Geschwister, Ihr Vater war Personalchef, Ihre Mutter Sekretärin. Welche Erwartungen hatten sie von Ihrem einzigen Kind?

Ich interessierte mich für Biochemie, aber mein Appetit auf alles, was mit der Gitarre zusammenhing, war ungleich größer. Als wir nach Epsom zogen, gab es zufälligerweise eine Gitarre in dem Haus. Es war wie ein Fingerzeig des Himmels. Unser Wohnzimmer wurde mein Musikstudio. Mit 15 war ich bereits in einer Band. Irgendwie hatte man mich entdeckt und nach London geschleppt, wo ich meine ersten Gigs spielte.

Haben Sie eine Ahnung, auf wie vielen Aufnahmen Sie Mitte der Sechziger mitgewirkt haben?

Nein. Als alles noch neu war, besorgte ich mir die jeweilige Single; von den frühen Sachen hab ich immer noch ein Exemplar zu Hause. Aber nach einer Weile wurde der Aufwand einfach zu groß. Man engagierte mich oft für Aufnahmen, mit denen man sich an einen gerade erfolgreichen Hit hängen wollte, vor allem natürlich, wenn’s um Sachen aus der Chess-R&B-Ecke ging. Das war mein täglich Brot.

Sie sind auch auf der Who-Aufnahme „I Can’t Explain“ zu hören. Was genau spielen Sie da?

Ich weiß wirklich nicht, warum man mich engagierte. Ich spiele das Riff im Hintergrund, hinter Pete Townshend. Es gab eigentlich keinen Anlass, dafür ins Studio zu gehen. Man kann mich kaum hören. Aber dort im Kontrollraum zu sitzen und die fertige Aufnahme abzuhören, war pure Magie. Ein größeres Privileg gab’s eigentlich nicht.

Es war ja Keith Moon, der den Namen Led Zeppelin vorschlug, als Sie 1966 eine Session für Jeff Becks „Beck’s Bolero“ produzierten. Wobei der Name allerdings für eine andere Gruppe vorgesehen war …

Ja, die Band sollte aus John Paul Jones am Bass bestehen, Keith Moon, Nicky Hopkins am Klavier und mir und Jeff an den Gitarren. Diese Session war eine Naturgewalt, absolut wundervoll. Keith hatte damals so seine Probleme mit den Who. Er meinte: „Lass uns doch mit dieser Besetzung eine neue Band gründen.“ Es ging so weit, dass wir bereits Sänger suchten. Steve Winwood war ein Kandidat. Ich glaube auch, dass es Keith war, der Steve Marriott von den Small Faces kontaktierte. Was prompt (ihren berüchtigten Manager) Don Arden auf den Plan rief. Seine Antwort an Keith war: „Möchtest du vielleicht mit gebrochenen Fingern in einer Band spielen?“ Der Enthusiasmus löste sich über Nacht in Luft auf.

Aber Keith war derjenige, der mit dem Namen rüberkam: „Wir könnten die Band doch Led Zeppelin nennen, weil das Ding nur abstürzen kann – wie ein mit Blei gefüllter Ballon.“ Ich hielt es für einen fantastischen Namen und behielt ihn im Kopf. Natürlich hätte auch Jeff seine Band Led Zeppelin nennen können. Wobei es für uns letztlich keinen Unterschied gemacht hätte – wir wären auch mit dem Namen Carrots geworden, was wir geworden sind.

Lassen Sie uns über Riffs sprechen.

Ich unterhalte mich gerne über Riffs. (lacht)

Was macht ein Led-Zep-Riff aus?

Es sollte eine gewisse hypnotische Qualität haben, weil es nun mal immer und immer wieder gespielt wird.

Was ist das größte Led-Zep-Riff aller Zeiten?

Es fällt mir schwer, derartige Fragen zu beantworten. Sie liegen mir alle am Herzen. Sie entstanden alle, um auf diesen Alben vertreten zu sein. (Pause) Ich vermute, dass „Kashmir“ an erster Stelle stehen müsste. Ich wusste schon im Vorfeld, dass es bei diesem Stück um mehr ging als nur Gitarren. Ein Orchester musste her, um die Gitarren zu reflektieren und mit sinfonischen Farben zu ergänzen. John Paul Jones schrieb das Arrangement, aber ich sagte ihm: „John, so und so muss es klingen.“ Ich wusste es, ich hörte es schon in meinem Kopf.

Ihr Fingerpicking im Intro von „Stairway To Heaven“ hat diese hypnotische Qualität.

Das wurde auf einer Akustikgitarre geschrieben. Ich probierte zu Hause ein paar Sachen aus und schob Elemente hin und her. Ich hatte eine Idee für die Strophe, auch den Übergang zum Solo und für den Abschluss. Die Idee bestand darin, ein Element zu wiederholen und immer weiter und weiter aufzutürmen. Ich hatte noch nicht Roberts Lyrics, sondern nur eine vage Melodie, die zu meinen Gitarrenpassagen passte.

Das Beeindruckende an diesem Wiederholen und Auftürmen ist ja, dass der Song dann mit Plants nackter Stimme endet. Es ist so, als hätte die Band das Studio bereits verlassen. Er hat das letzte Wort.

Ursprünglich hatte er nicht das letzte Wort. Ich hatte eigentlich eine andere Gitarrenpassage fürs Ende vorgesehen – ähnlich wie die am Anfang, aber doch leicht variiert. Aber dann verzichtete ich doch lieber darauf, weil ich mir dachte: „Besser, wenn Robert das Ende für sich hat.“

Ansonsten scheinen Sie meist der Chef gewesen zu sein. Sie riefen damals Led Zeppelin ins Leben und rekrutierten die Musiker. Kann man sagen, dass es im Grunde Ihre Band war?

Keine Frage, zumindest am Anfang. Ich war derjenige, der das Material vorschlug und die Ideen lieferte, wie es umgesetzt werden sollte. Aber diese Verbissenheit des ersten Albums war etwas, das uns alle vereinte. Jeder wusste, wie gut wir waren. Und wenn es um neues Material ging, waren wir rigoros: Wenn es so klang wie etwas, das wir schon angepackt hatten, wurde es umgehend entsorgt. Eine Ausnahme gibt es: „Tea For One“ ist eine Variation von „Since I’ve Been Loving You“ (von „Led Zeppelin III“), was aber beabsichtigt war, weil wir bei diesem Blues mal eine ganz andere Atmosphäre ausprobieren wollten.

Waren Sie beleidigt, als die ersten Reviews wenig freundlich waren?

Ich hatte schon gehofft, dass Sie als ROLLING STONE-Schreiber diese Frage stellen. (lacht) (Die ersten Alben fanden beim US-ROLLING STONE wenig Anklang.) Es wurde reichlich Häme über uns ausgekippt, das fand ich schon boshaft. Wie ich das heute einschätze? Die Alben überstiegen einfach das Vorstellungsvermögen mancher Kritiker, sie waren zu unterschiedlich.

Waren Sie ob dieser Kommentare frustriert?

Sie machten mich eigentlich nur noch entschlossener. Ich wusste, was wir draufhatten.

Sahen Sie in den Rolling Stones damals Ihre größte Konkurrenz?

Ich bin nicht der Typ, der nach einer Veröffentlichung gleich überprüft, wie viele Platten verkauft wurden. Das Album ist raus – Schluss, aus.

Als wir (1975) in München waren, um „Presence“ aufzunehmen, konnte ich den Stones mal zwei Studiotage aus den Rippen leiern. Wir waren drei Wochen dort gewesen, und alle anderen hatten bereits die Heimfahrt angetreten. Ich war geblieben, um Overdubs zu machen und am Mix zu arbeiten. Die Stones waren gebucht, um „Black And Blue“ aufzunehmen. Ich rief Mick an: „Kann ich vielleicht zwei Tage von euch bekommen, um meine Sache abzuschließen?“ „Er sagte: „Kein Problem.“ Wir wohnten im gleichen Hotel. Er fragte mich: „Und, wie ist es gelaufen?“ Ich ging mit dem Mix auf sein Zimmer und spielte es ihm vor. Er sagte: „Habt ihr drei Wochen lang am Mix gearbeitet?“ Ich sagte: „Nein, nein, wir haben in der Zeit das komplette Album aufgenommen.“ Er sagte: „Du meinst die Basic-Tracks?“ „Nein, alles, wir sind fertig. Vielen Dank für die zwei Tage.“

Dieser Fokus – der war halt von vorneherein hier (deutet auf seinen Kopf).Ich will mir nicht selbst auf die Schulter klopfen, es ist einfach so.

Zur Gegenwart: Sie haben 2012 endlich den Soundtrack veröffentlicht, den Sie in den 60er-Jahren für Kenneth Angers berüchtigten Okkultfilm „Lucifer Rising“ geschrieben hatten. Warum wurde er damals verworfen?

Kenneth Anger besuchte mich in meinem Haus, als ich noch in Plumpton lebte. Er erwähnte, dass er an einem neuen Film arbeitete. Ich sagte ihm, dass ich vielleicht Musik dazu habe – ein experimentelles Teil, auf dem ich keinerlei Gitarren eingesetzt, sondern diverse Instrumente verfremdet hatte. Er schnitt das dann mit seinem Material zusammen – und es funktionierte ausgezeichnet. Anger war jedenfalls hellauf begeistert.

Aber wenig später nicht mehr?

Ich hatte eine Filmschnittmaschine mit drei Monitoren im Keller meines Londoner Hauses. Ich hielt es für eine nette Geste, ihm das Equipment zur Verfügung zu stellen. Jemand kümmerte sich um das Haus, wenn ich nicht anwesend war. Doch dann höre ich von dieser Dame, dass sich Anger mit seinem Tross im ganzen Haus breitgemacht hatte. Sie sagte ihnen: „Bitte gehen Sie!“ Es gab einen Riesen-Zoff. Er hatte einfach meine Gastfreundschaft missbraucht und eine Grenze überschritten. Er verließ schließlich das Haus, löschte aber auch meine Musik vom Film.

Sie selbst machten sich einen Ruf mit Ihrem Faible fürs Okkulte, speziell für den englischen Mystiker Aleister Crowley. Sie lebten in Crowleys Haus in Loch Ness und sammelten Bücher und Memorabilia. Was machte ihn so faszinierend für Sie?

Was machte (den Dichter und Maler) Dante Gabriel Rossetti so faszinierend für mich? Danach fragt mich niemand. Aber alle fragen mich nach Crowley und erwarten großartige Enthüllungen. Letztlich ging’s darum: Als ich 14 oder 15 war, las ich das Buch „The Great Beast: The Life of Aleister Crowley“ von John Symonds, und wurde neugierig, also las ich Crowleys Bücher. Aber sie waren nicht meine einzige Quelle.

Aber Crowley war für Sie doch mehr als nur ein vorübergehendes Hobby?

Es wird aber auch völlig überbewertet. Es gab immer ein natürliches Gegengewicht. Anderenfalls wäre ich heute überhaupt nicht mehr hier.

Sie haben oft das Wort „Magie“ gebraucht, um die Musik von Led Zeppelin zu beschreiben. Glaubten Sie mit der Musik etwas schaffen zu können, das intensiver ist als nackte Noten und Akkorde?

Das ist ein Thema, bei dem man sich schnell lächerlich machen kann, vor allem wenn man falsch interpretiert wird. Ich weiß, was es für mich persönlich bedeutet. Ich habe auch keinen Zweifel, dass die Musik etwas heraufbeschworen hat. Was aber natürlich nicht nur für mich und Led Zeppelin gilt – klassische Musik kann genau die gleiche Wirkung entfalten. Einige Leute scheinen sich wirklich krampfhaft an etwas zu klammern, was ich einmal gesagt und getan habe. Sie wollen da etwas hineinlesen, was einfach nicht da ist. Deshalb habe ich momentan nicht das Bedürfnis, das noch weiter zu erläutern.

Der Grund, warum Led Zeppelin noch immer ein Publikum haben – und ein neues gewinnen -, lässt sich nicht mit dem gedruckten Wort erklären. Es ist die Musik. Es ist nicht „Haben sie ein Hotelzimmer verwüstet und einen Fernseher aus dem Fenster geworfen?“ Es ist die Musik, die diese Band noch weiterhin lebendig hält – und nicht die Legende. Wenn die Legende längst verblasst ist, wird es die Musik noch immer geben.

Kenneth Anger lebt ja noch. Haben Sie sich je mit ihm versöhnt?

Als ich auf meiner Website ankündigte, dass ich den Soundtrack veröffentliche, kam lustigerweise eine Anfrage, ob „Lucifer Rising“ nicht auch mit meiner Musik wiederveröffentlicht werden sollte. Ich habe sie ignoriert.

Was machen Sie heutzutage – schreiben Sie noch immer Riffs?

Natürlich. Riffs kommen aus der Luft, aus dem Nichts. Können Sie mir vielleicht sagen, wo dieser Ort ist? Weil es niemand zu wissen scheint. Ich spiele einfach vor mich hin – und plötzlich ist es da. Das ist nach wie vor eine wunderbare Erfahrung.

Wenn Sie ein neues Riff spielen – fragen Sie sich dann: „Ist es genauso gut wie, Whole Lotta Love‘?“

Nein. Weil es wahrscheinlich auch nicht so gut ist. (lacht) Man kann den Pudding nur testen, indem man ihn isst. Vielleicht wäre es eine gute Idee, ein Album mit all diesen Bruchstücken zu machen, die bei mir rumliegen. Es wäre eine Bestandsaufnahme, eine Standortbestimmung – was immer das sein mag. Weil ich auch in der Vergangenheit eigentlich nie anders vorgegangen bin.

Vermissen Sie es, mit Led Zeppelin zu spielen?

Ich hatte eine wundervolle Zeit. Es war die Art von Band, von der Musiker nur träumen können. Und ich war dabei. Vermisse ich es, ganz vorne dabei zu sein, vermisse ich es, ohne Kompromisse Musik machen zu können? Sicher, aber das geht allen Beteiligten so. Die heutigen Bands haben nicht mehr die Freiheit, die wir damals hatten. Wir lebten in einer Zeit, in der man eine Band gründen und langfristig mit ihr arbeiten konnte, in der man seine Musik wirklich noch weiterentwickeln konnte. Man hatte instinktiv das Gefühl, dass man das nicht nur machen konnte, sondern sogar machen sollte.

Ist es ein seltsames Gefühl, dass die Band Ihr Leben noch immer in diesem Ausmaß bestimmt?

Ich habe das Gefühl, dass die Band noch immer existiert.

Und Sie sind noch immer der Gitarrist in der größten Band der Welt.

Ich hoffe doch, dass ich Jimmy Page besser spielen kann als jeder andere. Und das ist doch das Wichtigste, oder? Solange ich noch der beste Jimmy Page bin, den es gibt, ist alles in Ordnung.

Wie sahen die denn aus?

Der Erfolg von Led Zeppelin, darauf besteht Jimmy Page, ist allein durch die Musik zu erklären. Skandale und Exzesse spielen keine Rolle, auch die Optik nicht. Aber was wären die späten 60er- und frühen 70er-Jahre ohne die frappierenden Klamotten gewesen? Ein Blick auf die entscheidenden Accessoires, die auch durch Led Zeppelin so beliebt wurden, dass sie noch heute für manche *&M-Kollektion Pate stehen – von unten nach oben:

Schlaghosen & Skinny Jeans: Led Zeppelin kombinierten beides – superenge Hosen mit weitem Schlag, aus Jeans oder Leder, aber immer mit rausgetrenntem Logo oder Etikett.

Gürtelschnallen: So groß wie möglich, so auffällig wie möglich. Oder gar kein Gürtel.

Knopflose Blazer: Durften sehr bunt und schimmernd sein – und ohne Knöpfe, weil sie so eng waren, dass sie ohnehin offen getragen werden mussten (mit engem Shirt oder gleich ohne).

Hemden: Weit aufgeknöpft oder ganz offen, mit Paisley- oder sonstigem Muster, gerne Haifischkragen und manchmal mit Weste – Hauptsache, sie sahen nicht zu klassisch aus.

Samt: Der schmeichelnde Stoff wurde für Blazer, Hosen und auch Hüte verwendet.

Schals & Halsketten: Lang und auffällig, gern mit okkulten Symbolen versehen.

Locken: Viele trugen damals die notorischen Dauerwellen namens Minipli, Page und Plant hatten Glück – sie waren mit Naturlocken gesegnet und halfen nur ein bisschen nach.

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