Der Träumer in der Garage

Man muss sich seinen Träumen stellen, sagt der Einzelgänger Jason lytle und kehrt zu seiner alten Band Grandaddy zurück

Am liebsten macht Jason Lytle eine Musik ohne andere Menschen. Als es mit seiner Frickel-Band Grandaddy zu Ende ging, war klar geworden, dass der Kapitän eigentlich keine Crew will – die Gruppe löste sich 2006 auf, weil für die meisten nicht genug Geld zu verdienen war und man nicht mehr gut miteinander reden konnte. Lytle zog sich in sein Heimstudio in der Nähe von Modesto, Kalifornien zurück, um sein erstes Soloalbum zu produzieren. „Allein war damals das Stichwort“, erinnert sich Lytle. „Ich hatte begriffen, dass es zu lange dauert, anderen Musikern zu erklären, was ich meine – ich wusste einfach zu genau, wie ich es haben will. Ich muss allein sein, damit etwas Gutes aus mir herauskommt.“ „Yours Truly, The Commuter“ war dann die kammermusikalische Version von Grandaddy – Lytles Indie-Abenteuer-Pop klang, als hätten Jeff Lynne und Mark Linkous gemeinsam eine Weile im Studio verbracht.

Lytle ist ein Tüftler mit dem Kopf in den Wolken, der mit einem wundervollen Gespür für süßlich-weltflüchtige Melodien eine Art psychedelischer Sci-Fi-Americana erzeugt – das hört man auch auf seinem zweiten Solowerk. Doch auf „Dept. Of Disappearance“ schiebt Lytle die Gardinen ein wenig zur Seite. Obwohl der Künstler mit Ausnahme des Schlagzeugs wieder alles allein gespielt hat, wirkt das Album weniger privat als sein Vorgänger. „Die Idee des Soloalbums hatte ich für meine Begriffe mit der letzten Platte voll ausgeschöpft“, erklärt Lytle, „jetzt sollte es wieder darum gehen, Geschichten zu erzählen und Bilder zu malen.“ Und so tauchen wir auf dem Album in sonderbare Erzählungen und Traumbilder ein. In einem Lied redet ein Baum beruhigend auf den Mann ein, der an ihm baumelt – das Lied evoziert eine Szene wie aus Jim Jarmuschs „Dead Man“ oder „True Grit“ von den Coen-Brüdern. In zwei, drei anderen Liedern geht es um einen Berg und eine Frau in Gefahr – Motive aus einem wiederkehrenden Traum, den Lytle während der Entstehung des Albums mehrfach hatte. Was soll er bloß bedeuten? Der Künstler weiß es nicht. „Ich habe mittlerweile gelernt, dass ich solche Träume ernst nehmen muss. Es kommt etwas in ihnen zum Ausdruck, dem ich mich stellen muss. Ich glaube, das war immer so – Musikmachen war für mich von Anfang an vor allem ein Weg der inneren Heilung. Das ist zur Gewohnheit geworden: Wenn etwas an mir nagt, schreibe ich einen Song darüber.“

Mit Heilung hat ja vielleicht auch die Reformation von Grandaddy zu tun. Im Herbst absolvierten Lytle und seine Ex-Kollegen eine kleine Tournee. „Ich hatte große Zweifel, ob das was wird“, sagt Lytle, „deshalb habe ich vorher nicht viel drüber geredet. Aber die Proben waren hervorragend – wir haben die alten Sounds herausgeholt, ein paar neue erfunden und die Lieder von damals wieder zum Leben erweckt. Darum ging es bei Grandaddy immer – um eine möglichst originalgetreue Nachbildung der Alben.“ Nun soll sogar ein neues Album von Grandaddy folgen. Dabei macht Lytle es doch lieber allein? „Ja, ja richtig. Ich freue mich darauf, das Album in den Händen zu halten. Darauf, es überhaupt zu machen, freue ich mich nicht unbedingt.“

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