Der Überlebenskünstler

ALS GEORGE JONES IM Frühjahr in Nashville starb, stand Daniel Romano passenderweise in Texas auf der Bühne. Dort also, wo alles begonnen hatte für den mutmaßlich größten Country-Sänger aller Zeiten, dem Romano dann spontan mit dem Eifersuchtsdrama „I Can Still See Him In Your Eyes“ seine Ehrerbietung erwies. „Ich war wirklich am Boden zerstört“, erinnert sich der 29-jährige Kanadier an jenen traurigen Abend Ende April. „Wenn einem jemand musikalisch so viel gegeben hat, so nahe war, dann glaubt man ja fast, ihn auch persönlich zu kennen.“

Auf „Come Cry With Me“, seinem dritten Soloalbum, singt Romano keine George-Jones-Songs, sondern nur seine eigenen. Aber es fällt nicht schwer, sich etwa den Tearjerker „Two Pillow Sleeper“ oder das komödiantische „When I Was Abroad“ in der Interpretation von Jones vorzustellen. Allein die Qualität seiner Songs hebt ihn mühelos über die bloße Referenz, über das übliche Tribute-und Retro-Gewese hinaus. Doch mit Nashville fremdelt er. Damit verbinde er zu viele Geschichten „ohne Bezug zu wirklich menschlichen Dingen, zu dem, was man nah bei sich behält, weil es hart und schwer ist“. Außerdem würden dort einfach zu viele Leute um eine Idee herumsitzen.

In Welland, Ontario kann Daniel Romano schön allein an seinen Ideen sitzen. 50.000 Einwohner, Typ ausgemusterte Stahl-Stadt, viele Studenten, viele Rentner. Montreal hat er vier Monate lang versucht, nur um dann doch in seinen Geburtsort am Welland Canal zurückzukehren, der Lake Ontario und Lake Erie verbindet. „Es ist einfach und ruhig“, erklärt er, „und ich glaube nicht, dass ich hier jemals richtig wegziehen werde.“

Nach zwei Bands (Attack In Black, City & Colour) und jeder Menge Ernüchterung über das teilweise von der Regierung subventionierte und überregulierte Musikgeschäft in Kanada, kehrte Romano zu seiner ersten Liebe Country als One-Man-Band zurück. Auch auf „Come Cry With Me“ helfen nur ein Pedal-Steel-Spieler, eine Geigerin, ein paar Sängerinnen aus. Aber wo hat er diesen todschicken Nudie Suit in Pink-Braun für das Cover her?“Ich stolperte über den Blog dieser Frau, die früher im Hank-Snow-Museum gearbeitet hat“, erzählt Romano begeistert. „Eine Schneiderin, wie sich rausstellte. Sie arbeitet noch im alten Stil mit Gabardine und Hand-Stickerei.“

Auch ohne stilechten Nudie Suit könnte Daniel Romano zum Hoffnungsträger der echten Country-Fraktion aufsteigen -selbst im Herzen von Nashville, im legendären Hatch-Show-Print-Laden, gleich um die Ecke vom Ryman, der alten Grand Ole Opry. „Ich kaufte mir da dieses tolle Roy-Acuff-Poster“, erinnert er sich. „Und der Typ hinterm Tresen fragte tatsächlich:,Hey, bist du nicht Daniel Romano? Wir spielen deine Platte hier die ganze Zeit!'“ Es läppert sich also langsam.

Auf die etwas steile Frage, ob er sich bereits wie ein neuer Country-Messias fühle, muss Romano lachen und antwortet: „Ich plane jedenfalls nicht, Top-40-Country-Songs zu spielen. Aber ich kann auch nicht kontrollieren, wie viele Leute mir wirklich zuhören. Sondern nur weitermachen und hoffen, dass sie vielleicht recht behalten.“

Darauf eine Träne ins Bier.

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