Der WikiLeaks-Krimi

Wie Enthüller Julian Assange den gefährlichsten und irrwitzigsten Mediencoup des Jahres einfädelte. Ein exklusiver Beitrag aus dem neuen Buch der „Guardian“-Journalisten David Leigh und Luke Harding.

Im Frühjahr 2011 fiebert die Welt, ob Julian Assange aus dem Hausarrest in England an die schwedische Justiz übergeben wird. Assange, 39, Gründer der Geheimdokumente-Plattform WikiLeaks, soll in Stockholm zwei Frauen vergewaltigt bzw. sexuell belästigt haben. Gleichzeitig wird in den USA an einer Anklage wegen Spionage gearbeitet: Am 25. Juli 2010 hatte WikiLeaks begonnen, Hunderttausende vertraulicher Dokumente über die Kriege in Afghanistan und Irak sowie diplomatische Depeschen zu veröffentlichen, in Zusammenarbeit mit der britischen Zeitung „The Guardian“, der „New York Times“ und dem „Spiegel“. Wie dieser einmalige Deal zustande kam, berichten hier die „Guardian“-Redakteure David Leigh und Luke Harding. Ein Medienkrimi aus erster Hand.

Hotel Leopold, Place Luxembourg, Brüssel

21. Juni 2010, 21:30 Uhr

Im Gartencafé des Hotels sitzen drei Männer und bestellen einen Kaffee nach dem anderen. Bereits seit dem Nachmittag hocken sie hier und reden sich die Köpfe heiß. Plötzlich greift sich der Größte der drei eine Serviette, streicht sie auf dem Tisch glatt und beginnt zu schreiben.

Ian Traynor, Europa-Korrespondent des „Guardian“, der in der Caférunde saß, erinnert sich: „Julian holte sein Mini-Laptop raus und tippte etwas ein. Dann nahm er die Serviette und sagte:, Okay, ihr habt es.‘

Wir sagten:, Wir haben was?‘

Er sagte:, Ihr habt das gesamte Dokument. Das Passwort steht auf der Serviette.‘

Ich war wie vom Blitz getroffen. Wir hatten eigentlich mit weiteren Verhandlungen und Bedingungen gerechnet, aber nun passierte es ganz plötzlich, aus heiterem Himmel. Es war ein enormer Vertrauensvorschuss von seiner Seite.“

Assange hatte kurzerhand einige Worte und das Hotel-Logo auf der Serviette umkreist und hinzugefügt: „keine Leerzeichen!“ Das war das Passwort. In der Ecke standen noch drei simple Buchstaben: GPG. Der Verschlüsselungs-Code, den er für die provisorische Website benutzte. Eine Szene wie aus einem John-Le-Carré-Thriller. Die zwei „Guardian“-Mitarbeiter waren beeindruckt. Nick Davies, Investigativreporter, öffnete sein Köfferchen und legte die Serviette oben auf die schmutzige Wäsche. Zurück in England, gab er dem gelblichen Papierquadrat einen Ehrenplatz in seinem Büro. „Eigentlich müsste ich sie rahmen lassen“, meinte er.

Einige Tage zuvor hatte Davies in eben diesem Büro seines Hauses in Sussex gesessen und nach der Morgenlektüre gedankenverloren in die Landschaft gestarrt. Davies ist einer der bekanntesten Enthüllungsjournalisten des „Guardian“ und hat im Verlauf von 30 Jahren mehr als einmal über skandalöse Vorgänge in den sogenannten Hinterzimmern der Macht geschrieben. Und Davies steckte gerade knietief in einer dieser Recherchen: Er konnte nachweisen, dass die Boulevard-Zeitung „News Of The World“ illegal Telefonate der Königlichen Familie und anderer Prominenter abgehört hatte. (Mit dem Resultat, dass der damalige „News“-Chefredakteur Andy Coulson 2007 von seinem Amt zurücktrat. Bis Januar 2011 war er dann Pressesprecher von Premierminister David Cameron.)

An diesem Morgen aber wurde Davies von einem Bericht auf den außenpolitischen Seiten des „Guardian“ abgelenkt: „Beamte der amerikanischen Regierung sind auf der Suche nach Julian Assange, dem Gründer von Wiki-Leaks, um die Veröffentlichung Tausender geheimer Dokumente und diplomatischer Depeschen zu verhindern. Die Dokumente sollen die unzensierten Urteile westlicher Diplomaten über die Regierungen und Politiker im Mittleren Osten enthalten.“

Weiter hieß es dort: „,Daily Beast‘, eine US-News-Website, berichtet von den Bemühungen amerikanischer Ermittler, nun auch auf die Spur von Assange – eines Australiers mit ständig wechselndem Wohnsitz – zu kommen. Erst vorige Woche wurde ein US-Soldat verhaftet, der angeblich der Whistleblower-Website das Video zugespielt habe, auf dem amerikanische Soldaten dabei gezeigt werden, wie sie von einem Hubschrauber aus in Bagdad Zivilisten töten. Bradley Manning, der Soldat, gibt an, darüber hinaus 260.000 Seiten mit geheimen diplomatischen Depeschen und Beurteilungen an WikiLeaks weitergegeben zu haben. Die US-Regierung befürchtet, dass eine Veröffentlichung die nationale Sicherheit nachhaltig gefährden könnte.“

Davies war sprachlos. Ein unbekannter 22-jähriger Soldat hatte offensichtlich den gesamten streng vertraulichen Datensatz des US-Militärs abgeräumt. Manning wurde in einem Gefängnis in Kuwait festgehalten. Aber gab es für den „Guardian“ nicht vielleicht doch eine Möglichkeit, in den Besitz dieser Unterlagen zu kommen? Davies googelte „Bradley Manning“ und wurde bei Wired.com fündig: In einem Gespräch mit dem einstigen Hacker Adrian Lamo bestätigte Manning, dass er mehr als eine Viertelmillion geheimer Dokumente heruntergeladen habe und sprach von „geradezu kriminellen politischen Kuhhandeln“ der USA. „Hillary Clinton und einige Tausend Diplomaten rund um den Globus“, hieß es da weiter, „werden bald einen Herzinfarkt bekommen.“

Sollte Mannings Aussage auch nur teilweise zutreffen, saß WikiLeaks nun auf Hunderttausenden von Dokumenten, die dubiose diplomatische Aktivitäten dokumentierten, Kriegsverbrechen in Afghanistan und Irak und was immer sonst noch. Es war eine Goldader. „Man musste kein Hellseher sein“, so Davies, „um zu kapieren, dass dies eine Riesenstory war.“ Sein Reporterherz schlug schneller, aber seltsamerweise schien niemand sonst in der Londoner Fleet Street – oder in dem, was davon übrig-geblieben war – die Dimensionen des Coups erkennen zu wollen.

Der Schlüssel, um an die Depeschen und die darin verborgenen Enthüllungen zu kommen, lag offensichtlich bei Julian Assange. Davies hatte ihn bis dahin nie persönlich getroffen, war aber auf die WikiLeaks-Website gestoßen, als er 2009 für einen Artikel über Steuerflucht und Schweizer Banken recherchierte. Er musste an Assange herankommen, bevor ihn die Ermittler aus dem Pentagon dingfest machen konnten. Aber wo steckte er?

Davies brachte diverse E-Mails auf den Weg – in der Hoffnung, Assange irgendwie kontaktieren zu können. Er bot an, den Fall Manning aufzugreifen und über die missliche Situation des 22-Jährigen zu berichten. Am 16. Juni schrieb er: „Hi Julian, ich war gestern in der Redaktion und habe die Einschätzung vertreten, dass Bradley Manning die derzeit wichtigste Story auf dem ganzen Planeten ist. Es gibt viel zu tun, der Zeitaufwand ist sicher groß.“ Weiter hieß es in der Mail: „Können Sie diesbezüglich mit mir Kontakt aufnehmen oder mir eine Person benennen, die den Kontakt herstellen kann? Ich könnte mich auch mit einem der Anwälte in Verbindung setzen, die Bradley vertreten. Viel Glück. Nick.“

Der Schuss ins Blaue brachte tatsächlich eine Antwort – wenn auch keine allzu vielversprechende. Assange schickte unkommentiert eine Pressemeldung zurück, die über die politischen Erfolge von WikiLeaks in Island informierte: Man habe dortige Parlamentarier überzeugt, in Island einen „Zufluchtsort für neue Medien“ aufzubauen. Davies fuhr erneut ins „Guardian“-Büro, um die Situation mit seinem alten Freund und Kollegen David Leigh zu besprechen. Leigh, der Assange kurz zuvor kennengelernt hatte, mit ihm aber keine Einigung über die Verwendung des besagten Apache-Hubschrauber-Videos erzielen konnte, war mehr als skeptisch. Er warnte Davies, der Australier sei unberechenbar, und bezweifelte überdies, dass Assange an einer Kooperation interessiert sei.

Davies ließ nicht locker. Er schickte eine weitere Mail an Assange und bot an, „an jeden denkbaren Ort zu fahren und ihn oder wen auch immer zu treffen, um den nächsten Schritt machen zu können“. Diesmal war Assange zugänglicher und nannte ihm als Kontaktperson die isländische Abgeordnete Birgitta Jónsdóttir (die an der Veröffentlichung des Apache-Videos mitgearbeitet hatte). Er erwähnte auch Kristinn Hrafnsson, seinen loyalen Stellvertreter bei WikiLeaks, und schloss mit den Worten: „Aus Sicherheitsgründen sind Interviews mit mir zurzeit etwas problematisch, aber senden Sie mir ALLE Kontakte, unter denen ich Sie erreichen kann.“

Davies schrieb Mails an Jónsdóttir, Hrafnsson und andere WikiLeaks-Vertreter, sprach mit einigen auch am Telefon. Er hatte den Eindruck, voranzukommen, war sich aber schmerzhaft bewusst, dass sein Wunsch nach Einsicht in die Dokumente bei Assange auf wenig Gegenliebe stoßen würde: In Assanges Augen musste Davies wie ein weiterer Vertreter der doppelzüngigen Mainstream-Medien erscheinen. Eine subtilere Strategie musste her, eine Vorgehensweise, die dem „Guardian“ den Zugang zu den Wiki-Leaks-Dokumenten ermöglichte, gleichzeitig aber auch Assanges Interessen berücksichtigte.

Am Abend des 19. Juni erhielt Davies einen Anruf. Sein Informant sagte: „Erzählen Sie Julian nicht, dass Sie es von mir wissen, aber er wird morgen im Europäischen Parlament in Brüssel eine Pressekonferenz abhalten.“ Davies rief umgehend Alan Rusbridger an, den Chefredakteur des „Guardian“. Beide hatten 1979 als junge Reporter bei der Zeitung angefangen, waren zeitweilig auch Nachbarn, und Rusbridger hatte Davies stets freie Hand gelassen, wenn er sich bei einer Recherche in ein Thema verbissen hatte.

„Alan, was weißt du über diesen Kerl Bradley Manning?“, fragte Davies.

„Nicht viel“, antwortete Rusbridger.

„Aber seine Geschichte ist die heißeste Story der Welt …“

Rusbridger verstand. „Fahr nach Brüssel“, antwortete er.

Da es kein Verkehrsmittel gab, das Davies rechtzeitig zur Pressekonferenz nach Brüssel bringen konnte, schlug Rusbridger vor, den Brüsseler Korrespondenten Ian Traynor einzubinden: Er solle Assange vor Ort in ein Gespräch verwickeln. Noch in der selben Nacht schickte Davies eine Mail an Traynor: „Bradley Manning, Alter 22, ist ein amerikanischer Spionage-Analyst, der in einem US-Camp außerhalb von Bagdad arbeitete und dort Zugriff auf zwei interne Netzwerke hatte. Das eine bündelte die Kommunikation aller US-Botschaften der ganzen Welt und war als, geheim‘ klassifiziert, das andere wurde von allen geheimdienstlichen Agenturen benutzt und galt als, top secret‘. Manning gefiel immer weniger, was er dort alles las – und entschied sich, massenweise Dokumente auf zwei CDs zu kopieren.“

Davies bat Traynor, zu der mittäglichen Podiumsdiskussion im EU-Parlament zu gehen. „Längerfristig gesehen, sollten wir versuchen, mit ihm eine Allianz zu schmieden, so dass wir – wenn er das Manning-Material veröffentlichen sollte – direkt dabei sind.“

Am nächsten Tag gelang es Traynor, Kontakt zu Assanges Kollegin Birgitta Jónsdóttir aufzunehmen. Er sah sie zufällig in einem Café mit zwei männlichen Begleitern, „von denen einer einen überdimensionierten isländischen Wollpullover trug“. Wie sich herausstellen sollte, war es Assange, aber da Traynor ihn vorher noch nie gesehen hatte, blieb ihm seine Identität verborgen. Kurz darauf, bei der Podiumsdiskussion im Parlament, konnte er die Wissenslücke umgehend schließen.

Der Saal war gut gefüllt mit internationalen Korrespondenten – unter ihnen ein österreichischer Journalist, von dem Traynor wusste, dass er ein Näschen für gute Storys besaß. Traynor musste schnell sein. Am Ende der Veranstaltung griff er sich Assange, lotste ihn aus dem Reporterpulk und lief mit ihm eine halbe Stunde durch die labyrinthischen Korridore des Parlamentsgebäudes. Assange, so Traynors erster Eindruck, war schweigsam, auf der Hut und schwer durchschaubar. Trotzdem war er beeindruckt von seiner Intelligenz und Schlagfertigkeit, und auch wenn seine Antworten oft kryptisch waren, „mochte ich ihn auf der Stelle – und umgekehrt schien auch ich ihm sympathisch zu sein“.

Zu seiner Freude erfuhr Traynor, dass der WikiLeaks-Gründer selbst ein großer Fan des „Guardian“ sei. Er schien sogar daran interessiert zu sein, mit einer Zeitung zu kooperieren, die für ihre linksliberale Positionen bekannt war. Assange ließ durchblicken, dass WikiLeaks plane, „zwei Millionen Seiten“ des Rohmaterials auf seiner Website zu veröffentlichen. Auf die Frage, worum es sich inhaltlich handele, sagte Assange nur: „Es geht um Krieg.“ Er gab Traynor seine Brüsseler Handynummer und willigte ein, sich am nächsten Tag erneut zu treffen.

Davies saß derweil mit Rusbridger beim Lunch im „Kings Place“, dem „Guardian“-Headquarter in London, und schaute hinaus auf die Boote im Regent’s Canal. Noch während des Essens traf Traynors Mail aus Brüssel ein: Assange habe einem Treffen zugestimmt. Nach einer schlaflosen Nacht – „Ich war einfach zu aufgeregt!“ – saß Davies am nächsten Morgen im Eurostar-Zug Richtung Brüssel.

Während der Schnellzug durch Kent zum Ärmelkanal schoss, legte er sich seine Strategie zurecht. In seinen Augen hatte Assange Störfeuer aus gleich vier Richtungen zu befürchten. Zunächst einmal war da die körperliche Bedrohung: Assange musste damit rechnen, in der sprichwörtlichen dunklen Ecke zusammengeschlagen zu werden, wenn nicht noch schlimmer. Zweitens gab es den juristischen Komplex: Washington würde versuchen, WikiLeaks vor Gericht zu bringen. Der dritte Aspekt war technologisch: Die USA oder ihre Verbündeten könnten Schritte unternehmen, um den WikiLeaks-Server zu attackieren. Und der vierte und vielleicht schwerwiegendste war der, dass man mit einer Schmutzkampagne gegen Assange rechnen musste, die ihm in die Schuhe schieben könnte, direkt oder indirekt Terroristen zu unterstützen. Davies hatte gehört, dass Assange über das Feedback auf das Apache-Video enttäuscht gewesen sei. Entgegen seiner Erwartung ging es bei den anschließenden Diskussionen weniger um den Mord an irakischen Zivilisten und mehr um WikiLeaks selbst.

Es gab noch einen weiteren Punkt, der Davies Kopfweh bereitete: Sollte das Material nur vom „Guardian“ veröffentlicht werden, bestand die Gefahr, dass die US-Botschaft in London eine einstweilige Verfügung gegen die Zeitung veranlassen würde. Großbritannien ist berüchtigt für seine rigorose Handhabe der Medienjustiz: Für zwielichtige Oligarchen und andere Verleumdungstouristen bietet England geradezu paradiesische Zustände.

Davies glaubte, dass eine grenzüberschreitende Allianz verschiedener Medien notwendig sei, vielleicht sogar die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen. Wenn das Material simultan in mehreren Ländern veröffentlicht werden würde – würde das die Gefahr einer einstweiligen Verfügung vielleicht aus dem Weg räumen? Er öffnete sein Notebook und schrieb: „New York Times/Washington Post/Le Monde.“ Und fügte hinzu: „Politiker? Private Organisationen? Andere interessierte Parteien?“ Vielleicht könnte der „Guardian“ vorab das Material sichten und die interessantesten Aspekte herausfiltern, um dann die Geschosse an befreundete Publikationen weiterzureichen. Davies fand Gefallen an dieser Vorgehensweise, hatte aber nicht die leiseste Ahnung, ob Assange sich dafür erwärmen würde.

In Brüssel musste derweil Traynor die gleiche Erfahrung machen, die vor ihm schon viele andere gemacht hatten: Im Besitz von Assanges Handynummer zu sein, bedeutete noch lange nicht, ihn tatsächlich erreichen zu können. Besorgt, der Australier könne sich aus dem Staub gemacht haben, ging Traynor zum Hotel Leopold, wo Assange wohnte, und klopfte an seiner Tür. Nach einer Weile machte Assange tatsächlich auf und ließ Traynor eintreten. Assanges gesamtes Hab und Gut bestand aus ein paar Rucksäcken, gefüllt mit drei Laptops, unzähligen Handys, SIM-Karten und anderem Equipment. An Kleidung hatte er nur seine Jeans, ein T-Shirt und den isländischen Pullover.

Assange, der einstige Hacker, war beunruhigend guter Laune. „Ihr, Guardian‘-Leute“, sagte er zu Traynor, „müsst wirklich was für eure Sicherheit tun. Ihr müsst endlich mal eure Mails verschlüsseln.“ „Er kannte“, so der perplexe Traynor, „den Inhalt der E-Mail, die ich nach London geschickt hatte. Natürlich wollte er damit auch angeben, aber gleichzeitig war er ernsthaft besorgt.“

Nachdem Davies in Brüssel eingetroffen war, machten Traynor und er sich erneut zum Leopold auf. Sie riefen im Zimmer an. Assange, dessen innere Uhr offensichtlich noch immer in Australien tickte, war wieder eingeschlafen. 15 Minuten später tauchte er endlich auf. Es war 15:30 Uhr, als man zusammen ins Café ging. Das Gespräch dauerte sechs Stunden.

Das Resultat war eine außergewöhnliche, wenn auch bisweilen problematische Zusammenarbeit zwischen einem traditionellen Printmedium und WikiLeaks – ein neues Kooperationsmodell, dessen Ziel es war, das größte leak aller Zeiten, die denkbar größte Menge hochinteressanter Geheimdokumente öffentlich zu machen. Sarah Ellison, Autorin eines „Vanity Fair“-Artikels zum Thema, schrieb später: „Der, Guardian‘, wie so viele Medienvertreter nach ihm, kam zu der Überzeugung, dass man Assange mit Glacéhandschuhen anfassen müsse, vielleicht besser sogar mit Latex: zu verlockend, um ihn zu ignorieren, aber auch zu halbseiden, um ihn vorbehaltlos zu umarmen.“

Die Hoffnung auf eine reibungslose Zusammenarbeit trug die Aussicht auf Scheitern von Anfang an in sich. Assange machte keinen Hehl daraus, dass er ideologisch mit Davies keineswegs im gleichen Boot saß. Dessen Versuch, Rupert Murdochs „News Of The World“ für seine illegalen Abhörtaktiken an den Pranger zu stellen, sei nichts anderes als der erbärmliche Versuch „scheinheilig empörter Politiker und sozialer Eliten“, auf ihr Recht auf Privatsphäre zu pochen. Davies‘ Attacke auf die Boulevardzeitung offenbare „einen Mangel an journalistischer Solidarität“ und sei letztlich „nur eine willkommene Gelegenheit gewesen, den journalistischen Konkurrenten wie auch den Klassenfeind“ zu treffen. Wobei Assange keinen Zweifel daran lässt, dass er für die gesamten „Mainstream Media“ wenig Sympathie empfindet.

Nichtsdestotrotz wirkte Assange auf Davies „sehr jung, jungenhaft, zurückhaltend – und als Verhandlungspartner absolut angenehm“. Er trank Orangensaft. Vorsichtig versuchte Davies, ihn mit seinen Szenarien vertraut zu machen. Dass er körperlich angegriffen werden würde, hielt er für eher unwahrscheinlich – die USA würden sich mit diesem Vorgehen nur weltweit blamieren. Realistischer sei es, dass die USA einen schmutzigen PR-Feldzug initiieren könnten: Man würde ihn als verantwortungslosen Helfershelfer porträtieren, der Terroristen unterstütze und unschuldige Leben aufs Spiel setze. WikiLeaks müsse mit dem Argument reagieren, dass die Welt ein Recht darauf habe, die ganze Wahrheit über die undurchsichtigen Kriege in Irak und Afghanistan zu erfahren. „Wir werden Sie als moralische Instanz positionieren – auf gleicher Höhe mit Nelson Mandela und Mutter Teresa. Die Luft dort oben wird so dünn sein, dass Sie Sauerstoff brauchen werden.“

Assange schien aufgeschlossen. Es war nicht das erste Mal, dass WikiLeaks mit einem traditionellen Medium zusammengearbeitet hatte – und Assange hatte den Eindruck, dass eine erneute Kooperation angesichts der Umstände durchaus sinnvoll sei. Er gab seinen Gesprächspartnern einen ersten Einblick in den Umfang der Geheiminformationen: WikiLeaks besaß Dokumente über ausnahmslos alle militärischen Aktionen im Afghanistan-Krieg, außerdem vergleichbare Unterlagen über den Irak-Krieg seit März 2003. „Fuck!“, entfuhr es Davies. Darüber hinaus war man im Besitz der diplomatischen Depeschen, die von US-Diplomaten rund um den Globus an das State Department geschickt wurden. Und zu guter Letzt hatte man auch die Unterlagen zu den Militärtribunalen in Guantánamo Bay – alles zusammen mehr als eine Million Dokumente.

Es war eine unvorstellbare Datenmenge. Davies schlug vor, dem „Guardian“ Zugriff auf alle Dokumente zu geben, um einen roten Faden in den sonst unübersichtlichen Wust zu bekommen. Assange erwähnte, dass man bereits seit zwei Wochen mit dem Material an die Öffentlichkeit gehen wolle, er aber mit Rücksicht auf Bradley Manning zögere: Auch wenn er sich nie dazu äußern werde, ob Manning die Quelle war oder nicht, sei er über die juristischen Konsequenzen für den jungen Soldaten besorgt. Die US-Army habe bisher noch keine Anklage erhoben. Er gehe auch davon aus, dass Manning darin geschult worden sei, in Verhören nicht einzuknicken; die Anschuldigungen des Hackers Lamo seien offenkundig „nicht glaubwürdig“ – und trotzdem befürchte er, dass die tatsächliche Veröffentlichung dem Pentagon neue Anhaltspunkte liefern könnte, den Fall weiter zu verfolgen.

Davies und Assange diskutierten die Frage, ob man die „New York Times“ miteinbeziehen wolle. Davies vertrat die Meinung, dass die Obama-Regierung das wichtigste liberale Blatt im Land nie frontal angreifen würde: Wiki-Leaks-Veröffentlichungen in dieser Zeitung seien durch das „First Amendment“ in der US-Verfassung geschützt. Darüber hinaus gebe es den historischen Präzedenzfall, dass die „New York Times“ verbissen für die Veröffentlichung der „Pentagon Papers“ gekämpft habe. Der Status der Zeitung würde es den Strafbehörden auch erschweren, Manning wegen Spionage anzuklagen – eine Möglichkeit, die mit Sicherheit eintrete, wenn die Dokumente nur im Ausland veröffentlicht werden sollten. Assange stimmte den Argumenten zu.

„Assange“, erinnert sich Ian Traynor, „kannte Leute bei der, New York Times‘. Ihm war sehr daran gelegen, dass es zu einer Veröffentlichung in den USA kam. Er glaubte, angreifbarer zu sein, wenn das Material nur in außeramerikanischen Medien publiziert würde.“

Assange bestand auch darauf, dass die „Times“ fünf Minuten vor dem „Guardian“ veröffentlichen solle. Auf diese Weise, so glaubte er, ließe sich die Gefahr reduzieren, dass Manning wegen Auslandsspionage angeklagt werden könne. Traynor schlug vor, zusätzlich noch den „Spiegel“ ins Boot zu holen. Das Magazin habe eine Menge Geld – zudem sei Deutschland militärisch in Afghanistan engagiert. Assange wiederum stellte die Forderung, dass er das letzte Wort über den Zeitpunkt der Veröffentlichung haben müsse: Er wollte nicht zu früh damit raus, weil dies Manning beschädigen könne. Andererseits müsse umgehend veröffentlicht werden, sollte es einen Angriff auf WikiLeaks geben.

An einem Punkt des Gesprächs beschlossen die Partner in spe, für ein paar Pasta in ein italienisches Restaurant zu wechseln. Während des Essens schaute Assange ständig nervös über seine Schulter, um sicher zu sein, dass er nicht beobachtet würde. (US-Agenten waren jedenfalls nicht auszumachen, allerdings saß gleich hinter ihm EU-Parlamentarier Daniel Cohn-Bendit.) Assange wies darauf hin, dass – sollte es zu einem Agreement kommen – der „Guardian“ seine Sicherheitsvorkehrungen erheblich verschärfen müsse: Es sei davon auszugehen, dass Telefonate abgehorcht, Mails abgefangen und Computer ausgespäht würden. „Das Sicherheitsthema“, erinnert sich Davies, „stand bei ihm ganz, ganz oben.“ Und noch in einem anderen Metier erwies sich Assange als pfiffiger Fachmann: „Er schlug vor, im Material eine passende Geschichte zu finden, die man, Fox News‘ anbieten könne. Auf diese Weise könne man die potenziell beißwütigen Hunde vielleicht auf unsere Seite ziehen. Eine weitere gute Idee! Das Projekt nahm immer mehr Fahrt auf.“

Assange ging kurz zurück in sein Zimmer, kehrte mit einem schwarzen Laptop zurück. Er zeigte Davies einige Auszüge aus den Afghanistan-Dokumenten. Das WikiLeaks-Team, sagte er, habe die Dokumente auf ihre Echtheit überprüft. Doch selbst die wenigen Auszüge waren so umfangreich, so komplex und unüberschaubar, dass sich Davies zu fragen begann, ob es in diesem undurchdringlichen Militär-Jargon-Dschungel überhaupt Facetten gab, die journalistisch verwertbar seien.

Es gab noch ein anderes Problem: Wie würde Davies, wenn er zurück in London war, überhaupt Zugriff auf das Material bekommen? Er könnte es natürlich auf einen USB-Stick ziehen, befürchtete aber, dass die britischen Behörden den bei der Einreise konfiszieren könnten. Assange, der gelernte Hacker, hatte einen anderen Vorschlag: Er könne das Material verschlüsselt auf eine dafür eingerichtete Website stellen, die allerdings nur für kurze Zeit aktiviert sei. Er öffnete sein Laptop, tippte etwas und umrandete dann einige Worte auf der Hotel-Serviette. Das war das Passwort, um den Inhalt der Website entschlüsseln zu können. (Assange benutzte GPG, auch bekannt unter dem Namen „Pretty Good Privacy“ oder PGP.) Mit Hilfe des Passworts würde der „Guardian“ den Zugang zum ersten Teil des Materials bekommen, den Dokumenten zum Afghanistan-Krieg. Die anderen drei Pakete sollten später folgen.

Man einigte sich noch auf eine weitere Sicherheitsmaßnahme: Davies würde Assange eine Mail schicken und darin mitteilen, dass der Deal nicht zustande gekommen sei. (Am 23. Juni schrieb Davies: „Bin zurück in der Redaktion. Danke für Ihre Zeit. Machen Sie sich keine Vorwürfe, dass Sie mir nicht geben konnten, was mich interessiert hätte.“) Man hoffte so, möglichen amerikanischen Geheimdienstlern Sand in die Augen zu streuen.

Noch im Morgengrauen stieg Davies in den ersten Zug nach London. In der Redaktion lief ihm gleich Rusbridger über den Weg. „Ich werde dir ein Geheimnis verraten“, sagte er. Wie immer, war Rusbridgers Reaktion auch diesmal mehr als zurückhaltend, selbst wenn ihm die Konsequenzen durchaus bewusst waren. Um 9:30 Uhr stimmte er zu, seinen Kollegen Bill Keller von der „New York Times“ anzurufen, sobald der auf der anderen Seite des Atlantiks ansprechbar sei.

Zurück in Sussex, wartete Davies auf ein Lebenszeichen von Assange. Am Vormittag des 24. Juni kam eine Mail mit dem Link zu der avisierten Website. Davies lud die riesige Datei herunter, war aber nicht in der Lage, die Daten zu dechiffrieren. Auch sein örtlicher Computer-Crack war überfordert. Davies überspielte die noch verschlüsselten Daten auf einen Stick und löschte danach die Mail. Kurz darauf war die Website down.

Davies fuhr zurück nach London und gab die Daten Harold Frayman, dem IT-Verantwortlichen des Verlages. Frayman lud die Daten als verschlüsselte Excel-Tabelle herunter. „Es war kein Kunststück“, so Grayman. „Wir hatten schließlich das Passwort.“

Am Abend des Tages war der „Guardian“ also endlich im Besitz des Afghanistan-Materials, der minutiösen Dokumentation eines zähen und sehr realen Krieges, der in den Bergen und staubigen Straßen des Hindukusch geführt wurde. In den nächsten fünf, sechs Tagen stellte sich allerdings heraus, dass die Dokumente kaum zu lesen waren. „Es war zum Verzweifeln“, so Davies. „Die Informationen ließen sich aus der Tabelle nur mit größten Schwierigkeiten herausfischen. Es war ein langwieriger, frustrierender Prozess.“ Nichtsdestotrotz schickte er stolz eine Mail an Assange: „Die guten Jungs haben die Mädchen rumgekriegt.“

Es kostet die drei Redaktionen viel Mühe, Nerven und Geld, bis am 25. Juli 2010 tatsächlich die Nachricht durch die Ticker laufen kann: Wahrheit über Afghanistan enthüllt! Am 22. Oktober folgen Dossiers zum Irakkrieg. Längst gilt Assange als ebenso meistgeliebter wie meistgehasster Mann der Welt – und für seine Verbündeten wird es immer schwieriger, seinen oft rätselhaften Launen zu folgen. Ein mutmaßlicher Vorfall Mitte August macht die Situation noch verworrener: Assange soll in Stockholm eine Frau vergewaltigt und eine zweite sexuell belästigt haben. Der Masterplan läuft indessen weiter. Als Nächstes sollen die Diplomatendepeschen veröffentlicht werden.

„Guardian“-Chefredaktion, Kings Place, London

1. November 2010

Die Zeit für ein persönliches Treffen mit Assange war gekommen – das hatten die drei kooperierenden Zeitschriften entschieden. Alles schien aus dem Ruder zu laufen: Die Veröffentlichung der diplomatischen Depeschen war bereits mehrfach verschoben worden, und nun wollte Assange, inzwischen selbst von diversen Seiten angegriffen, auch noch die Amerikaner aus dem Boot werfen – die Strafe, so wurde gemunkelt, für ein wenig schmeichelhaftes Assange-Porträt in der „New York Times“, das von ihrem London-Korrespondenten John F. Burns verfasst worden war. Assange war außer sich über den Artikel.

Die Engländer waren beunruhigt, weil eine weitere Kopie der Dokumente inzwischen bei Heather Brooke gelandet war, einer US-Journalistin mit Sitz in London, die für die Organisation „Freedom Of Information“ arbeitete. Und die Deutschen waren besorgt, dass sich die Lage nur noch weiter zuspitzen würde, sollte es nicht zu einem klärenden Gespräch zwischen allen Beteiligten kommen.

Mindestens drei unautorisierte Kopien der Dokumente waren inzwischen in Umlauf: Eine lag bei Brooke in England, die zweite bei Daniel Ellsberg (dem Mann hinter den „Pentagon Papers“) in den USA, eine dritte bei dem einstigen WikiLeaks-Programmierer Smári McCarthy in Island. „Guardian“-Redakteur David Leigh hatte der „New York Times“ signalisiert, dass er ihnen persönlich eine Kopie in die Hand drücken werde, sollte sich Assange weiterhin gegen die Veröffentlichung sträuben. Dabei war bislang noch nicht ein einziges Dokument des riesigen Depeschen-Materials überhaupt gesichtet und analysiert worden. Sollte das ambitionierte Unternehmen doch noch im Chaos enden?

Die Konferenz wurde für den 1. November einberufen, und zwar in den Redaktionsräumen des „Guardian“ nahe King’s Cross. In der ersten Gesprächsrunde wollte man sich einen Überblick über das Material verschaffen, um sich dann hoffentlich auf eine konkrete Abfolge der Veröffentlichungen einigen zu können. Um 18 Uhr sollte Assange zur Runde stoßen, aber der ließ den stellvertretenden Chefredakteur Ian Katz durch mehrere SMS wissen, dass er sich verspäten werde. Gegen 19 Uhr klingelte Rusbridgers Telefon. Am anderen Ende war Mark Stephens, ein englischer Anwalt, der auf Verleumdungsklagen spezialisiert war. Rusbridger kannte ihn schon seit einigen Jahren. Stephens sagte, er habe eine Mitteilung zu machen – könne er vielleicht umgehend vorbeikommen? 20 Minuten später stürmte er durch die Tür, gefolgt von Assange, seinem immer leicht mürrischen isländischen Statthalter Kristinn Hrafnsson und einer Frau, die später als Stephens‘ Assistentin Jennifer Robinson vorgestellt wurde. Auf die Anwesenden wirkte es wie ein klassischer Überfall.

Assange hatte sich noch nicht mal gesetzt, als er schon zu einer Tirade gegen den „Guardian“ ausholte: War die „New York Times“ im Besitz der Dokumente? Wie war das möglich? Wer hatte sie ihnen zugespielt? Dies sei ein klassischer Vertrauensbruch. Er war aufgebracht und verärgert. Immer wenn Rusbridger antworten wollte, warf er eine weitere Frage in den Raum. Als er endlich einmal kurz Luft holte, wies Rusbridger darauf hin, dass die „Spiegel“-Leute und andere „Guardian“-Mitarbeiter noch draußen warten würden. Sollte man sie nicht hereinbitten, um an der Diskussion teilzunehmen? Aber Assanges Wut war noch nicht abgekühlt: Nein, erst müsse dieser Punkt vom Tisch. Er wolle zunächst die ganze Wahrheit über die „New York Times“ erfahren. „Wir bekommen den Eindruck, dass hier eine große Organisation nach Wegen sucht, um ein gentlemen’s agreement zu unterlaufen. Wir sind darüber alles andere als glücklich.“

Rusbridger wies darauf hin, dass die Ausgangsposition inzwischen eine andere sei. Offensichtlich gebe es bei WikiLeaks selbst eine undichte Stelle: Nur so sei erklärbar, dass die Dokumente inzwischen bei Heather Brooke gelandet waren. Wenn man nicht zügig Entscheidungen treffen würde, könnten die Dinge völlig aus dem Ruder laufen. Assange sah nicht gesund aus. Er war blass, schwitzte und hustete ununterbrochen. Rusbridger blieb bei seiner Behauptung – die auch zutreffend war -, dass er die Dokumente nicht an die „New York Times“ weitergegeben habe. Schließlich konnte er Assange davon überzeugen, dass es sinnvoller sei, die Diskussion in großer Runde fortzusetzen.

David Leigh meldete sich zu Wort und protestierte gegen die Anwesenheit von Stephens und Robinson. Dies sei eine Redaktionskonferenz, und wenn Assange auf die Anwesenheit seiner Anwälte bestehe, müsse der „Guardian“ eben auch welche hinzuziehen. Rusbridger ging in ein Nebenzimmer und versuchte spontan, einen Juristen aufzutreiben. Der Chef der Rechtsabteilung radelte gerade nach Hause und hörte sein BlackBerry nicht, also kontaktierte er Geraldine Proudler von der Kanzlei Olswang, die für den „Guardian“ schon mehrere Prozesse geführt hatte. Sie war gerade im Fitnessstudio, setzte sich aber umgehend in ein Taxi und fuhr zum Verlag.

Der alte Streitpunkt kam allerdings wieder auf den Tisch – vorläufig noch ohne Anwälte -, als das „Spiegel“-Team mit Georg Mascolo, Holger Stark und Marcel Rosenbach zur Runde stieß. Assange schien sich in das Thema „New York Times“ geradezu verbissen zu haben: „Sie haben auf der ersten Seite – auf der ersten Seite! – eine Story über mich gebracht, die ein hinterhältiger Anschlag auf mich und andere Mitglieder der Organisation war und nur auf Unwahrheiten basierte. Es war nicht einmal plausible Kritik, nur ein unausgegorener Wust. Es reicht ihnen nicht, einfach objektiv zu sein und zu sagen:, Hier ist die Story‘ – Schluss. Sie glauben, eine demonstrative Feindseligkeit uns gegenüber dokumentieren zu müssen, damit man ihnen nicht vorwerfen kann, sie wären Sympathisanten.“

Der Artikel hatte natürlich auch die schwedischen Untersuchungen zu Assanges vermeintlicher Sex-Affäre nicht ausgelassen. Er wurde mit den Worten zitiert: „Ich wurde schon der James Bond des Journalismus genannt. Das brachte mir viele Fans ein, und einige von ihnen machen mir nun etwas Ärger.“ Autor Burns hatte auch geschrieben, dass WikiLeaks-Mitglieder nach dem Skandal Front gegen Assange gemacht hätten. Sie beklagten sich, so schrieb er, dass sich „sein wachsender Prominentenstatus in immer mehr diktatorischem, exzentrischem und launischem Verhalten niederschlage“. Einem der Abtrünnigen, dem 25-jährigen Isländer Herbert Snorrason, schrieb Assange: „Falls du mit mir ein Problem hast, dann verpiss dich.“ Assange hatte im Vorfeld behauptet: „Ich bin das Herz und die Seele der Organisation, ihr Gründer, Theoretiker, Sprachrohr, erster Programmierer, Organisator, Finanzier und noch mehr.“ Snorrason hatte darauf handfest zurückgekeilt: „Er hat den Verstand verloren.“

Die anderen Beteiligten saßen stumm am Tisch, als Assange weiter gegen Burns und die „New York Times“ wetterte – und dabei in den altmodisch gestelzten Tonfall verfiel, den er stets dann kultivierte, wenn ihm etwas gegen den Strich ging. Er stellte noch einmal die Frage: Waren die Amerikaner im Besitz der Depeschen? Und wenn ja: wie? Das Problem, unterbrach ihn Rusbridger, bestehe doch darin, dass seine Zeitung nun eine zweite Quelle habe. Sie stünden in Verhandlungen mit Heather Brooke, um sie für das „Guardian“-Team zu gewinnen. Anderenfalls könnte sie mit dem Material zu jeder anderen Zeitung gehen – was wiederum bedeute, dass der „Guardian“ seinen exklusiven Zugang verlieren würde. Assange wandte sich an Rusbridger: Es gebe keine zweite Quelle. Brooke habe die Dokumente entwendet – entweder „durch Diebstahl, Täuschung …, auf jeden Fall aber durch unmoralisches Verhalten“. Er wisse genug über ihre Vorgehensweise, um sie „zerstören“ zu können. Der Höhepunkt kam, als Assange damit drohte, seine Anwälte könnten Klage gegen den „Guardian“ erheben, weil „die finanziellen Vermögenswerte“ von WikiLeaks verspielt worden seien. „Einem derartigen Verfahren sehe ich gelassen entgegen“, sagte Rusbridger lächelnd.

Und wieder kehrte Assange zu seinem liebsten Thema zurück: was man von einem Gentleman unter diesen Umständen erwarten könne. „Leute, die sich nicht wie Gentlemen verhalten, müssen es eben lernen. Angesichts der Tatsache, dass der, Guardian‘ das Material an die, New York Times‘ weitergegeben hat – warum sollten wir überhaupt noch mit dem, Guardian‘ kooperieren?“

Assange brachte andere amerikanische Zeitungen ins Gespräch: Die „Washington Post“ sei ganz heiß auf das Material. Auf Nachfrage räumte er ein, mit der „Post“ und der McClatchy-Verlagsgruppe bereits in Gesprächen zu sein. Und wieder begann er gegen die „New York Times“ zu poltern: „Ihre Strategie ist alles andere als gentleman-like … Sie brachten diese schlimme Story über Bradley Manning und dann diese grässliche, absolut grässliche Geschichte über mich, auf der ersten Seite!“ Am Ende der folgenden Tirade konzedierte er: „Ich verlange nicht viel, aber ich erwarte von der, Times‘, dass sie an ihren eigenen Standards festhält. Und wenn diese Standards angewendet werden, kann sie nicht alle Hebel in Bewegung setzen, um auf der ersten Seite diese schmierige Verleumdungsnummer zu bringen.“

Der stellvertretende „Guardian“-Chef Katz fragte noch mal, wie seine Verhandlungen mit der „Washington Post“ stünden. „Ich habe noch keine Abmachungen getroffen, aber je länger ich darüber nachdenke, werden wir wohl mit der, Post‘ zusammenkommen – es sei denn, es gibt einen sehr überzeugenden Gegenvorschlag. Die, Times‘ jedenfalls hat unsere Beziehung mit Füßen getreten.“

Rusbridger schlug eine kurze Pause vor. Als man wieder zusammenkam (noch immer ohne Anwälte, die draußen warteten), schien sich die Atmosphäre etwas entspannt zu haben. Rusbridger schlug vor, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie die inhaltliche Abfolge der Veröffentlichungen aussehen könne. Ian Katz stellte einen Zeitplan vor, den man bereits im Laufe des Tages erstellt hatte. Assange hörte konzentriert zu – die aggressiven Vorwürfe schienen Schnee von gestern. Es war, als ob in seinem Hirn ein Schalter umgelegt worden wäre: Plötzlich wurden wieder die rationalen, strategischen Hirnzellen aktiv, die bei der vorangegangenen Konfrontation komplett abgeschaltet zu sein schienen.

Er bestand allerdings inzwischen auf einer weiteren Verschiebung der Veröffentlichung. Auf die Frage, in welchem Zeitrahmen WikiLeaks die Dokumente freigeben wolle, sagte er: „Die Idealsituation wird für uns nicht vor nächstem Jahr eintreten. Weniger als einen Monat Zeit zu haben, wäre selbst in einer Notsituation mörderisch. Wir haben den Riesen geweckt, indem wir eines seiner Beine verwundet haben (das US-Verteidigungsministerium), und die Veröffentlichung wird dazu führen, dass er sein anderes Bein in Bewegung setzen wird (das US-Außenministerium). Wir stecken so viel Attacken weg, wie wir können, aber mehr können wir beim besten Willen nicht verkraften.“ Er betonte, die Dokumente in einem geordneten Ablauf veröffentlichen zu wollen – und nicht als „große Schutthalde“. Idealerweise sollte „sich die Veröffentlichung über zwei Monate“ erstrecken. Aber er willigte ein, dass der Startschuss in etwa einem Monat gegeben werden könne.

Schon zuvor hatte Assange, halb scherzhaft, erwähnt, dass er sich vielleicht einen sicheren Unterschlupf in Kuba suchen sollte, bevor die Dokumente veröffentlicht würden. Ihm war inzwischen auch daran gelegen, dass die Reihenfolge der Veröffentlichungen nicht den Eindruck erwecken sollte, als sei die Strategie rein anti-amerikanisch. Er wollte den Eindruck vermeiden, als sei WikiLeaks von einem pathologischen Anti-Amerikanismus beseelt. Die Geschichten hinter den Dokumenten hätten schließlich eine weitaus größere Tragweite: „Wir haben genug Exposés und Skandaldokumente, die aus anderen Ländern stammen, den berüchtigten arabischen Staaten oder Russland. Das sollte der Tonfall der ersten Veröffentlichungen sein. Wir sollten in den ersten Wochen beispielsweise nicht Israel bloßstellen, sondern erst den generellen Rahmen verständlich machen. Die Enthüllungen über andere Staaten wird die Rezeption der öffentlichen Meinung in den USA nachhaltig beeinflussen. Das Spektrum, das wir in den ersten Wochen vorgeben, wird auf die weiteren Veröffentlichungen abfärben.“

Und dann machte Assange noch eine weitere überraschende Ankündigung: Er wolle andere Zeitschriften „aus dem romanischen Sprachraum“ mit ins Boot holen, um die geopolitische Wirkung zu erhöhen. Er erwähnte „El País“ und „Le Monde“. Die anderen Gesprächsteilnehmer schauten sich an: Der Vorschlag würde das ohnehin schon schwierige Arrangement nur noch weiter komplizieren. Wie sollten sie eine amerikanische Tageszeitung aus einer anderen Zeitzone, eine französische Nachmittagszeitung, eine spanische Morgenzeitung und ein deutsches Wochenmagazin unter einen Hut bekommen? Aber immerhin: Zumindest gab es inzwischen konkrete Gespräche darüber, wie man das Projekt anpacken sollte.

Es war inzwischen fast 22 Uhr, seit drei Stunden wurde heiß diskutiert. Als Rusbridger ein paar Flaschen Chablis hereinbringen ließ, wurde die Stimmung gleich merklich entspannter. Und alle Beteiligten stimmten dem Vorschlag zu, das Gespräch im Rotunda-Restaurant abzuschließen, das sich unten im Verlagsgebäude befand. Mark Stephens, Geraldine Proudler und Jennifer Robinson saßen derweil noch immer im Vorzimmer und warteten geduldig.

Die Stimmung beim Dinner war gelöst, auch wenn Assange noch immer vom Thema „New York Times“ besessen schien. Auf die Frage, unter welchen Umständen er bereit sei, doch mit den Amerikanern zu kooperieren, stellte er zwei Forderungen: Die Zeitung müsse sich verpflichten, künftig keine weiteren Verleumdungen über ihn zu verbreiten – und ihm darüber hinaus Gelegenheit geben, auf den Burns-Artikel in gleichem Umfang und an gleicher Stelle zu reagieren. „Gute Beziehungen gibt es nur zwischen guten Leuten. Wenn wir kein ernsthaftes Angebot von ihrer Seite bekommen, haben sie die Exklusivität verspielt … Ist die, New York Times‘ überhaupt noch eine glaubwürdige Institution? Ist die Situation wirklich schon so schlimm?“

Die anderen Gesprächsteilnehmer beschlossen, das Thema nicht erneut aufzugreifen. Sie diskutierten über den Zeitplan und die detaillierte Abfolge der einzelnen Themen. Assange wollte die Exklusivität sogar bis über den Jahreswechsel hinaus verlängert sehen. WikiLeaks habe die Dokumente bereits bearbeitet, und nur „wenn es einen schwerwiegenden Angriff auf uns geben sollte, werden wir sie alle gleichzeitig veröffentlichen“.

Um Mitternacht schloss das Restaurant. Man beschloss, dass Rusbridger Bill Keller in New York anrufen solle, während sich die anderen in ein Konferenzzimmer des „Guardian“ zurückzogen. Den Wein nahm man sicherheitshalber mit. Rusbridger kannte Keller seit zehn Jahren – was sich als hilfreich erwies, um ein sonst surreales Gespräch zu verkürzen. „Ich erzähle dir, was Assange verlangt“, sagte Rusbridger. „Ich weiß schon, was du darauf antworten wirst, aber ich muss gleich zurück und ihm bestätigen, dass ich seine Vorstellungen an dich weitergeleitet habe.“

„Schieß los“, sagte Keller.

„Er möchte eine Replik auf den Burns-Artikel, und zwar auf der ersten Seite. Außerdem möchte er eine Garantie, dass ihr keine verleumderischen Artikel mehr über ihn in die Zeitung setzt.“

Keller schnaubte. „Er kann gerne einen Leserbrief schreiben. Es ist zwar nicht meine Abteilung, aber ich würde mich dafür einsetzen, dass er auch abgedruckt wird. Und – was war der andere Punkt? Klar, ich kann ihm gerne bestätigen, dass wir keine Verleumdungsartikel über ihn veröffentlichen werden.“

Rusbridger ging zurück ins Sitzungszimmer und überbrachte die Nachricht. Erwartungsgemäß war Assange außer sich. Er konstatierte, dass das Angebot ungenügend und damit alle Abmachungen Makulatur seien. Die Zusammenarbeit mit der „New York Times“ und auch dem „Guardian“ sei für ihn damit beendet.

Georg Mascolo vom „Spiegel“ bat ums Wort und stellte unmissverständlich klar, dass die drei Zeitschriften eine Einheit seien. Sollte Assange die „New York Times“ und den „Guardian“ rauswerfen, würde auch der „Spiegel“ passen.

Es war kurz vor halb zwei, und die Diskussion drehte sich im Kreis. Rusbridger wandte sich an Assange und resümierte den Stand der Dinge. „Meiner Meinung nach haben Sie drei Optionen. Nummer eins: Der Vertrag platzt. Nummer zwei: Sie können versuchen, die, New York Times‘ mit der, Washington Post‘ zu ersetzen. Nummer drei: Sie verhandeln weiter mit uns dreien. Option eins und zwei sind obsolet, weil Sie nicht mehr die alleinige Kontrolle über das Material haben. Insofern verbleibt Ihnen eigentlich nur die dritte Option: Sie müssen mit uns weiterarbeiten. Was auch durchaus wünschenswert wäre. Wir waren bislang gute Partner. Wir sind verantwortlich mit dem Material umgegangen. Wir haben erhebliche Mittel dafür bereitgestellt. Wir haben gut zusammengearbeitet und uns zu schätzen gelernt. Wir haben mit Ihren Leuten reibungslos kommuniziert. Es lief gut bisher. Warum wollen Sie das alles wegwerfen?“

Sollte Assange überzeugt gewesen sein, so ließ er es sich nicht anmerken. Zumindest nicht in dieser Nacht. Assange, glaubte Rusbridger zu spüren, hätte wohl am liebsten bis zum Morgengrauen noch weitere Gesprächsrunden gedreht. Als er sich dann doch hustend verabschiedete, drückte er David Leigh, mit dem er in den letzten Wochen eng zusammengearbeitet hatte, die Hand, schaute ihn vielsagend an und sagte: „Passt bloß auf!“

Am nächsten Tag schickte Rusbridger eine Checkliste an Mark Stephens, mit der Bitte um Weiterleitung an Assange:

* Veröffentlichung am 29. November in zeitversetzter Staffelung

* Laufzeit: zwei Wochen oder länger bis kurz vor Weihnachten

* Exklusivität für G, NYT, DS (plus „El País“ und „Le Monde“?)

* Weitere inhaltliche Koordination zwischen den Partnern. Gewisse Themenbereiche werden anfangs ausgeklammert. Ansonsten keine Veto-Möglichkeiten zu den Themen, die innerhalb des vereinbarten Zeitraums veröffentlicht werden (bis nach Jan.) WL wird die Dokumente zeitgleich öffentlich machen.

* Nach Weihnachten gilt die Exklusivität für eine weitere Woche (ab ca. 3./4. Jan.)

* Im Anschluss wird WL damit beginnen, 40 seriöse Publikationen rund um den Globus mit Material zu beliefern. Publikationen erhalten partiellen Zugang zu Material, das für ihr Territorium von Interesse ist

* G engagiert HB (Heather Brooke) auf exklusiver Basis

* Bei „kritischem“ Angriff auf WL sofortige Veröffentlichung

* Bei der Weitergabe an andere Medienorganisationen ist dieser Vertrag hinfällig

* Bei Zustimmung beginnt das Team mit der Arbeit an einem Gerüst für die Veröffentlichungen der ersten Stufe

24 Stunden später rief Stephens zurück und teilte mit, dass Assange den Deal abgesegnet habe. Ob die Vereinbarung nun das war, was Assange ein gentlemen’s agreement nannte – es war in jedem Fall ein Agreement.

Fünf der angesehensten Zeitschriften der Welt hatten sich nun also verpflichtet, die geheimen diplomatischen Dokumenten der einzig verbleibenden Supermacht zu sichten, zu bearbeiten und zu veröffentlichen. Es war ein Projekt nie gekannten Ausmaßes, vielleicht sogar die Gelegenheit, den Journalismus im Internetzeitalter neu zu definieren. Doch während sich die Verlage an ihre Absprachen hielten, ging Assange weiter seine einsamen Wege. Für die konspirative Autofahrt aufs Land als alte Frau verkleidet, verlegte er seine Aktivitäten nach Ellingham Hall, seinem Versteck in Norfolk. Seine Kontrolle über die Dokumente – von denen er einmal behauptet hatte, dass sie jedem Geheimdienst mindestens fünf Millionen Dollar wert seien – schien sich weiter zu lockern. Angestellte behaupten, er habe mehrfach Teile der Dokumente an ausländische Journalisten ausgehändigt, unter anderem an einen Besucher, der zunächst nur als „Adam“ vorgestellt wurde. „Er wirkte wie ein harmloser alter Mann“, erinnert sich einer der Mitarbeiter, „sieht man einmal davon ab, dass er immer neugierig auf den Monitor schaute, um zu lesen, was man gerade schrieb.“

Der Mann gab sich schließlich als Vater von Assanges schwedischem Intimus, dem Journalisten Johannes Wahlström, zu erkennen – und erhielt Dokumente über Russland und Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Einem Insider zufolge wünschte er auch Dokumente „über die Juden“. Der mysteriöse WikiLeaks-Mitarbeiter ist besser unter dem Namen Israel Shamir bekannt und behauptet von sich, ein säkularisierter russischer Jude zu sein, der inzwischen in der Griechisch-Orthodoxen Kirche seine Heimat gefunden habe. Er war bekannt für seine Holocaust-Leugnungen, hatte dazu auch diverse Artikel veröffentlicht. Interne Dokumente, in die der „Guardian“ Einsicht bekam, belegen, dass er nicht nur Auszüge des Materials bekam, sondern WikiLeaks auch Unkosten in Höhe von 2.000 Euro in Rechnung stellte. Das Geld – für „erbrachte Leistungen – Journalismus“ wurde auf eine Bank in Tallinn überwiesen. Welche Leistungen? Er habe, sagt Shamir, „für WikiLeaks die diplomatischen Depeschen aus Moskau gelesen und analysiert“.

Shamirs Name befindet sich auch unter zwei Artikeln, die jene zwei Schwedinnen an den Pranger stellen, die Assange sexueller Übergriffe beschuldigen. Am 27. August schrieb er in „Counterpunch“, einem kleinen linksgerichteten US-Magazin, dass Assange von „CIA-Agenten aus Langley“ und „verrückten Feministinnen“ in eine Falle, eine „Venusfalle“ gelockt worden sei. Am 14. September wütete Shamir gegen „kastrationswütige Feministinnen und Geheimdienstler“ und behauptete, dass eine der beiden Frauen in einer schwedischen Fachzeitschrift über die inner-kubanische Opposition geschrieben habe, die ihrerseits „Beziehungen“ zu einer Person mit „CIA-Verbindungen“ habe.

Später kreuzte Shamir in Moskau auf und versuchte laut Aussage eines Reporters der Zeitschrift „Kommersant“, für 10.000 Dollar Artikel zu verkaufen, die auf dem WikiLeaks-Material basierten. Shamir fuhr weiter nach Weißrussland, wo er sich mit Vertretern des Lukaschenko-Regimes traf. Die Nachrichtenagentur Interfax berichtete, dass Shamir WikiLeaks‘ „russischer Repräsentant“ sei. Darauf angesprochen, beteuerte Assange, dass er mit Shamir nur einen „kurzen Austausch“ gehabt habe. „WikiLeaks arbeitet mit Hunderten von Journalisten aus aller Herren Länder. Sie alle unterschreiben eine Vertraulichkeitserklärung und bekommen nur einen beschränkten Einblick in Material, das für ihr Territorium von Interesse ist.“

Man kann nur spekulieren, welche Interessen Shamir vertrat, als er seine wilden Theorien in die Welt setzte. Den Interessen von WikiLeaks jedenfalls tat er damit keinen Gefallen.

Der Text stammt aus dem Buch „WikiLeaks – Inside Julian Assange’s War On Secrecy“ von David Leigh und Luke Harding (Guardianbooks, ca. 12 Euro, erhältlich u.a. bei Online-Händlern wie Amazon.de). Übersetzung des Abdrucks im Heft: Bernd Gockel.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates