Dexys derber Dandy

Der Hamburger Soul-Rebell Jan Delay hat das Polit-Onkel-Image satt, legt ein Tänzchen ein - und duettiert im Atlantic mit Udo Lindenberg

Du hast mich in meinem Kinderzimmer interviewt“, kräht Jan Delay gutgelaunt zur Begrüßung. Stimmt, ist das wirklich schon 13 Jahre her? 1993 war Delay gerade mal 17 Jahre alt und die Absoluten Beginner hatten noch nicht einmal ein Album draußen. Nur einen bemerkenswerten Song auf der Compilation“Kill The Nation With A Groove“. In „K.E.I.N.E.“ plärrten die drei Hamburger noch etwas ungelenk, aber sehr begeistert, die inzwischen gerichtlich verbotene, auf die Punk-Band Slime zurückgehende Zeile ,Wir woll’n keine Bullenschweine!“ Es war die Zeit der Wohlfahrtsausschüsse und der politischen Rezeption von HipHop. Über den Advanced Chemistry-Song „Fremd im eigenen Land“ wurde damals so leidenschaftlich diskutiert wie heute über Flers „Neue Deutsche Welle“.

Vieles hat sich seitdem geändert, auch im HipHop. Doch Jan Delay und die Absoluten Beginner sind trotz ihres großen Erfolgs noch immer beim Hamburger Buback-Label, dessen Geschäfte inzwischen nicht mehr der ehemalige Goldene Zitronen-Schlagzeuger Ale Sexfeind führt, sondern der Maler Daniel Richter. Der Produzent von Delays zweitem Solo-Album „Mercedes Dance“ ist wie vor 13 Jahren – noch immer Mathias Arfmann.

Im Moment lümmelt sich Eimsbüttels berühmtester Sohn, ganz in Weiß, in einer Suite des feinen Hotels Atlantic. Der Major-Vertriebspartner Universal kann es sich vermutlich leisten. Der von Delay für das „Pop 2000“-Projekt gecoverte Nena-Song „Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann“ war ein kapitaler Hit, und das Album „Searching For The Jan Soul Rebels“ lief ebenfalls famos- trotz seiner kontroversen Preisungen der „Söhne Stammheims“. Dass Delay im Atlantic Interviews gibt, hat allerdings auch mit einem dort wohnhaften Idol zu tun: „Udo (Lindenberg) hat mich auf die Idee gebracht. Ich find das hier einfach derbe entspannt, derbe cool und nicht so spießig wie im Vier Jahreszeiten.“

Udo, der alte, und Jan, der junge Wortklauber, singen auf „Mercedes Dance“ zusammen den Song „Im Arsch“ – ein sehr entspannter Dialog der Generationen. Auch Rio Reiser wird mit einer Coverversion von „Für Dich“ gehuldigt: „Durch meine Eltern habe ich viel gute Musik kennen gelernt, aber fast immer mit englischen Texten, da hab ich kein Wort verstanden. Die Rio-Reiser-Singles kannte ich allerdings damals schon. ‚König von Deutschland‘ und ,Alles Lüge‘ fand ich aber doof, das hat mich einfach nicht so richtig geflasht.“

Delay ist ein König der Jugendsprache, und seine Kappe sitzt stets im lässig idealen Neigungswinkel des geborenen Ober-Stylers. „Mercedes Dance“, sagt er, würde seine kompletten 30 Lebensjahre umfassen: „Alle Erfahrungen, Fehler, Dummheiten, die ich gemacht habe, stecken dadrin.“Auf die kämpferische Pose hat der Mann mit der Nasenstimme jedoch verzichtet: „Ich wollte mit dieser Platte ein bisschen weg von dem Polit-Onkel-Image, dem Mann mit dem Zeigefinger. Ich habe mich ohnehin nie so gesehen. Doch es ist wohl egal, ob man die Dinge in Wortspiele verpackt oder klar beim Namen nennt: Man landet schnell in einer bestimmten Ecke, wenn man zu den Wenigen gehört, die das überhaupt versuchen.“

Diesmal sollte es also eine „Tanzplatte“ werden. Eine mit Bläsern, die an Dexys Midnight Runners erinnern, und reichlich tiefergelegten Funk-Bässen. Sehr souverän klingt das und ganz und gar nicht mehr nach einem vollgestellten Kinderzimmer.

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