Die Abstauberin

Das Rauschen im Blätterwald. Das Reiben trockener Plattenfirmen-Manager-Hände. Das Knacken alter Plattentruhen-Besitzer-Knochen. Tausendfach verstärkt. Ein ohrenbetäubender Lärm!

Man kann die Musik gar nicht mehr richtig hören, so laut ist es um die 23-jährige Waliserin Amy Duffy geworden. Ihren Vornamen lässt sie übrigens lieber weg, damit man sie nicht mit einer anderen Amy in Verbindung bringt, der sie musikalisch ein bisschen ähnelt. Aber um Musik geht es ja bei ihrer Namensvetterin schon lange nicht mehr. Bei Duffy dagegen schon. Nach ihrer ersten Single „Rockferry“ fühlten sich nicht wenige Sixties-Sozialisierte an ihre Jugend, Musikmanager an bessere Zeiten und junge Menschen an eben diese andere Amy erinnert.

Im „Sound of 2008“-Poll der BBC wählte man Duffy hinter der 19-jährigen Songwriterin Adele auf Platz 2. Und die britische Presse begann, uns die Geschichte vom unschuldigen Mädchen zu erzählen, das jenseits von Plattenläden im kleinen walisischen Kaff Nefyn aufwuchs. Einzige Verbindung zur Außenwelt: das Küchenradio, dem sie lauschte, während Mutter bügelte. Mit großen Augen berichtet die sommersprossige Duffy noch heute von ihren ersten musikalischen Entdeckungen: „Unchained Melody“ von den Righteous Brothers, „Teil Laura I Love Her“ von Ray Peterson…

Wenn man sie so dasitzen sieht in ihrer schwarzen Strickjacke oder beobachtet, wie sie sich in den Videos zu „Rockferry“ und der neuen Single „Mercy“ inszeniert, könnte man tatsächlich glauben, sie habe Songs, Haltung und Garderobe aus einer fernen Zeit stibitzt. „I don’t like things to date“, lacht sie. „Das gilt für meine Musik genauso wie für meine Klamotten. Ich kaufe gerne klassische Sachen.

Wenn ich mit meiner Zwillingsschwester shoppen gehe, sucht sie sich Sachen aus, die gerade total in sind — knallbunt, mit irgendwelchen schrägen Motiven drauf. Und ich kaufe meist irgendwas in Grau — eine Strickjacke oder einen schönen Pullover, den ich auch in fünf Jahren noch tragen kann.“

Mit anderen Worten: Der neokonservative Sixties-Retro-Stil, für den sie musikalisch wie optisch steht, ist ihr eigener? „(Seufzt) In den Neunzigern war es so, dass die Industrie das gesamte Image eines Künstlers konzipiert und fabriziert hat – aber die Zeiten sind lange vorbei. Die Leute sind ja nicht blöd, die entlarven das sofort. Alles was ich tue, soll reflektieren, wer ich wirklich bin.“

Die ständigen Vergleiche mit Dusty Springneid nerven sie da ein bisschen: „Das schreiben die doch nur, weil ich weiß und blond bin“, schüttelt sie energisch den Kopf. „Dustys Stimme erinnert mich an Hitze – ein Feuer. Sie klang viel reifer als ich. Ich bin noch sehr jung, und das hört man auch. Das ist authentisch.“ Anzunehmen, im Pop sei irgendwas authentisch, ist natürlich ungefähr so, als würde man einen Zylinder kaufen und glauben, die Hasen, die man daraus hervorzaubern kann, seien da schon drin. Das wissen auch Jeanette Lee und Geofi Travis, die Gründer des Rough Trade-Labels, die Duffy unter ihre Fittiche nahmen und sich um ihr Management kümmerten. Sie holten ihren Schützling nach London und brachten ihn mit dem Ex-Suede-Gitarristen Bernard Butler und dem James-Blunt-Produzenten Jimmy Hogarth zusammen. So entstanden die meisten Songs für ihr erstes Album „Rockferry“. Jimmy Hogarth und ich sind in der Zeit gute Freunde geworden“, erklärt Duffy ernst. „Er kannte all meine Verletzlichkeiten, und ich habe mich in seinem Beisein als eine bessere Songwriterin empfunden, als in den Momenten, in denen ich mit Bernard Butler im Studio war.“ Butler habe auf Spontaneität gesetzt, sie herausgefordert und provoziert, so Duffy. „Es war sehr aufregend mit ihm“, lacht sie. „Er hat mich dazu gebracht, extreme Dinge zu tun. Er ist halt ein echter Künstler, und es hat ihn nicht interessiert, woher ich komme oder wie alt ich bin.“

Und es gibt tatsächlich einige Songs auf „Rockferry“, die die Zeit zurück zu drehen scheinen und einen all diese Informationen vergessen lassen.

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