Die Acts des Hurricane / Southside 2011: Foo Fighters im Interview

Ab sofort stellen wir jeden Mittwoch einen Act des diesjährigen Hurricane / Southside vor. Los geht's mit dem Headliner: Dave Grohl und seinen Foo Fighters. Torsten Groß sprach mit der Band.

In diesem Jahr finden die Festivals Hurricane und Southside am Wochenende vom 17. bis zum 19. Juni statt – präsentiert vom ROLLING STONE. Wir stellen ab sofort jede Woche in aller Ausführlichkeit einen Act des Line-ups vor – die großen ebenso wie die kleinen. Außerdem werden wir demnächst einige Tickets verlosen.

Los geht unsere Reihe mit einem der Headliner: den Foo Fighters. Torsten Groß sprach für unsere aktuelle Ausgabe mit der Band über anstehende Festivals, vergangene Zeiten, und das Wahren des gesunden Menschenverstandes auf Tour . Wir haben sozusagen die „extended version“ des Interviews, das sich im Aprilheft findet.

Die Foo Fighters veröffentlichen am Freitag ihr neues Album „Wasting Light“, das man bereits bei uns im Stream hören kann.

Dave Grohl, wie fühlt man sich so als offiziell, vom NME geadelter „god like genius“?
Dave Grohl: Geschmeichelt. Es gibt ja diesen schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn, ist doch schön, nun offiziell bescheinigt zu kriegen, zu welcher Richtung ich tendiere. Zumal ich die meiste Zeit über anderer Meinung bin. (lacht) Im Ernst: Ich habe mich informiert, wem der Preis in den letzten Jahren sonst noch so alles verliehen wurde, und ich würde sagen, ich befinde mich in bester Gesellschaft. Eine Menge Leute, für die ich großen Respekt habe. Aber nun ja, so ein Preis… In the end I’m just a fucking musician.

Für Ihr neues Album „Wasting Light“ arbeiteten Sie zum ersten Mal seit „Nevermind“ von Nirvana wieder mit dem Produzenten Butch Vig zusammen, wie kam es dazu?

Grohl:
Nun, Butch und ich kennen uns seit 20 Jahren, sind gute Freunde und hatten die ganze Zeit über Kontakt, da wir uns in den gleichen Kreisen bewegen. Den Plan, mal wieder was zusammen zu machen, gab es eigentlich immer, aber irgendwie hat es sich nie ergeben. Vergangenes Jahr nahmen wir dann zusammen mit Butch zwei Bonus-Tracks für unser Greatest-Hits-Album auf – und da habe ich erst wieder gemerkt, wie gut es passen könnte, mit ihm eine Foo-Fighters-Platte zu machen. Mit Nirvana damals war es eine ganz simple Nummer: Wir nahmen „Nevermind“ in nur zwei oder drei Wochen ohne großen Aufwand auf, hatten vielleicht zwei bis drei Gitarrenspuren pro Song zur Verfügung. Aber er hat es irgendwie geschafft, diese Songs so wahnsinnig mächtig klingen zu lassen. Als wir nun zusammenarbeiten, hat sich sein enormes Händchen für Komposition, Arrangement und die Fähigkeit, die Dinge auf das Wichtigste zu reduzieren, enorm ausgezahlt. Seine Herangehensweise entsprach genau dem, was ich für diese Platte im Kopf hatte.

Und da waren Sie nun: Zum ersten Mal seit 20 Jahren in einem Raum mit Butch Vig und dem Nirvana-Bassisten Krist Novoselic, der auf einem Song gespielt hat. Ausgerechnet zum 20. Jubiläum von „Nevermind“. Seltsames Gefühl?

Grohl:
Seltsam war es nicht unbedingt. Ich glaube, wir drei hätten nicht unbedingt diese Art von Zusammenführung gehabt, wenn  wir nicht die einmalige Gelegenheit ergriffen hätten, die sich aus der Zusammenarbeit mit Butch ergab. Irgendwie hätte es sich falsch angefühlt, mit Butch zu arbeiten, ohne Krist anzurufen. Das war eher eine persönliche als eine musikalische Sache. Ich weiß gar nicht mehr, ob die Nummer schon fertig war oder was auch immer, es ging jedenfalls nicht darum, ihn unbedingt dabeizuhaben, um den Song musikalisch nach vorne zu bringen. Es war mehr so: Hey, komm doch vorbei und lass uns ein bisschen zusammen abhängen wie früher. Ich bin mir natürlich der Tatsache bewusst, was das für viele Leute für eine Bedeutung hat, aber für mich war das wichtig. Butch und ich haben beide unsere Lebensweise massiv verändert, nachdem dieser ganze Wahnsinn damals passiert ist. Mit „Nevermind“ hat alles angefangen … Wir beide hatten auf unsere Weise seitdem wahnsinnig großen Erfolg und sind immer noch hier. Und nun saßen wir wieder zusammen: in einer Garage, mit einer alten Bandmaschine und haben so gearbeitet wie früher … 

Was haben denn ihre Frau und die beiden Töchter dazu gesagt, monatelang einen Haufen wilder Typen im Haus zu haben?

Grohl: Wir haben ja diese Doku über die Produktion gedreht und als es darum ging, alle Leute aufzuschreiben, die für die Entstehung dieser Platte wichtig waren, war der Satz: „Thanks to Jordyn, my wife, for letting us borrow her house for three months“ so ziemlich der wichtigste. Es ist witzig: Hier im Hotel haben sie die gleiche Kaffeemaschine wie wir zuhause. Als ich heute morgen Kaffee machte, musste ich gleich an meine fünfjährige Tochter Violet denken, die sich während der Aufnahmen beinahe zu so einer Art Kaffee-Kellnerin entwickelt hatte. Morgens kam sie stets ins Studio und fragte: „Okay, wer will alles Kaffee“? Sie hat uns tatsächlich jeden Morgen Kaffee mit dieser Maschine gemacht. Die Kinder fanden es toll. Sie nannten die Jungs nur „die Arbeiter“. „Papa, kommen die Arbeiter heute wieder?“ (lacht)

Im Zusammenhang mit den Foo Fighters fällt bei Ihnen häufiger der Begriff Familie, wie stellen Sie sicher, dass bei all den anderen musikalischen Aktivitäten, denen Sie alle sich widmen, der Zusammenhalt zwischen Ihnen fünf erhalten bleibt?
Taylor Hawkins: Das ist gar nicht nötig, deshalb ist es ja eine Familie. Es ist egal, wie lange wir uns nicht sehen, alles, was uns verbindet, ist automatisch da, wenn wir zusammen in einem Raum sind. Jeder von uns hat seine Beziehungen, sein eigenes Leben und so weiter, aber wenn wir zusammen sind, verschmelzen wir miteinander wie die einzelnen Stücke einer großen, saftigen Pizza.

Als Sie vor einigen Jahren nach einer Drogen-Überdosis einige Wochen im Krankenhaus lagen, hat Dave Grohl Sie täglich besucht und beinahe ununterbrochen an ihrem Bett gewacht, vermutlich hat das das Verhältnis zwischen Ihnen beiden zusätzlich verstärkt …
Hawkins:
Keineswegs, ich hatte so die Schnauze voll davon, dass er da die ganze Zeitabgehangen hat … (lacht) Nein: Klar, das war eine ganz wichtige Zeit.

Grohl: Ich war total geschockt und dachte nur, nicht schon wieder, bitte nicht noch mal diese Scheiße.

Vergänglichkeit und Sterblichkeit sind wiederkehrende Motive in den Songs des neuen Albums. Sie alle sind um die 40 oder älter, wie sehr beschäftigen Sie sich mit derartigen Fragen?
Grohl:
Ich hatte niemals große Angst vor dem Tod – bis ich etwas hatte, für das es sich zu leben lohnt. Als ich jung war, dachte ich eigentlich zu jeder Zeit, ich hätte höchstens noch zwei Jahre zu leben. Als ich 14 war, dachte ich, ich sterbe mit 16. Mit 16 dachte ich, ich werde niemals lange genug leben, um den Führerschein zu machen. Und plötzlich hatte ich einen Führerschein …. Also ging ich nun davon aus, dass ich sterben werde, bevor ich Alkohol trinken darf. Nun: Jetzt sterbe ich wahrscheinlich bei einer Trunkenheitsfahrt (lacht) Nein, der Todgehört zum Leben, der Gedanke an ihn hat mich von jeher beschäftigt.

Gibt es in diesem Zusammenhang einen Punkt, an dem Ihre Karriere mit den Foo Fighters zu einem natürlichen Ende kommen könnte? Ich meine, wie lange kann man diese Art von harter Rockmusik spielen?
Grohl:
Nun, es gibt nicht besonders viele 85-Jährige, die in einer Rockband spielen, das sollte man vermeiden.
Chris Shifflet: Hast du Mick Jagger bei den Grammys gesehen? Das war verdammt inspirierend!
Grohl: Allerdings! Was für eine Energie! Aber das ist der Punkt: Wenn du in diesem Alter bist, interessiert es die Leute nicht mehr, was du tatsächlich machst oder wie deine Musik klingt. Sie bewundern dich nur noch dafür, dass du überhaupt noch da bist. „Was für eine Energie, hast du das gesehen, jetzt ist er gesprungen, oh mein Gott, er kann kein Mensch sein.“ (lacht)

Nach so vielen Jahren in dieser Branche hat man bei Ihnen das Gefühl, dass es Ihnen besser als anderen gelungen ist, sich ihre geistige Gesundheit und Ausgeglichenheit zubewahren. Wie bringen Sie das zustande, woher nehmen Sie das?

Grohl:
Ich denke, wir haben Glück, da wir arbeiten können, wann immer wir Lust dazu haben, weil wir in dieser privilegierten Situation sind. Wenn uns alles zu viel wird, fahren wir heim. Haben wir keine Lust mehr, zu Hause rumzusitzen, geht‘s wieder los. Wir sind ziemlich gut darin, Pausen einzulegen und uns nicht zu überlasten. Wir alle wissen diese Situation zu schätzen und wissen, dass es alles ganz anders hätte kommen können. Die Karriere dieser Band hat sich sehr langsam entwickelt und wir haben alle große Erfahrung in diesem Geschäft.

Hat es vielleicht auch ein bisschen damit zu tun, dass Sie alle bis auf Taylor Hawkins aus der Hardcore- und Punk-Szene kommen, wo ein großes Rockstar-Ego traditionell wenig geschätzt wird?
Grohl:
Vielleicht liegt es auch daran. Man kann sich jedenfalls nicht vorstellen, dass jemand wie Kanye West eine Ahnung davon hat, was es bedeutet, auf Tourneen Salat stehlen zu müssen, weil man Hunger hat und abgebrannt ist. Solche Erfahrungen prägen einen. Sie sorgen dafür, dass wir tiefe Dankbarkeit empfinden für das, was wir tun dürfen.

20 Jahre nach „Nevermind“ – wie beurteilen Sie im Rückblick die sogenannte Grunge-Ära und alles, was damals passiert ist.
Grohl:
Ich vermisse einiges an den frühen Neunzigern …
Hawkins: Vor allem den Umstand, dass damals zu jeder Zeit mindestens sieben Rock’n’Roll-Platten in den Top-20 waren. Heute ist man ja froh, wenn sich überhaupt irgendwas, das auch nur ansatzweise mit Rock‘n‘Roll zu tun hat, in die Nähe der Charts verirrt. Ich hatte kein Geld, war noch kein professioneller Musiker … eine aufregende Zeit. Alle paar Wochen erschien eine neue Helmet-Platte oder Porno For Pyros, Nirvana, was auch immer. So stelle ich mir die frühen Siebziger vor. Dieser Rieseneinfluss interessanter Rockmusik. Scheiß auf Grunge, das war nur ein Label für alte Leute. Was etwa hatten Pearl Jam mit Nirvana zu tun? Außerdem habe ich den Umstand geschätzt, dass man damals wie ein kompletter Vollidiot rumlaufen konnte, ohne dass es jemand gestört hätte. 

Denken Sie oft an Kurt Cobain, Mr. Grohl?

Grohl: Ich denke ständig an ihn, jeden einzelnen Tag. Wir waren Kids, als die ganze Nummer mit Nirvana losging. Ich war 20! Eigentlich zu jung für diesen ganzen Wahnsinn. Trotzdem ist das natürlich für jeden die aufregendste Phase des Lebens. Man entwickelt seine Persönlichkeit, lernt das Leben kennen, jeden Tag passiert irgendwas Neues. Sehr komisch, wenn diese wichtige Entwicklung parallel zu so einer Geschichte abläuft, wie wir sie damals mit Nirvana hatten. Trotzdem: Wenn ich an Nirvana und Kurt denke, denke ich nicht an die dunklen Seiten, sondern an die tolle Zeit, die wir hatten. Das vergessen die Leute oft.

Bereits beim letzten Mal erzählten Sei mir, dass das öffentliche Bild von Cobain nicht unbedingt der Wirklichkeit entspricht … 

Grohl: Kurt war ein wahnsinnig witziger Typ, wir hatten eine Menge Spaß. Richtig schlimm wurde es erst am Ende. Erinnern Sie sich zum Beispiel an die T-Shirts! Als ich Nirvana beitrat, hatten sie die witzigsten T-Shirts der Welt, und die hat alle Kurt entworfen.

Sie haben mit allen möglichen Musikern gearbeitet, kamen mit Nirvana und den Foo Fighters zu Weltruhm, gibt es da noch irgendwelche Ziele und Träume für die Zukunft?
Hawkins: Orgien. (lacht)
Grohl: Er hat recht, das fehlt. Gute Antwort!
Shifflet: Wie viele Leute braucht man für eine Orgie? Ich meine, wenn man zu dritt ist, ist es dann schon eine Orgie?
Grohl: Nein, das ist ein Dreier. Es müssen auf jeden Fall mehr als drei Leute sein!

Sie sind diesen Sommer zu Gast beim Hurrinane/Southside-Festival, was war ihr größter Rock’n’Roll-Moment im Rahmen dieser Sommerfestivals?
Pat Smear: Der lustigste Moment war auf jeden Fall, als du für deine Frau einen Lapdance aufgeführt hast, Dave.
Grohl: Oh mein Gott, wann war das? Aber ja, ich gebe es zu: Ich führe bisweilen einen Lapdance auf.
Hawkins: Wisst ihr noch, als wir beim V-Festival diese Golfkarren geklaut haben? Damals, als wir noch jung waren. (lacht) Wir hatten eine Flasche Tequila getrunken, sind komplett durchgedreht, in dieser Karre durch die Gegend gefahren und haben die ganze Einrichtung zerstört. Sie hatten sich so viel Mühe mit der Herrichtung des Backstage-Bereichs gemacht und alles schön gestaltet, damit wir uns wohlfühlen konnten. Und wir fahren durch die Gegend wie die Berserker und fahren alles zu Schrott.
Grohl: Das ist aber nicht der beste Teil der Geschichte. Plötzlich kommen zehn gelbgekleidete Security-Typen auf uns zu, und was macht Taylor? Springt aus dem Auto und rennt weg. Also stand ich da, alleine mit zehn Security-Typen, danke schön!

Was schmeißen die Leute bei Foo Fighters-Konzerten auf die Bühne?
Grohl: Demos, CDs, alles Mögliche. Gerade wieder letzte Woche in London: Drei Stunden stand ein Typ in der ersten Reihe und wedelte die ganze Zeit mit seiner CD vor meinem Gesicht rum. Drei verdammte Stunden lang. Irgendwann hat er sie dann geworfen und ich konnte mich gerade noch ducken, sonst hätte ich sie ins Gesicht gekriegt. Ich möchte also diese Gelegenheit nutzen, um zu sagen: Leute, wenn ihr eure CDs auf die Bühne werft, dann schmeißt sie uns bitte nicht ins Gesicht!

Wie groß ist die Konkurrenz zwischen den auftretenden Bands hinter der Bühne?
Shifflet:
Natürlich wollen wir immer die beeindruckendste Show abliefern, aber man geht nicht los und sagt: „Heute wollen wir die Strokes fertig machen!“. Die meisten Leute kennt man ja und freut sich, sie zu sehen. Man konzentriert sich auf seinen Auftritt und versucht, sein Bestes zu geben.

Alle Infos zu beiden Festivals gibt es auf www.hurricane.de und www.southside.de.

Bisher bestätigt auf dem Hurricane / Southside:
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