Die Erfindung des Wohlfühlsounds: Wie Soft-Rock in den 70ern die Welt eroberte

Ein schillernder Ausflug in die große Zeit der kalifornischen Singer/Songwriter und ein intimer Blick auf die genialistische, alkohol- und koksgeschwängerte Studiocrew The Section.

Nenn es „Yachtrock“, „Summer of Smooth“ oder einfach Soft-Rock. Ein kontroverses Genre der Siebziger, das gleichzeitig Millionenhits und Verachtung hervorgebracht hat. Rocker (und später die Punks) haben den perfekt produzierten Wohlfühlsound gehasst. Aber heute gibt es Dutzende junger Bands, die die fließenden Westcoast-Harmonien in die Jetztzeit tragen. Aber wo kommt er her?

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Zum Ende des Jahrzehnts war Gitarrist Waddy Wachtel davon überzeugt, allen Untiefen der menschlichen Psyche begegnet zu sein. Er war pünktlich zu morgendlichen Sessions erschienen, nur um dort einen desolaten, bereits volltrunkenen Warren Zevon anzutreffen. Er wurde Zeuge, wie Jerry Brown, damals kalifornischer Gouverneur und Boyfriend von Linda Ronstadt, aus einem Zimmer voll kiffender Rocker stolperte. Er kam nach einem Carole-King-Konzert von der Bühne, um in eine Schlägerei mit Kings Lebensgefährten verwickelt zu werden. Doch auf die Psycho-Macken, die James Taylor an den Tag legte, war selbst Wachtel nicht vorbereitet.

Peaceful easy feeling

Wenn jemand das „peaceful easy feeling“ der 70er-Jahre personifizierte, dann war es Taylor -der Prototyp des ernsthaften Singer/Songwriters, der mit introvertierten Balladen und seinem bescheidenen Bühnengebaren den Zeitgeist verkörperte. Natürlich schwärmte die Damenwelt von „Sweet Baby James“ und diesem sensiblen Mannsbild auf dem Cover, doch selbst die Männer konnten sich mit Taylors unaufdringlicher Maskulinität identifizieren. Und die amerikanischen Radiostationen überschlugen sich dabei, Hits wie „Handy Man“ und „You’ve Got A Friend“ in den Äther zu jagen.

Aber wie Wachtel auf seiner ersten Taylor-Tournee 1979 erfahren musste, verbarg sich hinter der liebenswerten Fassade eine andere, weitaus problematischere Person. Taylor kämpfte mit Alkohol und harten Drogen. Seine Ehe mit Carly Simon stand auf der Kippe. Ihr zweijähriger Sohn Ben wurde von ständigen Fieberanfällen heimgesucht. Das erste Warnsignal registrierte Wachtel bereits vor der Tournee. Die Musiker hatten sich in einer texanischen Bar versammelt, um auf die anstehende Tour anzustoßen. Als Taylor zu einem Toast ansetzen wollte, kippte er erst einmal zwei randvolle Martinis. „,Oh oh oh‘, dachte ich.,Das sieht nicht gut aus.'“

Auf der Busfahrt in die nächste Stadt hing Taylor schon morgens an der Flasche. Bei einem Gig hatte sich Wachtel auf der Bühne den kleinen Zeh gebrochen und fragte, ob er aus Taylors umfangreichem Arsenal vielleicht ein Schmerzmittel bekommen könne. Es dauerte lange, bis Taylor zustimmte – und selbst dann musste Wachtel ihm die Pille sprichwörtlich aus dem Mund reißen. Einmal saß er mit Taylor auf dem Rücksitz einer Limousine, als sie ein Maut-Stelle passierten. Die weibliche Angestellte erkannte Taylor und bat um ein Autogramm. Taylor, wieder einmal sichtlich derangiert, kritzelte etwas auf ein Stück Papier und reichte es der Frau. Wachtel konnte gerade noch lesen, was Taylor geschrieben hatte:“You bitch, I’ll kill you -James Taylor.“

Es war letztlich eine verdammt harte Zeit

Als uns Wachtel in seinem Heimstudio im San Fernando Valley empfängt, muss er herzhaft lachen, als er die Anekdote erzählt. Trotz seiner 65 Jahre hat er sich seit den Siebzigern kaum verändert. Mit den runden Brillengläsern und der schmächtigen Statur wirkt er noch immer wie der freundliche Bibliothekar, der im Inneren seines Herzens der alte Hippie geblieben ist. „Es ging damals ganz schön heftig zur Sache“, sagt er. „Es war letztlich eine verdammt harte Zeit.“

Der Singer/Songwriter-Sound – nicht zuletzt von Taylor, Jackson Browne, Carole King und Crosby, Stills &Nash repräsentiert -sollte die Charts und Radiowellen der Siebziger dominieren. Und die meisten dieser Acts – zu denen auch Warren Zevon, Linda Ronstadt, Joni Mitchell und andere zählten – griffen dabei stets auf eine kleine Gruppe Sessionmusiker zurück, die den präzisen, locker rollenden Rock dieser Ära prägten.

Jeder, der damals die Liner Notes auf der Cover-Rückseite studierte, wird mit den Namen bestens vertraut sein: Gitarrist Danny Kortchmar, Drummer Russell Kunkel, Bassist Leland Sklar und Keyboarder Craig Doerge -gemeinhin auch als The Section bekannt -, erweitert noch um Waddy Wachtel und David Lindley, der vor allem für exotische Saiteninstrumente zuständig war. In allen nur erdenklichen Kombinationen sind sie auf den Aufnahmen zu hören, die den Sound dieser Jahre prägten: Kings „It’s Too Late“ und „Sweet Seasons“, Taylors „You’ve Got A Friend“ und das Remake von „How Sweet It Is (To Be Loved By You)“, Brownes „Doctor My Eyes“, Zevons „Werewolves Of London“, Ronstadts „Poor Poor Pitiful Me“, Joni Mitchells „Carey“ und die Alben „Mud Slide Slim And The Blue Horizon“ und „JT“ von James Taylor oder Jackson Brownes „Running On Empty“ und „Hold Out“.

„Sie waren einfach die Besten“, sagt David Crosby, der gleich die komplette Truppe als Begleitung für sein Crosby &Nash-Projekt engagierte. Für Crosby, der noch die vorherige Generation von L. A.-Sessionmusikern kennengelernt hatte, waren Kortchmar & Co. ein völlig neuartiger Typus: intuitive Vollblutmusiker, die den Zugang zum emotionalen Gehalt eines Songs suchten und auch fanden. „Sie spielten nicht nur stumpfsinnig ihre Instrumente“, sagt Crosby, „und das war ein gravierender Unterschied. Ihre Einstellung katapultierte sie auf ein völlig neues Niveau. Es hieß plötzlich nicht mehr:,Aha, die nächste Nummer spielen wir also nun in B-Dur.'“

Für Rockmusiker der damaligen Generation lieferten Alben wie „Running On Empty“ einen neuen Qualitätsstandard. „Es war eins meiner absoluten Favoriten“, erinnert sich Dawes-Drummer Griffin Goldsmith, der die Songs einstudieren musste, als er einmal mit seiner Band Jackson Browne auf Tour begleitete. „Diese Songs selbst zu spielen, war fast schon beklemmend, weil die Aufnahmen so unglaublich gut sind. Sie waren jedenfalls ein Zeugnis, was für großartige Musiker hier am Werk waren.“

Böse Kritiker hingegen sahen in Taylor, Browne oder Crosby, Stills &Nash die generelle Zahnlosigkeit des 70s-Rock -und warfen ihre Begleitmusiker natürlich gleich mit in den Topf. „Wir waren die ,Mellow Mafia'“, sagt Kortchmar -und erinnert sich an einen besonders bösartigen Taylor-Verriss aus der damaligen Zeit. „Lester Bangs schrieb, dass er James eine aufgeschlagene Flasche Billig-Fusel in den Bauch rammen wolle. Was zum Teufel wollte er damit sagen? James tat nichts anderes, als ,Fire And Rain‘ oder ,Country Roads‘ zu singen und sich mit Jesus und anderen Menschheitsfragen zu beschäftigen.“

„Ich verstehe ja, dass man für alles ein Etikett braucht“, meint Kunkel, „aber es war alles andere als mellow, wenn wir mit Warren Zevon spielten oder auf ,Running On Empty.'“

Die Invasion der aufrechten Singer/Songwriter

Wie die Musiker, die sie engagierten, waren The Section eigenwillige, manchmal durchaus komplizierte Charaktere: Kortchmar war der geborene Rocker, fast so etwas wie die Laurel-Canyon-Version von Al Pacino; Sklar versteckte sich hinter einem überdimensionalen Vollbart, während Kunkels Halbglatze mit Rest-Matte genauso unverkennbar war wie ihre Musik. Und selbst wenn die Musik auf diesen Platten laid back war, so ging es hinter den Kulissen alles andere als soft zu. „Wenn ich an die Alkoholexzesse im Studio denke und daran, wie wir mitten in der Nacht angeknallt nach Hause fuhren, wundere ich mich, dass wir überhaupt noch leben“, sagt Wachtel. „Damals konnte man halt noch auf den Putz hauen.“

Von Anfang an war „quiet“ das bestimmende Mantra. Ende 1969 fanden sich Kortchmar und Kunkel in Peter Ashers Haus in Los Angeles ein, um Songs für Taylors zweites Album einzustudieren. Asher war Taylors Manager und Produzent und wollte nicht mehr den überproduzierten Ballast, der Taylors Apple-Debüt zum Verhängnis geworden war. Er wünschte sich ein reduziertes, organisches Soundformat, das Taylors Stimme und Material nicht unnötig in den Hintergrund drängte.

Rock-Drummer Russ Kunkel aus Long Beach wurde von Asher hinters Schlagzeug gesetzt, während Carole King am Piano saß, die zu diesem Zeitpunkt ihrer Post-Brill-Building-Karriere noch primär Songschreiberin war und allenfalls mit anderen Musikern jammte. Um Ashers Nachbarn nicht unnötig zu stören, benutzte Schlagzeuger Kunkel Besen statt Stöcke -und auch Kortchmar bemühte sich um eine zivilisierte Lautstärke. Das Resultat war ein „intimer und doch substanzieller Bandsound“, sagt Kortchmar. Ein idealer Rahmen für Taylors unaufgeregte Stimme und dezente Gitarrenarbeit.

In der gleichen Besetzung ging man anschließend ins Studio und nahm innerhalb weniger Tage „Sweet Baby James“ auf. Das noch unter dem Schock von Altamont und Manson stehende Publikum schätzte das ausgeruhte Album. Es klang nach Neubeginn. Und wurde ein Überraschungserfolg. Kunkel hörte von Taylors unerwartetem Hit, als er zufällig in Ashers Büro reinschaute. „Peters Sekretärin flippte völlig aus“, erzählt Kunkel, „,Fire And Rain‘ ist gerade auf Nummer eins geschossen!‘, rief sie. Die Nummer lief im Radio rauf und runter.“

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Die Invasion der aufrechten Singer/Songwriter, die bereitwillig dem Publikum ihr Herz ausschütten, hatte begonnen – und Kunkel und Kortchmar saßen natürlich in der ersten Reihe. Carole King engagierte sie umgehend für „Tapestry“, den nächsten Meilenstein des Soft-Rock. „Diese Jungs mussten sich einen neuen Song nur ein paar Mal anhören und konnten gleich einsteigen“, sagt King, die mit Kortchmar bereits früher bei The City gespielt hatte. „Beim dritten Durchlauf lief bereits das Aufnahmegerät.“

Seine reduzierten Riffs -offenkundig von seinem Vorbild Steve Cropper geprägt -beschreibt Kortchmar mit knappen Worten: „Sie müssen simpel und songdienlich sein. Tritt dem Sänger nie auf die Füße.“ Kunkel machte sich nicht nur mit seinem dezenten Drumming einen Namen, sondern auch mit seinem Wunsch, vor einer Aufnahme erst die kompletten Lyrics lesen zu wollen. „Ich wollte ein Gefühl dafür bekommen, was der betreffende Songschreiber rüberbringen will“, sagt er. „Eine Lovestory braucht kein wildes Gebolze. Ich fragte mich stattdessen, wie ich so eine Story abrunden konnte.“

Toningenieur Bill Halverston, der viele der Aufnahmen betreute, erinnert sich: „Sie waren weit mehr als die typischen alten Sessionhasen, die man für genau drei Stunden bucht und möglichst wenig stören darf.“ Die Musiker wiederum waren motiviert, weil Asher ihre Namen bei den Album-Credits auflistete -was zur damaligen Zeit keineswegs selbstverständlich war. Als Taylor auf Tour ging, stieß ein Musikstudent namens Leland Sklar hinzu, dessen flüssiger Bass perfekt zu Taylors intimen Songs passte. Das Quartett, von Taylor auf den Namen The Section getauft (kurz für „rhythm section“), war komplett, als Pianist Craig Doerge Carole King ersetzte.

Carole King brachte ihre Kinder zu den „Tapestry“-Sessions mit

Sklar und Kunkel arbeiteten parallel mit einem neuen Songschreiber aus Orange County, der damals in aller Munde war: Jackson Browne. Doerge erinnert sich, dass er mit Browne einmal den Hollywood Boulevard hinunterlief, wo sich jeder Club-Besitzer und Tätowierer an die großformatigen PR-Fotos erinnerte, die Browne eigenhändig verteilt hatte. Kunkel und Sklar konnten sich jedenfalls schon bald wieder im Radio hören, als nämlich „Doctor My Eyes“ Brownes erster Hit wurde.

Den ersten Erfolgen zum Trotz war die Szene noch entspannt und familiär. King brachte ihre Kinder zu den „Tapestry“-Sessions mit -und Kunkel wurde zu Rate gezogen, als 1971 mit Carly Simon ein weiterer Newcomer im Troubador debütierte. Simon hatte schon von James Taylor gehört, als dieser noch in Martha’s Vineyard an der Ostküste lebte, aber es war Kunkel, der Simon steckte, dass Taylor im Publikum saß. „Ohne Quatsch, jetzt?“, fragte eine leichenblasse Carly Simon. „Klar mein Fehler“, erinnert sich Kunkel. „Ich hatte keine Ahnung, wie krankhaft scheu und aufgeregt sie sein konnte.“ Nach der Show trafen sich Simon und Taylor hinter der Bühne – und Sklar flüsterte Kortchmar zu: „Mrs. Taylor.“ Er sollte recht behalten: Ein Jahr später traten die beiden Songschreiber vor den Traualtar.

Auch wenn sie mit dem Etikett „mellow“ nicht gerade unglücklich waren, gab es durchaus Momente, in denen es selbst Kortchmar und Co. etwas zu tranig wurde. Auf seinen ersten Tourneen bestand Taylor darauf, in einem eigens angefertigten Stuhl auf der Bühne zu sitzen. „Du siehst aus wie ein alter Knacker“, pflegte Kortchmar zu sagen, „beweg deinen Hintern!“ Aber Taylor wollte sitzen – und das nicht nur, weil es der Folk-Tradition entsprach. Der atemberaubende Erfolg von „Sweet Baby James“ und dem Nachfolger „Mud Slide Slim And The Blue Horizon“ hatte ihn völlig aus dem Gleichgewicht gebracht. Die Fans kamen nach dem Konzert hinter die Bühne und erwarteten von Taylor, der selbst in psychiatrischer Behandlung gewesen war, Lebenshilfen für ihre privaten Probleme. Dabei schaffte es Taylor laut Kortchmar „nur mit Ach und Krach durch den Tag“.

Ich warf alles ein, was es nur gab

„Ich richtete mich damals wirklich zugrunde“, sagte Taylor über die frühen Tourneen. „Ich warf alles ein, was es nur gab.“ Vor einem Gig in Chicago musste Asher einen Arzt auftreiben, der Taylor Methadon verschrieb, um ihn für den Auftritt halbwegs fit zu machen. „Wir wussten nie, was am nächsten Abend passieren würde“, so Kortchmar. „Wir kauten an den Fingernägeln und hofften inbrünstig, dass alles gut gehen würde.“

Obendrein waren Kortchmar und Co. auch gezwungen, Taylors Beispiel zu folgen und auf der Bühne zu kauern. „Ich hasste diese Sitzerei, wie ein Haufen alter Fürze“, sagt Sklar. „Laut Asher konnte sich Taylor bei der Band für ein halbwegs ordentliches Tourende bedanken. „Wenn James von der Rolle war, waren sie es, die ihn irgendwie auffingen“, sagt er. „Sie schafften es einfach, immer für ihn in die Bresche zu springen.“ Erst 1975 entschloss sich Taylor, nicht mehr zu sitzen, sondern auf der Bühne zu stehen. Kein Zufall, dass er zu diesem Zeitpunkt auch sein Drogenproblem im Griff hatte. Zumindest vorübergehend.

Dabei konnten The Section durchaus über die Stränge schlagen. 1975 engagierte David Crosby Kortchmar, Kunkel, Doerge und Lindley als Backing-Band für Crosby &Nash. Crosby gab ihnen mehr Freiräume als jeder andere Auftraggeber -vor allem bei den ausufernden Jams zu „Déjà Vu“, die bald das Herzstück ihrer Shows werden sollten. „Ich gab das Motto aus: ,Lasst uns experimentieren'“, erinnert sich Crosby, „und alle sagten nur:,Echt?'“ Kunkel ließ eine Handvoll Münzen auf seine Tom-Toms fallen. Kortchmar und Lindley zauberten Tiergeräusche aus ihren Gitarren, bis Sklar mit seinem Bass einstieg und schließlich Crosby wieder zur Grundmelodie zurückführte. „Sie waren als Musiker so kreativ, wie man es sich nur erträumen konnte“, sagt Crosby. „Man sang ihnen einen Song vor -und ließ ihnen freien Lauf.“

In einem Restaurant auf dem Sunset Strip wurde Crosby eines Abends von einem hageren, bebrillten Gitarristen angesprochen, der ihn mit Fragen löcherte. Robert „Waddy“ Wachtel war in New York geboren, dann mit seiner Band an die angesagte Westküste gezogen. Wachtel schaffte es, in der Szene Fuß zu fassen, nachdem er bei einer Session für „Rocky Horror“-Star Tim Curry einige der Section-Mitglieder kennengelernt hatte. Er wurde in die Band integriert, obwohl er Kortchmar zunächst nicht leiden konnte. „Ich sah seinen Namen auf all den gottverdammten Alben“, erinnert sich Wachtel. „Wer zum Teufel ist dieser Kootch? Ich hasse den Typen.“ Doch die beiden fanden schließlich doch einen gemeinsamen Nenner -und Wachtel wurde engagiert, um mit The Section auf Carole Kings ’76er-Album „Thoroughbred“ zu spielen.

Problematisches Privatleben

Von all ihren Auftraggebern hatte King die konkretesten Vorstellungen. Und sie war auch in der Lage, diese in der männlich dominierten Welt des 70s-Rock durchzusetzen. „Carole wusste genau, was sie wollte“, erinnert sich Kunkel. „Und wenn sie etwas nicht mochte, dann sagte sie das sofort.“ Aber wie Taylor – und Jackson Browne (dessen Frau Phyllis während der Aufnahmen zu „The Pretender“ Selbstmord beging) – hatte auch King ein problematisches Privatleben.

Auf Tournee sah sich die Band gezwungen, mit ihrem damaligen Boyfriend Rick Evers klarzukommen -einem aufbrausenden, muskelbepackten Schönling, der auch schon mal im Knast gesessen hatte. Selbst Jahrzehnte später wundert sich Wachtel über Kings Privatleben. „Ich dachte mir: ,Dieser derbe, kiffende Flanellhemd-Cowboy soll Carole Kings Typ sein?‘ Es passte einfach nicht zusammen.“

Evers sei „ein gefährlicher Psychopath“ und auf die Band krankhaft eifersüchtig gewesen, so Kortchmar. Nach einer Zugabe sei er einmal von der Bühne gekommen und habe „That was fuckin‘ great!“ gerufen -nur um von Evers aus heiterem Himmel niedergestreckt zu werden. „Er erwischte mich voll, weil ich gerade wegschaute.“ Wachtel und Kunkel seien auf Evers gesprungen und hätten auf ihn eingeschlagen, bis sie von anderen Anwesenden zurückgerissen wurden. „Wir waren drauf und dran, das Stück Scheiße umzubringen“, erzählt Sklar, der sich noch immer bei der Erinnerung schüttelt. „Ich liebe Carole aus ganzem Herzen, aber mit einigen Männern in ihrem Leben hatten wir so unsere Probleme.“

King meint dazu rückblickend: „Ich habe damals verstehen gelernt, dass sie charakterlich genauso einwandfrei waren wie als Musiker.“ Was sie freilich nicht davon abhielt, den Stein des Anstoßes ein Jahr später zu heiraten. Evers verstarb allerdings kurz darauf an einer Überdosis Heroin. Die „Mellow Mafia“ wiederum besiegelte ihre Partnerschaft an jenem Abend jedenfalls endgültig. Als er wieder zu Bewusstsein kam, habe Kortchmar Wachtel in die Augen geschaut und gesagt: „Mann, ich sag dir nur eines: Du und ich -Brüder bis ans Ende der Tage.“

Mellow-Mafia

Als der kalifornische Rocksound die USA und die Welt eroberte, spielte die „Mellow Mafia“ oft auf drei, vier Sessions pro Tag – und wurde dafür auch bestens bezahlt. Es gab den doppelten Satz (242 Dollar für dreistündige Sessions, in heutigem Geld also einige Tausend Dollar pro Tag), und als Kortchmar einmal die Leadgitarre für Ronstadts „Hurt So Bad“ einspielte, bekam er einen Bonus von 5.000 Dollar, der ihm im Gitarrenkoffer nach Haus zugestellt wurde. Unter dem Namen The Section nahmen Kortchmar, Kunkel, Sklar und Doerge sogar drei Instrumental-Alben für Warner Brothers und Capitol auf.

Wie ihre Auftraggeber, so waren auch die Backup-Musiker nicht vor den Verlockungen der Siebziger gefeit. Während ihrer Zeit mit Crosby &Nash wurde The Section kurzfristig in „The Mighty Jitters“ umgetauft -eine Anspielung, die jedem Kokser nur allzu verständlich war. „Die Band war ständig sehr, sehr high“, sagt Kortchmar lachend. „Wir waren nur noch druff und aufgekratzt. Das war keine After-Show-Party mehr, sondern eine Party rund um die Uhr.“ Trotzdem kamen die Drogen der Arbeit noch nicht in die Quere. Sein Solo für „Werewolves Of London“ spielte Wachtel in einem einzigen Take ein -um sich dann dem Häufchen Koks zu widmen, das man ihm angerichtet hatte.

Ihr kreativer Höhepunkt -mit oder ohne Pharmazeutika – kam 1977, als sie wieder mit James Taylor ins Studio gingen und „JT“, eins seiner bestverkauften Alben, aufnahmen. Es war Kortchmars Idee, eine aufgeraute, erotisch knisternde Version des Jimmy-Jones-Hits „Handy Man“ von 1960 einzuspielen. Taylor war anfangs wenig begeistert, nach „How Sweet It Is“ eine weitere Coverversion zu veröffentlichen, doch die Band spielte so tight und tough wie nie zuvor.

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Sie hatten kaum Zeit, sich von der anschließenden „JT“-Tour auszuruhen, als Jackson Browne sie für eine Tournee buchte. Der Songwriter hatte eine Idee, die damals relativ ungewöhnlich war: Jede Show sollte aufgezeichnet werden – und das daraus resultierende Livealbum ausschließlich neues Material beinhalten.

Browne war bewusst, dass er dazu die optimale Truppe brauchte, und engagierte – nicht zuletzt auf David Lindleys Drängen – Kortchmar, Kunkel, Sklar und Doerge. Die nicht gerade billig waren. „Bis zu diesem Zeitpunkt konnte ich es mir nicht leisten, mit den Jungs auf Tour zu gehen“, sagt Browne – und um ihnen das Angebot noch schmackhafter zu machen, bot er ihnen ein eigenes Vorprogramm an. „Ich wollte sie unbedingt an Bord zu holen“, so Browne. „Sicherlich die richtige Entscheidung, aber ursprünglich tatsächlich nur ein Köder.“

Auch wenn das Projekt nur auf drei Wochen angesetzt war, sollte die „Running On Empty“-Tour als Highlight der Singer/Songwriter-Bewegung in Erinnerung bleiben. Browne nahm in Bus und Hotelzimmer auf (und mietete die benachbarten Zimmer gleich mit, um Beschwerden zuvorzukommen), Doerge ließ seinen Konzertflügel in einem eigenen Truck anliefern -und der Tour-Rider verlangte nach großzügigen Mengen von Metaxa. Lindley und Doerge räsonierten, ob man besser betrunken oder nüchtern spielen könne. Während Browne eine ganze Ladung Weinflaschen auf die Bühne brachte -und an einem Abend, angefeuert durch das Publikum, sogar die Hose runterließ. In einer nächtlichen Session nahmen Lindley und Browne eine Version von Rev. Gary Davis‘ „Cocaine“ auf – untermalt vom Geräusch des Koks-schniefenden Browne.

Lindley, der wie Sklar Drogen aus dem Weg ging, kultivierte seine eigenen Marotten. Um sich übereifrige Zimmermädchen vom Leib zu halten, imitierte er einen kläffenden Dobermann -und warf sich gerne auch mal von innen gegen die Zimmertür, um die Illusion eines beißwütigen Hundes so realistisch wie möglich zu machen. „Man konnte zuschauen, wie die Zimmermädchen durch den Flur rasten“, so Crosby. „Sie hatten panische Angst, von diesem Untier gefressen zu werden.“ Sklar hingegen war die Freundlichkeit in Person, doch hinter seinem Rübezahl-Bart verbarg sich ein Zyniker mit schwarzem Humor. Er war genervt vom ewigen Drogenkonsum, aber auch von dem, was er als „die organisatorische Hippie-Inkompetenz auf Tour“ bezeichnete. Als einmal der Ersatz für einen defekten Bass-Lautsprecher nicht rechtzeitig eintraf, „rastete ich komplett aus. Wahrscheinlich hätte ich einen Kurs in Anti-Aggressionstherapie machen sollen.“

Wir konnten nicht klagen, auch wenn unsere Groupies nicht immer Schönheiten waren

Wie Taylor zog auch Browne auf Tourneen jede Menge weiblicher Fans an. Doerge und Sklar, beide verheiratet (und noch heute mit den gleichen Frauen zusammen), mussten sich auf kleine Flirts beschränken, während sich der Rest bereitwillig zur Verfügung stellte. „Wir konnten nicht klagen“, sagt Kortchmar, „auch wenn unsere Groupies nicht immer Schönheiten waren. Die Hardrock-Bands waren da im Vorteil. Unsere Fans waren eher verkopft.“

Allen Exzessen zum Trotz schoss die Mellow Mafia auf der Bühne aus allen Rohren. Bei einer Show in Maryland hatten sie nach drei Zugaben ihr gesamtes Repertoire verschlissen – und Browne wollte schon auf die Bühne, um einen weiteren Song solo zu spielen. Stattdessen schlug Kunkel vor, gemeinsam eine Nummer in Angriff zu nehmen, die Browne gerade erst geschrieben hatte. „The Load-Out“ war ein Loblied auf ihre Roadcrew, das von den Musikern allerdings noch nicht eingeprobt worden war. Sie machten einen Versuch -und spielten die Nummer (und eine Version des Zodiacs-Hits „Stay“) so perfekt, dass beide Aufnahmen auf dem Album verewigt wurden. Jacksons Experiment zahlte sich aus: Mit Unterstützung von The Section kletterte „Running On Empty“ bis auf Platz drei der US-Charts und wurde zum Klassiker seiner Zeit. „Zusammen mit der Section“, sagt Kunkel stolz, „klang Jackson so gut wie nie zuvor.“

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Es war ein aufreibendes Jahr -inzwischen fast schon ein Jahrzehnt -, das zu Ende ging, und Doerges Frau, Singer/Songwriterin Judy Henske, konnte das Resultat mit eigenen Augen sehen, als ein ausgemergelter Doerge von der Tour nach Hause kam. „Judy fing an zu heulen, als sie mich sah“, erzählt Doerge. „Wir brannten die Kerze wirklich an beiden Ende ab.“

In der Zwischenzeit erfuhr Wachtel, dass ausgerechnet Keith Richards ein großer Fan von „Exitable Boy“ sei. Wachtel hatte das Album von Warren Zevon nicht nur co-produziert, sondern auch alle Leadgitarren-Parts eingespielt. Das Kompliment wurde bekräftigt, als Wachtel mit Linda Ronstadt (die ihn ebenfalls engagiert hatte) zu einem Stones-Gig nach Arizona flog. Wachtel wurde von Richards und Ron Wood mit großem Hallo begrüßt und umarmt. „Es war ein Moment, den man so schnell nicht vergisst“, erzählt er. „Es sah damals ganz so aus“, ergänzt Kunkel, „als ständen uns alle Türen offen.“

Punk und Disco machten Softrock den Garaus

Doch dann brach die Ära von Punk und Disco an, und im Juni 1978 bekamen die Soft-Rock-Meister einen ersten Vorgeschmack auf die Zukunft. Peter Asher hatte Tickets für sich, Ronstadt, Kortchmar, Kunkel und andere besorgt, um Elvis Costello and the Attractions in Hollywood zu sehen. Kortchmar hatte Punk und New Wave bereits für sich entdeckt (nicht zuletzt dank seiner jungen Freundin Louise Goffin, der Tochter von Carole King und Gerry Goffin) und war von dem Konzert begeistert. Andere, glaubt Kortchmar, waren weniger erfreut. „Für sie wirkte diese Musik bedrohlich. Was sie ja auch tatsächlich war.“

Praktisch über Nacht war die technische Perfektion von The Section nicht mehr gefragt. Die Musiker wanderten umgehend in die Mottenkiste „Wir alle standen auf Musik, die man durchaus Hardrock nennen könnte“, sagt Sklar, der vor seiner Begegnung mit Taylor in einer Rockband namens Wolfgang gespielt hatte. „Aber dann bekommt man den Auftrag, auf einem Album mitzuspielen, das praktisch nur aus Balladen besteht. Folglich landet man in dieser Schublade. Und damit kreierten wir unser eigenes Monster.“

Alle Beteiligten sahen sich gezwungen, auf die neue musikalische Landschaft zu reagieren. Kortchmar und Ronstadt trennten sich von ihren Matten und trugen plötzlich Kurzhaar-Frisuren. Nachdem sie bereits 1978 einen Costello-Song aufgenommen hatte, entschloss sich Ronstadt 1980, mit dem Album „Mad Love“ auf New Wave zu setzen. Wachtel hielt nichts von diesem Kurswechsel. „Ich sagte mir:,Das ist nicht deine Musik.‘ Ich wunderte mich, dass Linda plötzlich solche Sachen spielte.“

Fick die Siebziger!

Kortchmar hingegen, der jahrelang dezent-zurückhaltende Gitarrenparts gespielt hatte, war in seinem Element. Er löste sich von James Taylor – nicht zuletzt auch, weil sein Boss wieder harte Drogen nahm – und ging mit der Kurzhaar-Ronstadt auf Tour. Mit „Innuendo“ lieferte Kortchmar sogar ein Wave-inspiriertes Soloalbum ab. „Die Leute fragten:,Was soll das denn? Willst du auf einen fahrenden Zug springen?‘ Aber ich war einfach müde, immer nur die alten Bellbottom-Jeans zu tragen. Ich mochte schmale Krawatten und hippe Jacketts. Ich wollte kein fader Furz mehr sein. Fick die Siebziger!“

Die Exzesse der vorhergehenden Jahre sollten bei allen ihre Spuren hinterlassen. Bei den Aufnahmen zu Taylors ’79er Album „Flag“ war Kortchmar einmal so bedröhnt, dass ihn Asher nach Hause schickte. Nach einer Ronstadt-Show in L. A. musste Wachtel noch spätabends zu einer Session mit Bob Weir. Bereits auf der Fahrt zum Studio war er so besoffen, dass er alles doppelt sah – und das Koks bei den Aufnahmen war auch nicht gerade förderlich. Als er sich schließlich auf den Heimweg machte, baute er mit seinem Volvo auf dem Ventura Freeway einen dicken Unfall.

Für alle Beteiligten nicht minder überraschend war die Tatsache, dass Taylor nie eine verkorkste Show ablieferte, nie einen Text vergaß. (Taylor lehnte ein Interview für diese Geschichte übrigens ab.) Was nicht für alle damaligen Arbeitgeber zutraf. Seit Anfang der Siebziger, als sie gemeinsam in der Everly Brothers Band spielten, wusste Wachtel, dass Warren Zevon Alkoholiker war.

Aber dann kam jene Nacht im März 1978, als Zevon einen wichtigen Showcase im New Yorker Club Trax spielte, bei dem – neben Bruce Springsteen -die versammelten Granden der Musikindustrie anwesend waren. Zevon und Wachtel waren schon hackevoll, als sie auf die Bühne kamen. (Dass Stolichnaya-Wodka die Tour sponserte, war laut Wachtel nicht gerade förderlich.) Als Zevon zwischen den Songs völlig verstrahlte Ansagen machte, blickte Wachtel hilflos auf Springsteen, der in der ersten Reihe saß. „Eine Show wie aus einem Guss, nicht wahr?“, sagte er Springsteen später. Die „New York Times“ schrieb, der Auftritt sei „pretty sloppy“ gewesen, doch Wachtel hält das noch für stark untertrieben: „Komplett durchgescheppert. Wir waren völlig aus den Fugen.“

David Crosbys harte Jahre

Craig Doerge wiederum kümmerte sich privat um David Crosby, der immer mehr den Boden unter den Füßen verlor. Noch ein paar Jahre zuvor war er ein inspirierender Zeitgenosse gewesen, der gerne zur Gitarre griff, um die Band bei Proben zu begleiten. Doch zum Ende der Siebziger konsumierte Crosby immer mehr Crack – was Doerge und Sklar aus nächster Nähe miterlebten, als sie mit ihm für ein Soloalbum im Studio waren. „Während der Sessions saß David hinter einer Glasscheibe in einem Raum, der so stank wie ein versifftes Katzenklo“, seufzt Sklar. „Er kam aus dem Raum überhaupt nicht mehr raus.“ (Das Album wurde nie veröffentlicht.)

Auch wenn er damals kaum noch bei Sinnen war, erinnert sich Crosby lebhaft, wie wichtig die Unterstützung der Musiker damals für ihn gewesen sei. „Ich war mit Drogen vollgepumpt und lebte in meiner psychotischen Welt, aber sie gaben ihr Bestes, um mit mir noch gescheite Musik zu machen“, sagt er. „Sie waren echte Freunde und hielten mich davon ab, völlig den Bach runterzugehen.“

Wie extrem die Situation bereits war, wurde allen Beteiligten klar, als Crosby bei einer Jam-Session seine Crack-Pfeife auf eine Schallwand stellte. Als er ungewollt die Schallwand berührte, kippte die Pfeife um und fiel zu Boden. Crosby hörte auf zu spielen und suchte auf dem Fußboden seine geliebte Pfeife. „Als hätte uns jemand kaltes Wasser ins Gesicht gekippt“, erinnert sich Doerge. „Es gab nichts, was David mehr liebte, als mit anderen Musikern zu spielen. Dass er bei so einem geilen Jam plötzlich ausstieg, war ein Schock. Wir wussten: Die Party ist vorbei.“

Wir alle wollten so furchtbar sensibel sein

Hier ist eine meiner alten Nummern, die einmal von Jackson Browne aufgenommen wurde“, sagt Kortchmar und spielt die Eingangsakkorde von „Shaky Town“. Wir befinden uns in einem kleinen Club auf New Yorks Lower East Side, wo Kortchmar mit Jeff Pevar, einem anderen Session-Veteranen, gelegentlich auftritt. Mit seinen 66 Jahren ist Kortchmar inzwischen etwas fülliger geworden, hat die Bühnenbewegungen seiner Jugend aber immer noch gut drauf. Nachdem er auch „Honey Don’t Leave L. A.“ zum Besten gegeben hat (von Kortchmar geschrieben und von Taylor auf „JT“ verewigt), kramt er in seinen Erinnerungen. „Ich wollte damals wohl gefühlig rüberkommen“, sagt er. „Wir alle wollten so furchtbar sensibel sein.“ Und er erzählt eine kleine Geschichte, wie er sich nach einem Ronstadt-Konzert unsterblich in eine schöne Frau verliebt habe – was nur deswegen ein Problem gewesen sei, „weil ich schon mit einer anderen Frau zusammenlebte“.

Nach dem Gig sprechen wir über die TV-Serie „Nashville“, in der sein alter Freund JD Souther eine tragende Rolle spielt. „Ich kann nur lachen, wenn ich lese, dass die Serie so ungemein realistisch ist“, höhnt er. „Wo ist das Koks geblieben? Wie kann man eine Serie über die damalige Ära drehen und die ganzen Drogen unter den Teppich kehren?“

Für Kortchmar und Co. sind die Koks-Zeiten jedenfalls Vergangenheit -wie auch die Tage von The Section. Anfang der Achtziger gingen sie auseinander. Browne drängte Lindley aus seiner Band, der bastelt seitdem an seiner eigenen Mischung aus Reggae, Rock, Blues und Weltmusik. Wachtel konzentrierte sich wieder auf seine Arbeit als Sessionmusiker – auf Kim Carnes‘ „Bette Davis Eyes“ und Stevie Nicks‘ „Edge Of Seventeen“ liefert er die Gitarren-Parts. Sklar und Kunkel spielten weiterhin mit James Taylor, der es endlich schaffte, die Finger von den Drogen zu lassen. Eine etwas peinliche Situation entstand, als Kunkel eine Liaison mit Carly Simon einging, die sich Anfang der Achtziger von Taylor getrennt hatte. Als Simon einmal bei einem Taylor-Konzert Kunkel besuchen wollte, musste Asher schon zaubern, um eine Begegnung zwischen Taylor und Simon zu verhindern. „Es war arg kompliziert“, gibt Kunkel zu, „aber irgendwie haben wir auch das umschifft.“

Eine Ära war zu Ende

Nur Kortchmar musste wieder ganz unten anfangen. Er wurde von seinem Manager in die Wüste geschickt und erinnert sich noch daran, wie er einmal ein Stück Käse im Supermarkt zurück ins Regal legte, weil’s ihm einfach zu teuer war. Am Ende spielte er mit Doerge und Kunkel noch auf zwei weiteren Jackson-Browne-Alben, doch allen war klar: Eine Ära war zu Ende.

Kunkel selbst sieht die Zäsur inzwischen mit philosophischer Gelassenheit. „Jemand wie James kann sich nicht jedes Jahr neu erfinden. Er wird bei jedem Konzert die zehn Nummern spielen, die er schon immer gespielt hat. Ihm bleibt nur wenig Spielraum, um seine Sache frisch zu halten -und dazu gehört nun einmal, die Musiker auszutauschen, auch wenn alles reibungslos läuft. Selbst Springsteen musste mal einen Schnitt machen und für eine Weile solo spielen.“

Im Laufe der Achtziger und Neunziger fanden die Mitglieder der „Mellow Mafia“ nach und nach andere Betätigungsfelder. Kortchmar tat sich mit Don Henley zusammen und spielte eine zentrale Rolle auf Henleys Post-Eagles-Alben. Sklar stieg in Phil Collins‘ Band ein und wurde nun sogar auf der Straße erkannt, weil er im „Sussudio“-Video mitgespielt hatte. Wachtel, im Herzen immer Rocker, wurde Mitglied bei Keith Richards‘ X-Pensive Winos („Keith sagte mal: ,Du hast einfach zu lange nur für Frauen gespielt'“), während Doerge mit Simon & Garfunkel und später mit Art Garfunkel alleine tourte. Kortchmar geht heute mit eigener Band auf Tour und freut sich über die Tantiemen seiner Songs für Taylor, Browne und Henley. „Unsere L. A.-Szene von damals ist genauso mausetot wie in Dave Grohls Doku ,Sound City‘ geschildert.“

The Sections schrieben Popgeschichte

Doch für viele war The Section eine der wichtigsten Backing-Bands der Popgeschichte. „Zusammen veränderten sie die Musiklandschaft“, meint Peter Asher. „Sie halfen dabei, die Singer/Songwriters ins Rampenlicht zu rücken. James Taylor gilt heute als amerikanische Ikone -und sie machten es möglich.“

Sie waren auch eine der letzten wichtigen Studiocrews, bevor Heimstudios, ProTools und Low-Fi-Mentalität die klassische Backing-Band überflüssig machten. Mit ihnen verabschiedete sich nicht nur eine Spielart der Popmusik, sondern auch der traditionelle Prozess des Plattenmachens. „Ich glaube“, sagt Produzent Rick Rubin, „dass derartige Bands nicht mehr gebraucht werden.“

Für die Mitglieder der „Mellow Mafia“ dürfte es eine Genugtuung gewesen sein, als Kunkel, Kortchmar und Sklar vor drei Jahren noch einmal mit James Taylor und Carole King auf Tour gingen – und an den amerikanischen Konzertkassen stolze 63 Millionen Dollar einspielten. „Nach den Auftritten sprachen uns so viele begeisterte Zuschauer an und meinten: ,Glückwunsch! Genau so müssen diese Songs klingen'“, sagt Kunkel. „Mag sein, dass Taylors momentane Band das nicht so gerne hört.“ Er macht eine kleine Kunstpause. „Was aber nichts an den Tatsachen ändert. Es gibt im Leben nun mal einige Sachen, die besser sind als die anderen.“

Ein Artikel aus dem RS-Archiv

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