Die Moldy Peaches sind vorerst Geschichte, und Adam Green macht sich auf den Weg, sein eigenes Potential zu ergründen

Viele Popmusiker interessieren einen persönlich ja eigentlich gar nicht. Man mag ihre Platten, und der Rest ist unwichtig. Ab und zu kommt es aber vor, dass einer von ihnen ein Album veröffentlicht, das einen besonders stark trifft und alles verändert. Plötzlich will man ganz genau wissen, wer dahinter steckt. So ein Fall ist „Friends Of Mine“.

Ein ebenso leichtes wie wahnsinniges Werk mit einer Menge Albernheiten, aber auch geradezu metaphysischer Weisheit.

Der Schöpfer dieses Albums heißt Adam Green und ist schon auf einem ganz guten selbstbetitelten Soloalbum, einem lustigen Album der Moldy Peaches und einer Raritätensammlung eben dieser Rasselbande zu hören. Er hatte noch nie eine Freundin und machte die meisten seiner sexuellen Erfahrungen mit Prostituierten. Aufgewachsen ist er in Bedford, New York, wohlbehütet. Seine Eltern sind beide Ärzte. Wenn man seine Ahnenreihe verfolgt, stößt man auf eine Ur-Oma mit dem Namen Felice Bauer. Das erzählt er ganz beiläufig, und wir glauben es ihm, weil das eine schönere Geschichte garantiert, als täten wir’s nicht.

Felice Bauer nämlich war zweimal die Verlobte von Franz Kafka und erhielt von ihm zwischen 1912 und 1917 über 500 Briefe und Postkarten. Denn sie arbeitete in Berlin bei einer Firma für Diktiergeräte und er in Prag bei der Versicherung. Kafka selbst hat seine Briefe an Feiice mit Fledermäusen verglichen, die er nachts ausschickt und Feiice umflattern lässt, um von ihr Antworten zu bekommen, aus denen er laut Selbstaussage das Leben saugte – wie ein Vampir. Aber lassen wir die Vergangenheit ruhen. Beim Interview stand Adam einen Tag vor seinem 22. Geburtstag, an sein erstes Soloalbum kann er sich kaum noch erinnern, so lange sind die Aufnahmen her, und auch die Moldy Peaches sind erstmal Geschichte. „Wir haben uns nicht aufgelöst. Aber wir haben keine gemeinsamen Pläne. Mir steht der Kopf gerade eher nach anderen Dingen. Das ist das erste Mal, seit ich die High School verlassen habe, dass ich was allein mache und tun kann, was mir gefällt.“ Dass das dann aber gleich in eine völlig andere Richtung ginge als die Peaches, konnte man ja nicht ahnen. „Es sollte einfach romantisch klingen. Ich habe sehr viel Frank Sinatra, Chet Baker und Scott Walker gehört…“ Hätte man sich auch denken können, schließlich funkte es doch zwischen den beiden Chef-Moldy Peaches Adam und Kimya Dawson musikalisch, als sie sich bei einem Tony Bennett-Konzert über den Weg liefen. Wie aber hat er sich diese Art zu singen so schnell draufgeschafft?

„Die torch songs waren ein Ansporn für mich, meinen Gesang zu verbessern, was durch die vielen Konzerte allerdings fast automatisch ging. Nebenbei ist meine Stimme jetzt auch ein bisschen tiefer, weil ich älter geworden bin.“ Und diese Lässigkeit? „Ich habe versucht, die Songs so hinzukriegen, dass man sie gut singen kann. Fast alle Stücke habe ich beim Singen geschrieben. Nämlich hiermit: (zieht ein Diktiergerät aus der Tasche). Ich hab einfach alles, was mir einfiel, hier drauf gesungen und wenn es sich gut anfühlte, hab ich mich hingesetzt und mit der Gitarre die Akkorde ausgearbeitet.“

Doch woher kommt bei dieser doch sehr spontanen Art des Songwriting diese Tiefe der neuen Songs? „Für dieses Album bin ich sicherlich in Regionen vorgedrungen, über die ich vorher nicht geschrieben habe. Zumindest nicht in einem Song. Ich mag es, auf dem Computer Texte zu tippen – und ich schreibe über alles Mögliche. Damit habe ich aufgehört, und ich glaube, eine Menge der Gefühle, die ich sonst dort festgehalten habe, sind in die Songs eingegangen. „Jede an ihn gerichtete Frage scheint ihm Anlass zu sein, sein Selbstbild ein Stück weiter zu entwerfen und seine Möglichkeiten zu entdecken. Bestimmte Aspekte seiner Persönlichkeit und Arbeit werden ihm erst bewusst, wenn man ihn danach fragt: Kommen die wie zufällig auf dem Diktiergerät verfassten Texte aus dem Unbewussten? Er beginnt einen Satz. Stockt. Sagt: „I don’t know.“ Schweigt, bis ihm der richtige Gedanke in den Sinn kommt und beginnt von neuem. „In gewisser Weise ist jeder kreative Gedanke, den ich habe, zunächst unbewusst. Er taucht plötzlich auf. Natürlich übernehme ich nicht jeden Gedanken. Die Auswahl und Bearbeitung ist ein sehr bewusster Prozess.“ Dann lehnt sich in seinem Sessel zurück und lächelt.

Natürlich tragen die eleganten Arrangements und die professionelle Produktion – immerhin Adams erstes richtiges Studioalbum – ihren Teil zur Tiefe von „Friends Of Mine“ bei. „Bei diesem ganzen lo-fi-Ding habe ich manchmal das Gefühl, das Wichtigste ist nicht die Musik, sondern, dass sie schlecht aufgenommen wurde. Da geht’s darum, zu einer bestimmten Szene zu gehören. Mit den Moldy Peaches dagegen machten wir hotne recordings, weil wir uns kein Studio leisten konnten. So wie Rimbaud oder Whitman ihre Werke im Eigenverlag rausbrachten. Ich würde immer das Studio vorziehen, wenn ich das Geld hätte.“

Und das hatte er dieses Mal mit einer Plattenfirma im Rücken natürlich: Innerhalb von nicht mal zwei Wochen hat er seine erste Studioproduktion „Friends Of Mine“ aufgenommen und abgemischt. Lou Reed-Cellistin Jane Scarpantoni und Steven Mertens, der bei den Moldy Peaches Bass spielte, waren an den Arrangements beteiligt und Tontechniker Dan Meyer am Sound: „Ich brauche jemanden, der mir mit den technischen Sachen hilft. Außerdem hat Dan ein sehr gutes Ohr und konnte mir sagen, wenn etwas nicht gut gesungen oder aus dem Rhythmus war. Er hat bis spät in die Nacht an dem Album gearbeitet Ich hatte aber immer die Kontrolle. Ich könnte einfach nicht mit einem Produzenten arbeiten, der mir sagt, wie meine Songs klingen sollen.“

Adam Green ist sich seines Potenzials wohl bewusst und hat eile große Begabung, die Leute, die :r braucht, um sein Ziel zu erreichen, entsprechend ihrer Talente einzusetzen. Er wirkt während des interviews so, wie man sich einen aufstrebenden Songschreiber – die „Biografie von Bob Dylan im Hinterkopf – kennt, immer vorgestellt lat, aber nie finden konnte. Aus jelem Menschen, mit dem er arbeiet, aus jedem Gespräch, das er führt, scheint Adam Green ein Stück seiner eigenen Identität zu saugen – wie ein Vampir.

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