Die nächste britische Hoffnung: Mit ihrem Debüt verursachen Gene einen Wirbel im Blätterwald

London, The Forum, Backstage. Der seit Wochen ausverkaufte Prestige-Gig ist gelaufen, die Zugaben sind abgefeiert, und noch immer dringen von draußen „Gene-Gene-Gene“-Chöre herein und vereinzelte, spitze Schreie: „Martiiin!“

Doch die Band hängt in den Seilen, mehr ist nicht drin. Heute nicht Das Repertoire und die konditioneilen Reserven sind erschöpft. Die Erleichterung darüber, daß die Tour sich ihrem Ende neigt, macht sich in den Gesichtern breit. Doch auch Stolz ist zu spüren auf das in so kurzer Zeit Erreichte.

Es ist keine zwei Jahre her, da irrte Gitarrist Steve Mason durchs Londoner Nachtleben auf der verzweifelten Suche nach dem idealen Sänger für seine embryonale Combo. Die Rhythm Section stand bereits felsenfest. Bassist Kevin Miles und Drummer Matt James hatten ihre Feuerprobe in anderen Bands abgelegt und wußten genau, daß die Chemie hier stimmte. Rund 300 Zuschriften brachte die obligatorische Band-sucht-Sänger-Anzeige, doch die Aufnahmeprüfung bestand keiner der Kandidaten.

Dabei hätten Mason, Miles und James gar nicht erklären können, wonach genau sie suchten. Sie hatten eine Weile gebraucht, ihre individuellen musikalischen Vorlieben aufeinander abzustimmen. Steve Mason, der in Hongkong aufgewachsen war, hatte Gitarre zu „Murmur“ von R.E.M. gelernt und liebte The Clash. Matt James war unter dem Einfluß einer musikalischen Familie aufgewachsen, während Kevin Miles auf The Jam stand. Und sie fanden schnell einen gemeinsamen musikalischen Nenner: die Beatles und die Rolling Stones. Nicht originell, aber verpflichtend.

Eines Abends sieht Mason in einem Nachtclub diesen etwas gelangweilt wirkenden Jungen und fragt ihn, einer plötzlichen Eingebung folgend, ob er in seiner Band singen wolle. Der Typ heißt Martin Rossiter, zeigt sich interessiert und verspricht, bei Gelegenheit mal vorbeizuschauen. Ein paar Tage später ist das Quartett komplett und beginnt sofort, die ersten Songs zu basteln. Eine unwahrscheinliche Geschichte. „Klar“, sagt Mason, „aber es ist die Wahrheit.“

Die erste Single erschien im Mai 1994: „For The Dead“ verursachte einigen Wirbel im Blätterwald. Ein exquisites Stück Pop und eine Handvoll Auftritte waren schon genug, um Gene neben Blur und Oasis zur dritten großen britischen Hoffnung zu küren. Bollocks.

Drei Singles später ist der Backlash bereits in vollem Gange. In die Fanfarenklänge zum ersten Album, „Olympian“, mischen sich Häme und Kritik. Es sind vor allem Martins Morrissey-Manierismen in Gesang und Gestik, die Anlaß zu abfälligen Äußerungen geben, die nicht selten in dem steroetypen Vorwurf gipfeln, Gene seien Smiths-Clones.

Man muß allerdings schon mit Taubheit geschlagen sein, um solche krassen Fehlurteile zu fallen. Die Ähnlichkeiten zwischen den beiden Bands beginnen und enden mit Rossiter. Masons Gitarre hat so gar nichts von Johnny Marrs melodischem Jingle Jangle. Er vertraut auf Blues-Riffe, spielt Power-Chords, Country-Licks und fügt hin und wieder einen Rockabilly-Twang ein. „Johnny Marr ist ein Genie, aber mein Stil ist mit seinem nicht zu vergleichen“, sagt Mason. „Viel wichtiger als Stilfragen sind uns ohnehin die Songs und letztlich müssen wir an der Qualität dieser Songs gemessen werden.“

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates