Die Näschen hart am Wind

Hamburg - fast vergessen! Keine Angst, es gibt keine neue Schule in der Stadt, aber umso bessere, frische Nordblüten von Dendemann, Kira und International Pony

Als deutsche Pop-Hauptstadt gilt – seit Umzug von Universal und Pop-Komm, seit Aufstieg von Aggro-Rap und Helden-Mia-Sound – Berlin, und die Impulse kommen angeblich aus der Provinz. Von Hamburg erwarten Musikfreunde heute eher das Erwartbare: Die Zeiten in den Neunzigern, als der weltanschaulich gebildete Gitarren-Pop und der Rap von Elbe und Alster alles neu machten, scheinen vorbei zu sein. Aber man muss nur genau gucken: Neben bestens aufgelegten Altmeistern gibt es hier auch frische Stimmen – und das liegt unbedingt auch daran, wie es sich in dieser großartigen Stadt im Jahr 2006 so lebt.

DENDEMANN

Leider taugt Dendemanns 1996er Umzug von Emden nach Hamburg nicht zum Junge-aus-der-Provinz-kommt-in-der-Großstadt-groß-raus-Rührstück. Seinen Geburtsnamen Daniel Ebel hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits gegen Dendemann eingetauscht, erste Gehversuche mit der Emdener HipHop-Crew Arme Ritter – nicht zuletzt zusammen mit Fettes Brot – waren absolviert. Hamburg hat sich denn auch nur ungefähr „drei Wochen lang so richtig groß angefühlt“. Danach war er mittendrin, gründete bald mit Kollege DJ Rabauke die Band Eins Zwo.

Dabei war sein perfider Eroberungsplan zunächst kläglich gescheitert: Dendemann war unter dem Vorwand eines Praktikums bei einer Videofirma gen Norden gezogen, von der er fälschlicherweise glaubte, sie sei im selben Gebäude wie das Szene-Label Yo Mama untergebracht.

Glücklicherweise neigt der Mann nun runde zehn Jahre später beim Erzählen von derartigen Schoten nicht dazu, die Initial-Phase des deutschen Hip-Hop nostalgisch zu verklären. Die eine große Hamburger Szene mit all den Beginnern und Broten, die man immer so gerne beschreiben möchte, gab es natürlich nicht. Wohl aber gegenseitige Anerkennung: „Es war verdammt leicht, sich untereinander gut zu finden, da wir alle auf einem qualitativ vergleichbaren Level völlig unterschiedliche Musik gemacht haben.“ Und heute? „Als wir damals gefragt wurden: Wo geht’s denn hin?, sagten wir: Freestylen wird Schulhofsport, und bald wird uns jedes zweite Gör in Grund und Boden batteln. Den Rapper, von dem ich da damals gesprochen habe, suche ich aber bis heute vergeblich.“ Also müssen die Alten selbst wieder ran. Dendemann hat dazu etwas länger gebraucht als manche andere. Fast drei Jahre hat er, der Alben liebt und das Pflichtgefühl verspürte, „was abzuliefern, das sich an sämtlichen Schubladen vorbeimogelt“, am ersten Solo-Longplayer geschraubt. Das Ergebnis, „Die Pfütze des Eisbergs“ , imponiert: Der Mann schert sich nicht um Trends, schreibt mit die gewitztesten Texte in Deutschland nicht nur im HipHop. Ohnehin kann Dendemann, viele Jahre nachdem er die erste Breakdance-Kassette im Mendener Sportforum kaufte (mit weißen Handschuhen!), inzwischen machen, was er will.

Dass er ein Fall nicht nur für B-Girls und -Boys ist, hat er spätestens mitbekommen, als das nicht gerade als Rap-Zentralorgan bekannte Musikmagazin „Spex“ vor einigen Jahren zum Bewerten der Redaktions-Charts lud. Da war klar: „Du bist zwar ein kleiner HipHopper, und das willst du auch bleiben, aber im Prinzip gibt es für mich keinerlei Grenzen.“ Die Mischung aus heimatlicher Identität und grenzenloser Offenheit verbindet ihn auch mit seiner Wahl-Stadt: „An Hamburg hat mir immer gefallen, dass die Kneipen deutsche Namen haben und nicht künstlich auf internationales Flair machen müssen, weil die Stadt das durch den Hafen ohnehin schon hat.“

Übrigens: Seine Eltern nennen ihn Danny!

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