„Die Sache ist aus dem Ruder gelaufen“: Fall Böhmermann macht international Schlagzeilen

Die „New York Times“ glaubt, dass Böhmermann mit seinem Kurzurlaub die Wogen der Affären glätten will. Auch der „obskure Paragraph“ 103 des Strafgesetzbuchs wird kommentiert.

Jan Böhmermann ist nicht mehr nur deutschen Staatsbürgern ein Begriff. Nachdem sein umstrittenes Erdogan-Gedicht, zunächst vom ZDF aus der Mediathek gelöscht, dann von Kanzlerin Merkel kritisiert und schließlich zum Fall für die Staatsanwaltschaft geworden, längst das Format einer Staatsaffäre hat, wird über den Satiriker weltweit berichtet.

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Ende der vergangenen Woche verkündete Böhmermann, dass er gemeinsam mit dem ZDF entschieden habe, seine Sendung „Neo Magazin Royale“ für vier Wochen nicht zu produzieren. Darüber berichten nunmehr nicht nur deutsche Medien, sondern auch internationale Blätter. Die altehrwürdige „New York Times“ erklärte ihren Lesern das Phänomen Böhmermann und deutete seine TV-Pause als Versuch, die bundesweite Debatte über die Affäre einzudämmen.

Merkels Haltungslosigkeit und ein obskurer Paragraph

Der 35-jährige Moderator hatte erklärt, er habe sich zu der „kleinen Fernsehpause“ entschlossen, „damit sich die hiesige Öffentlichkeit und das Internet mal wieder auf die wirklich wichtigen Dinge wie die Flüchtlingskrise, Katzenvideos oder das Liebesleben von Sophia Thomalla konzentrieren kann“.

Auch die strafrechtlichen Hintergründe des Falls wurden durch die US-Zeitung noch einmal interpretiert (Erdogan klagte als Privatmann nach Paragraph 185 des Strafgesetzbuchs. Er verlangte aber auch ein Strafverfahren nach Paragraph 103, der die Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts verbietet). So wird der „Majestätsbeleidigungs“-Paragraph, der vor allem zu Kaisers Zeiten zur Anwendung kam, als „obskur“ bezeichnet.

Die britische „Sunday Times“ bezog sich in einem Artikel noch einmal auf die Kritik an Kanzlerin Merkel, die in eine „gefährliche Abhängigkeit“ mit dem türkischen Präsidenten geraten sei. Dabei fragte sich der Autor des Artikels, warum es der CDU-Politikerin nicht gelungen sei, Haltung zu bewahren und ein deutliches Zeichen für die Meinungsfreiheit zu setzen. Insgesamt sei die Affäre „aus dem Ruder gelaufen“ und hätte mit etwas mehr Kontrolle eingedämmt werden können.

Die dänische Tageszeitung Jyllands-Posten kommt ebenfalls zu keinem schmeichelhaften Urteil über das Verhalten der Bundeskanzlerin: „Eine Entschuldigung war nicht genug. Jetzt will Erdogan auch das Recht auf seiner Seite haben und hat die einleitenden juristischen Schritte getätigt. Merkels Entschuldigung wird als Kniefall vor Erdogan aufgefasst. Die ganze Affäre ist eine triste Illustration dessen, was passiert, wenn man sich Druck beugt. Man bekommt mehr Druck, nicht weniger.“


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