„Du kannst jemanden wie Esbjörn Svensson nicht ersetzen“: e.s.t. Symphony in Hamburg

Sie waren das wichtigste Jazz-Trio der 2000er Jahre, mit dem tragischen Tod von Esbjörn Svensson fand alles 2009 ein jähes Ende. Nun erinnert "e.s.t." im Orchester-mit-Jazzband-Gewand an die Musik des Trios und das Schaffen des Pianisten. Am 17.5. spielten Band samt Orchester in Hamburg.

Als Esbjörn Svensson 2009 bei einem Tauchunfall im Alter von 44 Jahren ums Leben kam, standen e.s.t. am Höhepunkt ihrer Karriere. Das Trio um den Pianisten Svensson, Schlagzeuger Magnus Öström und Bassist Dan Berglund hatte es in den gut anderthalb Dekaden der Bandgeschichte nicht nur geschafft, zum wichtigsten Jazz-Trio der Nuller-Jahre zu avancieren, sondern auch durch das langjährig erprobte Zusammenspiel der hervorragenden Instrumentalisten einen Klangkosmos zu erschaffen, der nicht nur Heerscharen an Jazz-Afficionados, sondern auch eine Hörerschaft anzog, die mit Jazz eigentlich nichts zu tun hatte. Als „Rockband, die Jazz spielt“, bezeichnete sich das Trio gerne selbst, und ausverkaufte Säle und Hallen gaben ihnen recht. „Europe invades“, titelte das US-amerikanische Downbeat-Magazin 2008 und nahm sie als ersten europäischen Act überhaupt auf das Titelbild. Ein Jahr nach der Schlagzeile kam die Geschichte zu einem jähen und traurigen Ende.

Fast sechs Jahre später beschlossen Öström und Berglund das zu tun, worüber sie bereits mit Svensson gesprochen hatten: die Songs des Trios ins Orchester-Gewand zu packen. Es war nicht die erste Zusammenarbeit mit einem Orchester, man hatte bereits mit dem Schleswig Holstein Kammerorchester zusammengearbeitet, diesmal sollte es aber ein Sinfonieorchester sein samt Jazz-Besetzung. Für die Arrangements war der schwedische Dirigent und Arrangeur Hans Ek verantwortlich, der von Öström und Berglund die größtmögliche Freiheit bekam, den Backkatalog der Band für das große Setting zu arrangieren. In jeder Stadt – man muss bei einer solchen massiven Produktion freilich anders planen als bei Trio-Touren – spielt ein anderes Orchester, auch die Bandbesetzung (bis auf Öström und Berglund) wechselt. Den Auftakt machte man 2013 mit dem Stockholmer Sinfonieorchester, am Piano wie auch an jenem Abend in Hamburg Iiro Rantala.

Am Samstagabend des 17. Mai 2014 herrscht geschäftiges Treiben im Backstage-Bereich der Hamburger Laeiszhalle. Man hat den Konzertbeginn auf 21 Uhr angesetzt, ein wenig später als üblich. Man hört das Warmspielen der verschiedenen Orchesterinstrumente, Musiker rennen durch die Gänge und bereiten sich auf die anstehende Probe vor.

Als ich Magnus Öström das letzte Mal traf, hatte er gerade sein erstes Album „Thread Of Life“ veröffentlicht, nachdem es für ihn lange nicht klar gewesen sei, ob er wieder Musik machen wolle. Dan Berglund hatte zu dieser Zeit mit Tonbruket eine neue Band ins Leben gerufen, beide bewegten sich mit ihren neuen Projekten konsequenterweise deutlich vom e.s.t.-Format weg. Dass sie auch bei ihren aktuellen Projekten immer wieder auf das Trio angesprochen werden, stört sie nicht. Man ist sich der Strahlkraft der Vergangenheit durchaus bewusst, einzig für Berglunds neue Band sei es nicht immer ganz einfach gewesen, erzählt der Bassist am heutigen Abend, auch wenn es anfangs nicht leicht gewesen sei, zu den Songs zurückzukehren: „Am Anfang, als Esbjörn gestorben ist, war es wirklich schwer, die Musik zu hören. Als wir das erste Konzert in Stockholm mit der Sinfonie gespielt haben, war es sehr emotional. Jetzt genieße ich es einfach nur, und ich habe auch kein Problem, wieder unsere Musik zu hören“.

Der Abend in die Laeiszhalleist für e.s.t. eine Rückkehr in vielerlei Hinsicht: Hier enstand das 2007 veröffentlichte, bis dato einzige Live-Album der Band „Live in Hamburg“. „Wir wussten damals noch nicht, dass es ein Live-Album werden würde, aber es war ein großartiger Abend“, erzählt Öström.

Die Rolle des Pianisten zu übernehmen ist selbstverständlich keine leichte Aufgabe in dieser Produktion. Zu unverwechselbar und integral war das virtuose Spiel von Esbjörn Svensson, dass man es einfach eins zu eins in einen Orchester-Kontext hätte einbetten können. So entschied man sich für eine andere Denkweise: Man teilte das Piano auf, die Aufgaben Svenssons übernehmen also Klavier und Orchester gemeinsam. „Du kannst jemanden wie Esbjörn nicht ersetzen. Deswegen war es ein guter Weg, dem Orchester den dritten Teil des Trios zuzuschreiben. So dass der Fokus nicht am Klavier liegt“, so Öström. Auch die elektronischen Sounds, die Svensson mit einem Gitarreneffekt-Gerät erzeugte, übernehmen verschiedene Orchesterinstrumente. Inwiefern die Herangehensweise anders gewesen wäre, wäre Svensson noch am Leben, darüber haben sie sich zwar durchaus Gedanken gemacht, aber wissen es nicht genau. „Vielleicht wäre es noch freier gewesen“, meint Dan Berglund.

Bei der Aufführung selbst braucht es ein paar Stücke, bis der Funke aufs Publikum überspringt. Ein wenig diffus wirkt die Rolle des Orchesters anfangs noch, ein wenig verhalten das Ganze, man orientiert sich noch an Svenssons Piano-Vorgaben, die sich in der Erinnerung eingebrannt haben. Nach vier Songs übernimmt Öström die Moderation des Abends, hält sich kurz und unsentimental. „e.s.t. Symphony“ ist ein Querschnitt durch das Schaffen des Trios und die Kompositionen Esbjörn Svenssons. Von „From Gargarin’s Point Of View“, „Seven Days Of Falling“ über „When God Created The Coffeebreak“ bis zum Finale „Believe, Beleft, Below“ spielen Orchester und Band einen Querschnitt des Backkatalogs. Am Mitreißendsten wird der Abend, wenn Band und Orchester Raum zum Ausufern nehmen, Öström mit einer effekt-getränkten Snaredrum das Ganze manisch nach oben triebt.

„e.s.t. Symphony“ ist eine lebendige Erinnerung an einen einzigartigen Komponisten, Pianisten und Weggefährten, jedoch niemals eine Elegie. Am Schluss gibt es Standing Ovations. Für Band, Orchester und auch für Esbjörn Svensson, der sich – so Öström – im besten Falle auch ein klein wenig ärgern würde, dass er nicht mitspielen kann. Das tun wir schließlich auch.

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