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Endlich Klassentreffen

Eine Crowdfunding-Kampagne macht das lang ersehnte Wiedersehen mit einer Kultserie möglich

Veronica Mars

Kristen Bell, Jason Dohring Regie: Rob Thomas *** 1/2

Das Fernsehen hat sich in den Nullerjahren erzählerisch emanzipiert und konnte in den vergangenen Jahren auch ästhetisch zum Kino aufschließen. Die neuen „Qualitätsserien“ sind Segen und Fluch zugleich: Filmemachern wie Steven Spielberg („Band Of Brothers“) oder Cary Fukunaga („True Detective“) ermöglichen sie die Realisierung von aufwendigen Projekten, die für das Risikokapitalgeschäft Hollywoods zu ambitioniert sind. Das Kino ist aufgrund der zunehmenden Vernischung der Fernsehprogramme durch Bezahlsender und On-Demand-Angebote in erzählerischer Hinsicht ohnehin längst abgehängt. Andererseits war bei den avancierteren Serien in letzter Zeit auch eine etwas selbstgefällige Annäherung von Fernseh-und Kinoästhetik zu beobachten. Was aber bleibt das Charakteristische am Serienformat, wenn Fernsehen immer mehr wie Kino aussehen will?

Ganz entschieden nicht wie Kino aussehen will dagegen Rob Thomas‘ Filmadaption der Fernsehserie „Veronica Mars“. Das hat einen triftigen Grund: Die Noir-Serie um eine Privatdetektivin im Highschool-Alter stammt noch aus einer Zeit vor der Ära des „Qualitätsfernsehens“. Den Geist des Originals zu bewahren, war das erklärte Ziel der Macher, denn „Veronica Mars“ versteht sich in erster Linie als nostalgisches Projekt: fan fiction gewissermaßen. Mit dem Unterschied, dass die Fans in diesem Fall nicht für die Weiterentwicklung der Geschichte verantwortlich waren, sondern für die Finanzierung einer Idee. Das Schicksal der Serie „Veronica Mars“ war typisch für eine Übergangsphase, in der die großen Networks das Nischenpotenzial des Fernsehens noch ignorierten. Sie wurde 2007 wegen mangelnder Einschaltquoten nach drei Staffeln abgesetzt, obwohl die Serie innerhalb kürzester Zeit zum Fankult avanciert war.

Die Filmadaption ist das Ergebnis einer sensationell erfolgreichen Kickstarter-Kampagne, die Thomas und seine Hauptdarstellerin Kristen Bell letztes Jahr ins Leben riefen. Ihr Spendenaufruf an die treue Fangemeinde brach alle Rekorde. Am Ende hatten die Produzenten fast sechs Millionen Dollar gesammelt – gute Gründe, um das alte Team noch einmal zusammenzutrommeln. Ein „Veronica Mars“-Film muss dabei das Rad nicht neu erfinden. „Veronica Mars“ ist eher wie ein Klassentreffen – die Rückkehr an einen Ort der Vergangenheit. Einigermaßen frappiert, aber insgeheim beruhigt darf man feststellen: In der Zwischenzeit hat sich wenig verändert. Man ist nur etwas älter geworden.

Der kalifornische Ort Neptune war in den Nullerjahren ein faszinierendes Serien-Pastiche von gegenläufigen Erzählstrategien: ein wenig Soap („Beverly Hills 90210“), etwas Mystery („Twin Peaks“) und mittendrin eine Highschool-Schülerin, die sich mit der Abgebrühtheit eines Mike Hammer durch Mordfälle und die Sozialstruktur ihrer Kleinstadt manövrierte. Nebenbei spiegelte Neptune auch den demografischen Wandel in den Vereinigten Staaten wider. Es gab Arm und Reich, aber die Mittelklasse war weitgehend abgeschafft. Veronica Mars, die gefallene ‚Social Queen‘, fungierte als Mittlerin zwischen den Welten. Neun Jahre später kehrt Veronica, inzwischen eine New Yorker Junganwältin im Dienste von „Big Business“, nach Neptune zurück, wo ihr Vater noch immer eine Detektivkanzlei betreibt. Ihre einstige Flamme Logan Echolls steht mal wieder unter Mordverdacht, da trifft es sich gut, dass gerade auch eine Highschool-Reunion ansteht. Thomas zieht alle Fan-Register, ohne dass „Veronica Mars“ zu einer bloßen Nummernrevue wird. Fans der Serie kommen auf ihre Kosten, alle anderen dürften sich eher wie auf einer Party fühlen, auf die sie nicht eingeladen wurden.

Das Erstaunliche an diesem Film ist aber, dass das Fernsehen sich nun auch anschickt, die große Konsensmaschine Mainstreamkino zu übernehmen. Nischenpflege war bisher Aufgabe des Fernsehens. Crowdfunding-Plattformen wie Kickstarter könnten in Zukunft den verzagten Hollywoodstudios den Schneid abkaufen. Aus dem goldenen Zeitalter der Qualitätsserien sind noch einige unabgeschlossene Projekte übrig, die auf nachträgliche Vollendung warten. Netflix hat sich inzwischen „Arrested Development“ angenommen. Die „Deadwood“-Kickstarter-Kampagne ist nur noch eine Frage der Zeit. (Warner)

ANDREAS BUSCHE

Die Brücke von Arnheim

Michael Caine, Robert Redford Regie: Richard Attenborough ****

Der Drehbuchautor William Goldman schrieb später, dass der Film 1977 von den Kritikern ungnädig aufgenommen wurde, weil er zu akkurat sei: Sie glaubten es einfach nicht. Produzent Joseph E. Levine finanzierte das Spektakel allein, der Schauspieler und nachmalige ,,Gandhi“-Regisseur Richard Attenborough kommandierte das Unternehmen stoisch, und verpflichtet wurden die beliebtesten Schauspieler aus den beteiligten Ländern: Ryan O’Neal, James Caan und Elliott Gould aus den USA, Michael Caine, Anthony Hopkins, Laurence Olivier und Edward Fox aus England, Hardy Krüger und Maximilian Schell aus Deutschland und Österreich, Sean Connery aus Schottland; Gene Hackman als Pole. Levine wollte unbedingt einen der beiden damals größten Stars besetzen: Steve McQueen oder Robert Redford. McQueen sagte zu und wieder ab, dann wollte er ein paar Freunde mitbringen und forderte drei Millionen Dollar, außerdem sollte Levine ihm ein Haus in Palm Springs abkaufen. Schließlich übernahm Redford die Heldenrolle des Hauptmanns, der seine Truppe in Schlauchbooten über einen Fluss bringt.

Die Offensive der Alliierten war 1944 der Versuch, hinter den feindlichen Linien in Holland die Brücken einzunehmen und schließlich den Rhein zu überqueren; er scheiterte an der letzten, der Brücke von Arnheim. Bis zur traurigen, von Hopkins würdevoll erklärten und von Schell nobel akzeptierten Kapitulation der Briten sieht man drei Stunden lang die Vorbereitungen, die Luftlandung, Scharmützel, Panzerkolonnen und launige Anekdoten (Irre entlaufen im Chaos aus dem Sanatorium, Connery trinkt Tee, Fox und Caine feixen wie alte Knaben). Die Amerikaner sind forsch und salopp, die Briten hochnäsig und witzig, die Deutschen streng und aufrecht – wie im echten Leben. Mit einem Wort: „Die Brücke von Arnheim“ ist das reinste Kino.

Gegenüber der bekannten Schnittfassung wurden einige Szenen, die man dem deutschen Publikum nicht zumuten wollte, eingefügt und mit Untertiteln versehen. Das einzige Extra: der Trailer. (Tobis/Universal)

ARNE WILLANDER

Im August in Osage County

Meryl Streep, Julia Roberts Regie: John Wells ****

Beverly Weston ist tot, ertrunken in einem Fluss aus Whiskey und Frust. Die Familie kommt zusammen, um das mehr oder weniger geliebte Familienoberhaupt zu Grabe zu tragen. Da ist die tablettensüchtige Witwe Violet, eine Zynikerin vor dem Herrn, vor der kein Geheimnis sicher ist. Die älteste Tochter Barbara und ihr pubertierender Sprössling aus erster Ehe. Die zweitgeborene Karen mit Liebhaber, das Nesthäkchen Ivy, der ein Ruf als ewige Jungfrau vorauseilt, Violets Schwester Mattie Fae, ihr Mann Charles, und das neurotische Personal für diesen wunderbar überdrehten Aufenthalt in der „Klapsmühle“ Weston ist versammelt. Unter den Damen beginnt das Ringen um die Rolle der Leidtragenden. Sarkastisch, melancholisch und grandios besetzt ist die Verfilmung von Tracy Letts Bühnenstück ein großes schwarzhumoriges Vergnügen. (Tobis)

THOMAS HUMMITZSCH

Zwei glorreiche Halunken

Clint Eastwood, Lee Van Cleef Regie: Sergio Leone *** 1/2

Sergio Leone hat den Western entschleunigt und ihn auf große Gesten und Augen-Blicke reduziert. Das gefiel Anthony-Mann-Traditionalisten nicht, ist aber die Methode, mit der heute Quentin Tarantino die Genres dekonstruiert: Die Ironie ist der Inszenierung eingeschrieben. Nebenbei erfand Leone den glücklosen Clint Eastwood als schweigenden Helden. „The Good, The Bad And The Ugly“ von 1966 ist der dritte Teil der Dollar-Trilogie; die Manierismen sind schwer erträglich, das Minimum an Handlung (drei Männer suchen Geldsäcke) wird in wahrhaft epische Breite gedehnt. Es gibt sehenswerte Extras zu den Dreharbeiten mit Erinnerungen von Eastwood und Eli Wallach, zu der Musik von Ennio Morricone und zur Rekonstruktion der Drei-Stunden-Fassung sowie entfallene Szenen. (MGM/Fox)

ARNE WILLANDER

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