East India Youth: Billige Synthies, teurer Anzug

Der britische Elektro-Musiker William Doyle alias East India Youth hält sich ungern an Vorschriften – und gibt sich eklektisch.

Wie ist das Wetter?“ so eröffnet Will Doyle das Interview an einem kalten, sonnigen Frühlingstag in Berlin. „Ich bin gestern aus Tokio gekommen, fliege nachher weiter nach Brüssel, dann zurück nach London – ich hatte noch keine Zeit, vor die Tür zu gehen.“ Aufgekratzt, begeistert von der Fluglektüre – Murakamis „Tanz mit dem Schafsmann“ – und in Plauderlaune sitzt der 24-Jährige in seinem Hotelzimmer und wirkt noch immer neugierig überrascht von der Aufmerksamkeit, die ihn derzeit durch die Welt begleitet.

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Der Anlass für das Gespräch ist „Culture Of Volume“, sein zweites Album als East India Youth. Aber den eigentlichen Hintergrund bildet sein Debüt aus dem vergangenen Jahr, das ihn nicht zuletzt durch eine Nominierung für den Mercury Prize zu einer hochgehandelten Nachwuchsmarke werden ließ. „Total Strife Forever“, so der Titel, zeigte ihn als auffällig vielseitigen Elektroproduzenten, der sich sehr selbstverständlich durch Ambient-Stimmungen, Synthpop und härtere Technobeats bewegen konnte.

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Neuausrichtung Pop

Im Gegensatz zum Debüt, auf dem sich Instrumentalstücke und elegant expressiver Gesang die Waage halten, klingt der Nachfolger deutlich songbetonter. Mit einer strategischen Reaktion habe das allerdings nur bedingt zu tun. „Ich habe es unmittelbar nach dem ersten Album angefangen, das wiederum auch erst mal anderthalb Jahre nur rumlag. Eigentlich sollte ‚Culture Of Volume‘ instrumentaler werden. Aber nach mittlerweile 120 bis 150 Auftritten bin ich ein sehr selbstbewusster Performer und Sänger geworden. Ich habe das als meine Stärke erkannt und daher die Songs poppiger ausgerichtet.“

Andererseits ist Doyle auch kein typischer junger Elektroproduzent – wenn man mal davon absieht, dass beide Alben weitgehend in seinem Schlafzimmer entstanden sind. Er stammt aus einem recht soliden Indie-Kontext, zuletzt als Doyle And The Fourfathers. Aber schon dort habe er hauptsächlich allein gearbeitet, „nicht nur elektronisch, aber am Computer, das führt das Denken in eine bestimmte Richtung, und irgendwann fand ich meine minuziös produzierten elektronischen Tracks viel herzensnäher und ausdrucksstärker, als wenn ich sie zur Band getragen hätte“.

(Photo by Robin Little/Redferns via Getty Images)
(Photo by Robin Little/Redferns via Getty Images)

Von Brian Eno über Vangelis bis hin zu Underworld

Auch die vielen Einflüsse, die man zu erkennen glaubt – von Brian Eno über Vangelis bis hin zu Underworld –, seien eher zufällig. Eigentlich „von allem beeinflusst, was ich mehr als einmal hören will“, habe er sich vor East India Youth kaum mit elektronischer Musik, sondern mit Gitarren beschäftigt. „Ich verstehe mich vor allem als Songschreiber, und es gibt nicht die eine Dance-12-Inch, die mein Leben verändert hat.“ Es gab jedoch ein paar „billige Synthesizersounds“ in seinem Computerprogramm. „Ich wollte wissen, wie sie funktionieren, aber nicht damit sie sich amtlich anhörten – sie sollten nur tun, was ich wollte.“

Eine gewisse Unlust, den Vorschriften zu folgen, merkt man nicht nur den eigenwilligen und eklektischen Sounds an. Auch die Melodien klingen unorthdox und vielseitig, man glaubt sogar (brit-)folkige Momente zu hören. „Keine Ahnung. Ich mag auf jeden Fall Melodien nicht besonders, die auf Blues beruhen“, sagt er. „Viele Leute, die ungefähr so arbeiten wie ich – als bekanntestes Beispiel: James Blake –, betonen im Moment diese Soul- und R&B-Seite. Davon will ich mich schon unterscheiden.“

(Photo by Andrew Benge/Redferns via Getty Images)
(Photo by Andrew Benge/Redferns via Getty Images)

Ernstfall Band-Fall

Mit dem gleichen Ehrgeiz gehe er an seine Live-Performance heran. Er vermisse manchmal den Band-Moment, „wenn es funkt und alle plötzlich dieses fette Lächeln im Gesicht haben“. Aber für den Band-Fall müsste er zumindest ein Konzept finden, „um nicht einfach nur so eine Band zu sein, die gerade mal auf Tour vorbeischaut.

Es stellt eine ziemliche Herausforderung dar, ein Publikum als Alleinunterhalter zu überzeugen und nicht auszusehen, als würde man hinterm Mischpult die meiste Zeit nur E-Mails checken. Aber es geht auch um mich. Wie mit der Pop-Ausrichtung des neuen Albums – ich will das ja wer weiß wie lang betouren –, und da muss es mir schon Spaß machen.“

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