Echo 2015: Von Deichkind bis Helene Fischer – die besten und schrecklichsten Momente

Am Donnerstag (26. März) wurden in Berlin zum 24. Mal die Echos verliehen. ROLLING-STONE-Chefredakteur Sebastian Zabel über die reichlich surrealen Momente des Abends.

>>> In der Galerie: Echo 2015 – die Bilder

Doch, auch diese Echo-Verleihung hatte ihre Momente. Als ein deutsches Allstar-Aufgebot (u.a. Udo Lindenberg, Herbert Grönemeyer, Sarah Connor) „Ich weiß was ich will“ von Udo Jürgens anstimmte, wippte sogar Nile Rodgers mit dem Fuß. Und als der große Gitarrist und Produzent später Helene Fischer ansagte, musste er kurz auflachen – smart, lässig, einfach so.

Über drei Stunden dauerte das Spektakel, mit dem sich die Branche einmal im Jahr selbst feiert. Das ist deutlich zu lang, aber das heißt es in jedem Jahr. Und wie in jedem Jahr vermisst man wenigstens eine winzige kleine Ecke, ein paar dafür eingeräumte Minuten, in denen es nicht allein um Verkaufszahlen und kommerziellen Erfolg geht. Stattdessen darf Helene Fischer gleich vier Mal auf die Bühne und vier Echos einsammeln in allen möglichen Kategorien. In den vergangenen zwei Jahren hat sie den Echo denn auch gleich selber moderiert, dieses Mal gönnte man sich Barbara Schöneberger. Die machte Witze über ihren Busen und sich über Carolin Reiber lustig, aber es gelang ihr auch ein surrealer, fast anarchischer Moment: Als sie auf der Drehbühne des kommerziell äußerst erfolgreichen DJs und Produzenten Robin Schulz stand, kreischte Schöneberger: „Es dreht sich, es dreht sich! Bin ich Micaela Schäfer oder ein Döner-Spieß?“

Man fragte sich so einiges. An surrealen Momenten war der Abend nicht arm. Die schrille Performance des Lederhosen-Alleinunterhalters Andreas Gabalier, der mit monströsem Umhang, zu Schau gestellten Muskeln und Dirndlmiezen als „Mountain Man“ auftrat etwa. Oder die nicht enden wollende Rede Nana Mouskouris, die für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wurde. Oder Campinos starres Gesicht, sekundenlang in Großaufnahme eingefangen, als sich Helene Fischer ein weiteres Mal für einen ihrer vielen Preise bedankte. Zuvor hatte übrigens Til Schweiger die Natürlichkeit der erfolgreichsten deutschen Sängerin gepriesen, was diese, wie sie sagte, sehr berührte.

Es war dann dringend nötig, dass Deichkind auftraten. Als unüberschaubarer, seltsam ineinander rutschender Tanzzirkel in weißen Jogginganzügen, auf denen „Refugees Welcome“ stand. Der politische Moment des Abends. Deichkind bekamen keinen Echo, jedenfalls nicht auf der Bühne. Den hatten sie am Abend zuvor schon bekommen, denn sie gewannen in der Kategorie Kritikerpreis, die einzige Kategorie, die nicht Verkaufszahlen unterworfen ist. Deshalb lässt man sie bei der Echo-Gala unter den Tisch fallen, beziehungsweise stellt sie am Vorabend auf den Tisch des Grill Royal, so als gäbe es den Kritikerpreis bloß ein bisschen, als sei er das schmutzige Kind, das man nicht mit zum Gottesdienst nimmt. In diesem Jahr gab es nicht mal mehr eine Jurysitzung oder Diskussion unter den Kritikern.

Aber auch andere Kategorien finden auf der Gala keinen Platz. Im Gegensatz zu der mit Chören, Synthesizerartisten und Mittelalterfreunden angefüllten Gaga-Kategorie „Crossover“ flog der Preisträger der Kategorie „Nationaler Act im Ausland“ nicht nur von der Bühne, sondern gleich aus dem Programmheft. Dabei hatte mit Milky Chance eine unscheinbare Indie-Band aus Kassel gewonnen, weil sie nämlich zweieinhalb Millionen Platten und 200 Millionen Streams  in Polen, Irland, USA und sonstwo verkauft hatten, ohne Majorlabel und Promotion im Rücken. Eine rare, ungewöhnliche Erfolgsgeschichte. Leider erzählte sie niemand.

Stattdessen bekamen AC/DC den Preis als beste Band im Bereich „Alternative Rock“, was natürlich brüllend komisch ist oder in etwa so, als hätte man Andreas Gabalier als Liedermacher ausgezeichnet. Sie dankten übrigens nicht ihrer Plattenfirma, jedenfalls war es nicht aus ihrem aus LA zugeschaltetem sympathischen Gemurmel herauszuhören. Ansonsten lag Universal unangefochten auf Platz 1 der Dankes-Charts, noch weit vor Mutti, „meinen Eltern“ oder Sony. Nick Mason, der rührende, sanfte, würdevoll ergraute Schlagzeuger von Pink Floyd sorgte schließlich mit mildem britischen Spott noch einmal für einen schönen Moment, als er sagte, er habe nicht damit gerechnet, in der Kategorie „Newcomer“ zu gewinnen. Hatte er ja auch nicht. Und: Als er einer war, gab es keinen Echo.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates