Ein Treffen mit Birdy: Kunst kommt später

Mit 15 Jahren wurde Birdy bereits ein Popstar - ihre erste goldene Schallplatte hat die britische Sängerin verschenkt. Am Donnerstag beschallte ihr Cover "People Help The People" den "Red Nose Day".

Es ist ein wenig schade, dass die wenigsten das wundervolle Original von“People Help The People“ kennen – jener Hymne auf das Helfen, die die Spendenaktion des „Red Nose Day“ beschallt. Aber der Song der britischen Band Cherry Ghost erlebt gerade so etwas wie einen zweiten Frühling – und zwar in der Version von Jasmine van den Bogaerde alias Birdy, die auf ihrem gleichnamigen Debüt, das im Frühjahr erschien, vornehmlich Indie-Songs covert und dabei ein gutes Händchen bewies.

Da die junge Dame – auch seit ihrem Auftritt bei „The Voice“ – in aller Munde sein dürfte (und ihr Debüt dieser Tage noch einmal in einer Deluxe-Version erschien), haben wir hier noch einmal unser Feature aus dem April-Heft hervorgeholt. Und zur Einstimmung gibt’s noch mal das Video zur Hymne auf den „Red Nose Day“…

Vor zehn Jahren saß in der kleinen englischen Stadt Lymington ein fünfjähriges Mädchen am Klavier. Ihr Name war Jasmine van den Bogaerde. Aber schon damals nannten sie alle nur Birdy (Vögelchen); ein Spitzname, den sie ihren Eltern verdankte, weil sie als Baby immer den Mund so weit aufgerissen hatte, wenn sie gefüttert werden wollte. Birdy saß also am Klavier, daneben ihre Mutter, die ihr beibrachte, wie man spielt. Sieben Jahre später saß Birdy wieder am Klavier. Diesmal spielte und sang sie ihren Song „So Be Free“ vor über 2.000 Zuschauern. Es war das Finale des „Open Mic UK“, eines nationalen Talentwettbewerbs für Sänger mit über 10.000 Teilnehmern. Birdy gewann und bekam einen Plattenvertrag.

An dieser Stelle endet die märchenhafte Geschichte – und eine neue beginnt: die von Birdy, der professionellen Musikerin. Ihr Bon-Iver-Cover „Skinny Love“ knackte die Top 20 der britischen Single-Charts. In den Niederlanden stiegen die bei Warner erschienene Single und das Debüt-Album bis an die Spitze. Auch ihre erste goldene Schallplatte hat Birdy dort bekommen – und gleich wieder verschenkt: „Sie hat mir viel bedeutet, aber ich wollte etwas für eine Wohltätigkeitsveranstaltung stiften und dachte mir, das wäre eine wirklich nette Sache.“

Birdys Debüt besteht bis auf eine Ausnahme aus gecoverten Indie-Hits. Einer ihrer drei Brüder brachte sie auf die Fleet Foxes und Phoenix, „Skinny Love“ lernte sie durch ihre Tante kennen und lieben, und „manche Vorschläge kamen von der Plattenfirma“. Aber niemand habe sie zu etwas gedrängt. Für den Feinschliff und überwiegend subtil eingesetzte zusätzliche Klänge sorgten Produzenten-Größen wie Rick Costey (Artic Monkeys, Bloc Party) und Jim Abbiss, der schon am Adele-Debüt beteiligt war. Birdy interpretiert die Vorlagen mit großen, gefühligen Melodien: „Ich bin nicht besonders düster, traurig oder so. Vielleicht werden meine eigenen Songs auf dem nächsten Album peppiger sein und mehr von meiner Persönlichkeit zeigen. Momentan ist es eher die Emotion des Songs, die mich packt, wenn ich ihn spiele, die ich rüberbringen will.“

Dieses Jahr ist Birdy bereits in Berlin und New York aufgetreten. Millionenfach werden ihre Videos geklickt. Über 60.000 haben ihre Twitter-Nachrichten abonniert. Inzwischen covern schon andere Mädchen Birdys Cover. Ein Radiosender suchte „the next Birdy“. Die Erwartungen steigen, Birdy bleibt gelassen: „Wir sind die Sache sehr langsam angegangen. Die Plattenfirma ist sehr vorsichtig, weil ich so jung bin. Meine Eltern sind auch sehr wachsam.“ Solange sie noch genug Zeit für Freunde und Familie habe, sei sie glücklich. Von ihrer Schule mit Kunstschwerpunkt bekomme sie genug Zeit eingeräumt, um verpassten Stoff aufzuholen.

Nett, natürlich und etwas schüchtern wirkt die junge Musikerin. Im Hotelfoyer hebt sie ihre Stimme nicht mal, als Gäste neben ihr mit Rollkoffern über die Fliesen poltern. Zu Birdys Vorbildern zählt Adele: Es geht um Stimme und Bühnenpräsenz, nicht um Brimborium. Ihre Zahnspange trägt Birdy auch, wenn sie gefilmt wird. „Wenn ich viel Make-up auflegen würde, würde ich mich beim Singen nicht wie ich selbst fühlen. Ich mache mir zwar Gedanken, wie ich aussehe, aber nicht so sehr, dass ich mich deswegen komplett verändern wollte.“

Künftig sitzt Birdy womöglich nicht nur am Piano: „Ich wollte schon immer Gitarre spielen und habe gerade eine gekauft.“ Demnächst nimmt sie Unterricht. Und falls sie doch nur eine Sternschnuppe am Popstar-Firmament bleibt? „Als ich noch sehr jung war, wollte ich Friseurin werden. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es das heute noch wäre. Vielleicht würde ich etwas mit Kunst machen. Ich liebe Malerei.“

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