Eric Burdon & The Animals – Ja, ein bisschen bitter

Hat es je eine schönere Verbeugung vor einer Band gegeben? Jedenfalls nicht für "eine der hässlichsten Gruppen im Rock'n'Roll", wie Bruce Springsteen die Animals in seiner Keynote-Rede beim South-By-Southwest-Festival in Austin im März 2012 charakterisierte. Die Eloge gipfelte in der Bemerkung, das sei "jeder Song, den ich je geschrieben habe", nachdem er zur Akustik-Gitarre "We Gotta Get Out Of This Place" gegrummelt hatte.

Eric Burdon, der damals als Sänger der Animals in den frühen TV-Auftritten ausgesehen habe wie ein „geschrumpfter Daddy mit Perücke“ (Springsteen), der „nicht tanzen konnte“, aber eine Stimme hatte, „als käme Howlin‘ Wolf aus einem Teenager“ – dieser Eric Burdon war zwar auch vor Ort, aber anderswo in Austin noch in einer Radioshow beschäftigt. Bis Springsteen anrief und vorschlug, man könne den von Barry Mann und Cynthia Weil geschriebenen Animals-Hit von 1965 abends beim Auftritt doch gemeinsam vortragen. Er musste nicht lange bitten.

„Cool, dachte ich“, erinnert sich Burdon. „Da wusste ich noch nicht, was er da vorher gesagt hatte. War sehr schmeichelhaft, hat mich aber nicht überrascht, weil ja bekannt war, dass er ein großer Animals-Fan ist. Ich erinnere mich an einen Auftritt im Stone Pony (Springsteens Hausclub in New Jersey) in den 80er-Jahren, als der Chef dort plötzlich das Haustelefon auf die Bühne hielt und später meinte, Bruce hätte leider nicht kommen können, wollte zu Hause aber doch kurz mal hören, wie ich so klinge“, lacht Burdon.

Wirklich verblüfft habe ihn, dass Springsteen „damals schon meinen ganzen Schmerz und meine Angst als Realität erkannte, weil ich nicht da war, wo ich sein wollte. Als er dann darüber redete, glaubten manche Leute ja, ich müsste mich beleidigt fühlen. War aber überhaupt nicht der Fall. Im Gegenteil: Es war eine großartige Einsicht in die Tatsache, dass ich damals in einer Band steckte, in der ich nicht gerade sehr glücklich war. Und die dann ja auch nicht so lange hielt. Ich dachte nur: Der Typ hat das wirklich verstanden.“

Bruce hat die Animals also nie unterschätzt. Aber waren sie nicht auch eine schwer unterschätzte Band?“Wir waren selbst unser ärgster Feind“, entgegnet Burdon, „weil wir das alles nicht sonderlich ernst nahmen. Wir probten kaum, waren faule Songschreiber. Aber zu der Zeit war das völlig okay. Uns ging’s nur darum, live den Blues zu predigen und die Briten mit Blues-Helden wie Howlin‘ Wolf und John Lee Hooker bekannt zu machen.“

Heute darf Eric Burdon nicht länger den Blues predigen. Jedenfalls nicht als Animal. Seit 2008 hält Original-Drummer John Steel die Namensrechte an der Band, wobei es Burdon juristisch nicht geholfen hat, dass er selbst als Eric Burdon & The Animals auftrat. Als Animals & Friends ist Steel gut im Clubund Festival-Geschäft und scheut dabei nicht davor zurück, Keyboarder Mick Gallagher als zweites „Original-Mitglied“ anzupreisen, auch wenn der Ex-Blockhead (Ian Durys Begleitband) 1965 nur kurz die Lücke zwischen Alan Price und dem 2003 verstorbenen Dave Rowberry gefüllt hatte.

So liegt ein Schatten über dem 50-jährigen Bandjubiläum der Animals, größer als der über den Rolling Stones, die verdiente Weggefährten wie Bill Wyman und Mick Taylor mit lieblosen Gast-Einlagen abspeisten. Eric Burdon erfreut sich dagegen an den 10-Inch-Reissues der alten EPs im Original-Artwork. Bitterkeit? Keine Spur, sagt Burdon. Und doch ist ein Anflug davon spürbar, wenn er ätzt, es freue ihn, „dass sie (die Ex-Animals) nicht arbeitslos sind. Aber ich find’s natürlich nicht so toll, dass sie mit einem Sänger rumziehen, der mich nur imitiert. Und dass es dabei weder Dankbarkeit noch Gewissensbisse gibt. Und was mich wirklich aufregt: Dass da jetzt einer (gemeint ist John Steel) als Rock’n’Roll-Ikone posiert, der Rock’n’Roll damals, als es losging, nicht einmal sonderlich mochte (lacht). Doch was soll’s – mir geht es so weit gut, und ich mache weiter gute Musik.“

„‚Til Your River Runs Dry“, das neue Album des auf halber Strecke zwischen Los Angeles und San Francisco residierenden Wahl-Kaliforniers, hat tatsächlich gute Momente. Weniger, wenn Burdon aktuellen Protest kanalisieren will („Water“,“Memorial Day“). Aber umso mehr, wenn er in „River Is Rising“ nach New Orleans zurückkehrt oder mit „Old Habits Die Hard“ und „27 Forever“ ohne Nostalgieschleier Bilanz zieht. „Die Leute fragen immer, wie ich es geschafft habe, diesem 27er-Club der Toten nicht beizutreten. Rückblickend wird mir klar, dass ich viel Zeit für Leute in meiner Nähe und ihre Probleme aufgebracht habe. Ich war einfach zu beschäftigt, um zu erkennen, dass ich vielleicht auch selbst in Gefahr sein könnte. Wie ich in ‚Old Habits Die Hard‘ singe:’I was moving so fast, I missed middle age.‘ Eben noch fast ein Teenager – und dann schon dieser ältere Mann im Musikgeschäft (lacht). Verrückt!“

Auf die Frage nach seinem liebsten Live-Mitschnitt fällt ihm als erstes „Ray Charles At Newport“ ein, und dann „Fingertips“, die 1963er-Live-Single von Wonderboy Stevie Wonder, „ein Schock“ sei das gewesen. Doch Eric Burdon hat natürlich auch selbst unvergessliche Bühnenerinnerungen gesammelt.

Die an den als schwierig und knauserig verrufenen Chuck Berry etwa, der damals als Tour-Support spielte und ihn sogar mal zum Lunch einlud. „Ich sagte ihm, dass er ja einer der großen Chess-Blueser sei. Worauf Chuck meinte:’Nein, nein, ich bin Rock’n’Roller, der nur diese Songs für weiße Kids schreibt!‘ Und ich sagte:’Mir egal, ich höre den Blues bei dir!‘ Hat ihn schon genervt, glaube ich, aber dann in New York kam er noch mal auf die Bühne und spielte einen improvisierten Blues mit uns. Das war aufregend, weil er mir das Gefühl gab, ich hätte ihn überzeugt, sich mal wieder in den Blues zu vertiefen.“

Mit dem Rest der alten Elvis-Presley-Band zu singen war „auch ziemlich toll“. Aber „mein liebster Auftritt war in dieser Bar in New Orleans, irgendwann in den Achtzigern, als es so heftig zu regnen anfing, dass wir da festhingen. Der Typ am Klavier, der Barkeeper, ein paar Cops, ein paar Frauen und vielleicht noch sechs andere Leute. Und ich sang einfach die ganze Nacht durch, wie ein Fremder, das fand ich unglaublich toll, dieses Gefühl.“

Und sein großes Idol Bo Diddley, dem er jetzt mit „Bo Diddley Special“ und einer Coverversion von „Before You Accuse Me“ ausführlich huldigt?“Ich hab ihn nie persönlich kennengelernt, bevor ich dann an seinem offenen Sarg stand. Vier Jahre vorher hatte ich ihn noch auf einem Festival in Australien erlebt, da war er schon sehr krank, konnte nur noch im Sitzen spielen. Ich saß an der Seite auf der Bühne, nicht weit von ihm, und da wurde mir wieder einmal klar: Auch diese Pop-Ikone ist in Wirklichkeit ein Bluesman.“

Der Calexico-Fan Burdon („Sie sind toll, weil sie keine Grenzen kennen“) ist derweil damit beschäftigt, nach „I Used To Be An Animal, But I’m All Right Now“ und „Don’t Let Me Be Misunderstood“ bereits den dritten Band seiner Memoiren zu vollenden. „Das war schon eine Herausforderung, sicherzustellen, dass ich mich nicht wiederhole (lacht). Aber das Internet macht es leicht, eigene Geschichten mit zeitgenössischen Fakten anzureichern. Ich will beides verknüpfen und so auch jüngere Leute ansprechen, die das alles noch nicht erleben konnten.“

Wie sich seine immer noch mächtige Stimme über all die Jahre so gut halten konnte, ist Eric Burdon selbst ein Rätsel. „Ist wohl ein Geschenk“, zuckt er mit den Schultern und versucht es ansonsten „Schritt für Schritt“, das mit dem Älterwerden. Nach einer größeren Operation ist sein Rücken wieder halbwegs belastbar, die Probleme mit den Augen sind auch nicht so gravierend wie mal befürchtet. „Ich bin durchgekommen und gespannt, was als Nächstes passiert“, sagt der Mann, der schon als Junge Asthmatiker war und gerade sein 72. Lebensjahr vollendet hat. „Ich wundere mich ja selbst, wie ich es manchmal auf die Bühne geschafft habe. Aber dann siehst du die Gesichter der Leute, ihre Erwartungen, das Adrenalin steigt, und es heißt einfach: Do or die! Und ich hab mich immer für ‚do‘ entschieden.“

GOTTA GET OUT OF THIS

Die unvergesslichen Sixties-Hits der Animals

Die Animals wurden 1962 im britischen Newcastle als Bluesband mit Eric Burdon als Sänger gegründet. Ihre zweite Single, „House Of The Rising Sun“, wurde 1964 ein internationaler Hit; in schneller Folge erschienen dann vier Alben, von denen „Animal Tracks“(samt Cover) das berühmteste ist. Auch „We Gotta Get Out Of This Place“ und „It’s My Life“ avancierten zu Evergreens; beide Stücke wurden später oft von Bruce Springsteen gespielt. 1966 brachen die Animals auseinander; Chas Chandler produzierte die Alben von Jimi Hendrix, Alan Price orgelte mit dem Alan Price Set, Eric Burdon gründete War. Die Animals fanden sich oft in wechselnden Formationen für Tourneen und Platten zusammen – doch ohne Eric Burdon.

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