Eric Clapton

Der Grandseigneur der Gitarre über sein neues Album und die Frage, wann er sein Instrument endgültig an den Nagel hängen wird

Es ereignete sich im letzten Sommer: Clapton war im heimatlichen England gerade beim Fischen, als er eine SMS mit der Nachricht von JJ Cales Tod bekam. „Ich setzte mich an den Fluss“, erinnert er sich, „und bemerkte, wie in unregelmäßigen Abständen diese undefinierbaren Laute aus meinem Körper kamen. Es war wie ein Schmerz, der tief im Inneren saß.“ Später, im Flieger nach Amerika, wo er Cales Trauerfeier besuchte, „fasste ich den Entschluss, dieses Album zu machen“.“The Breeze: An Appreciation Of JJ Cale“ ist die Hommage an einen Freund, der mit seinem bodenständigen Minimalismus und dem Gespür für schlichte, doch magische Hooks „für mich die ganze amerikanische Musik subsumierte – Country, Jazz, Blues, alles“.

Im ROLLING-STONE-Interview geht der 69-jährige Clapton keinem Thema aus dem Weg: Er macht keinen Hehl daraus, dass ihm das Songschreiben immer schwerer fällt, deutet an, dass er den Abschied von der Bühne nun ernsthaft ins Auge fasst – und gesteht auch offen ein, von neuer Musik nur noch wenig mitzubekommen. Auf den letzten Tourneen und Alben beschwor er stattdessen die tröstliche Inspiration, die er noch immer aus der Vergangenheit bezieht. „Ich verstehe mich nun mal als Boten“, sagt er, „und das war meine Berufung für den größten Teil meines Lebens – nämlich den Leuten zu vermitteln: ,Schaut her, dieses Stück Musik hier hat mich wirklich fasziniert – vielleicht mögt ihr’s ja auch.'“

Das letzte Album, das Sie komplett einem Songschreiber widmeten, war „Me And Mr. Johnson“ von 2004. Was verbindet Cale und Robert Johnson?

Die kreative Kraft, mit der sie sich ausdrückten – und das Understatement, mit dem sie es taten. JJ wollte nie glänzen, sondern immer nur an seinem Handwerk feilen. Irgendetwas in seinen Aufnahmen, irgendetwas in der Art, wie die Stimme im Mix verankert ist, sprach mich an. Ich hatte instinktiv das Gefühl, näher an die Lautsprecher heranrücken zu müssen.

Gerade in Amerika kennen viele Hörer Cales Songs nur durch Ihre Interpretationen.

Als ich mit David Kaplan, dem Chef von (Claptons Label – Anm. d. Red.) Surfdog, über das anstehende Projekt sprach, kannte er tatsächlich nur die JJ-Songs, die ich gecovert hatte. In Europa hörten wir JJ als „Americana“ – als das Amalgam aller möglichen Roots. JJ war überaus selbstkritisch, was seine Talente anging. Er war voll und ganz damit zufrieden, als Songschreiber respektiert zu werden.

Warum kehren Sie immer wieder zu frühen Inspirationen zurück – zu Cale und Johnson oder zu Blues-Leuten wie Freddie King und Charles Brown?

Ich assoziiere sie mit den frühesten Eindrücken, die Musik bei mir hinterließ. Ich frequentierte damals die Clubs und saugte alles auf, was ich an Blues und Folk hören konnte. Diese Songs waren für mich die Messlatte: Sie hatten Substanz und Gewicht, Weisheit und ihre eigene Geschichte.

Oder – wenn man es in einen soziologischen Kontext stellen will: England war damals drauf und dran, im Zweiten Weltkrieg besiegt zu werden, doch wir rappelten uns auf und kämpften zurück. Es war dieser Trotz, diese Todesverachtung, die der Blues-Sänger für mich symbolisierte. Robert Johnson war so etwas wie „Ein Mann gegen den Rest der Welt“. Und die Jugendlichen meiner Generation hatten einen Draht zu diesem Sentiment, zu diesem „Uns kriegt keiner unter“.

Was ist denn mit Ihrem eigenen Songwriting passiert? Auf Ihren letzten Alben gab es fast nur noch Coverversionen.

Ich bin einfach ein fauler Hund. Wenn ich beim Songschreiben an den Punkt komme, wo ich mich für eine konkrete Lösung entscheiden muss, kneife ich lieber und schalt den Fernseher ein. Ich bin leicht ablenkbar. Oft passiert es mir auch, dass ich Songs schreibe, sie aber dann vergesse. Ich mache mir ein Voice-Memo auf meinem iPhone, doch irgendwann löst sich die Aufnahme dann in Luft auf.

Gibt es vielleicht keine Inhalte mehr, über die Sie schreiben möchten?

Daran scheitert es eigentlich nicht. Die Musik – das ist die Schwierigkeit. Und deshalb liebe ich halt auch JJs Musik. Es stecken so viele Details darin. Denn das ist doch letztlich das Geheimnis des Songschreibens: „Was kann ich anstellen, damit diese Akkordfolgen so interessant und einmalig wie möglich klingen?“

Hören Sie heute noch Rockmusik?

Gelegentlich. (Pause) Ich weiß allerdings nicht einmal, wie ich Rock heute definieren sollte. Ich bin mir nicht sicher, wer in diese Kategorie fällt. Beim letztjährigen „Crossroads“-Festival habe ich mit (Jazz-Gitarrist) Kurt Rosenwinkel gespielt. Ich hatte alle Hände voll damit zu tun, ihm zu folgen – und mich gleichzeitig zu fragen, welche Tricks ich mir abschauen könnte.

Wenn Sie sich mit neuer Musik nicht mehr beschäftigen: Wie sehen Sie denn die Zukunft der Gitarre?

Die Gitarre ist in guten und sicheren Händen. Der Stern von Gary Clark Jr. ist gerade erst aufgegangen. Er hat noch nicht mal richtig losgelegt. Und sie ist immer in guten Händen bei Leuten wie Jimmie Vaughan und Derek Trucks. Alles dreht sich um Soul und Charakter, um Bescheidenheit und den Willen zu lernen – sich der Musik unterzuordnen. Egal, wie viele Mitläufer es gibt: Es wird immer diesen Jemand geben, der neugierig ist und Neuland erforscht.

Wird es noch ein weiteres „Crossroads“ geben? Nach jedem Festival schwören Sie, es sei das letzte gewesen.

Nein, ich denke, dass die Zeit für den Schlussstrich jetzt wirklich gekommen ist. Ich möchte nicht mehr so viel arbeiten wie bisher. Die Aufnahmen zu „The Breeze“ indes waren eine wahre Freude. Ich beschäftigte mich gerade mit einem eigenen Album, als JJ starb. Das ist also das nächste Projekt, das ich noch anpacken möchte. Und nächstes Jahr spiele ich vielleicht noch ein paar Shows, um im Anschluss zu sagen: „Leute, das war’s. Ich pack meine Sachen.“ Dann werde ich sehen, wie ich mich damit zurechtfinde – oder ob ich noch sporadisch ins Studio gehe und ansonsten ausschließlich für die Familie spiele.

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