Eric Pfeils Pop-Tagebuch: Backstage in Pompeji

Jede Leserin, die im Klamottenladen schon einmal belauschen durfte, dass eine entrüstete Verkäuferin einem Kunden den Satz „Entschuldigung, aber Ihre Hose riecht nach veganem Backstage-Essen, die können Sie anderswo umtauschen!“ um die Ohren blies, gewinnt einen Totenschädel voll Heidschneckenblut!

Folge 61

Backstageräume: Da geht’s zu! Jungejunge! Ich kann Ihnen sagen …

Als ich mit meiner Band im vergangenen Jahr im schönen Aachen spielte, lehnte eine Dame es entschieden ab, uns im Hinterzimmer des Clubs zu besuchen. Allerdings wurde der abschlägige Bescheid nicht etwa deshalb erteilt, weil wir eine jener Bands sind, die im Ruf stehen, nach dem Konzert aus den Schädeln ihrer Fans Heidschnuckenblut zu trinken. Nein, die Dame ließ uns wissen, dass sie eine nagelneue Hose anhabe. Allerdings habe sie die Freude an der Hose bereits wieder verloren, sie sei zu kurz, zu lang, zu blau, ich weiß es nicht mehr. „Wenn ich mit der Hose bei euch im verrauchten Backstage-Raum rumstehe“, so die Dame weiter, „kann ich sie morgen definitiv nicht mehr umtauschen.“

Gerade frage ich mich, ob ich die obige Anekdote hier schon mal zum Besten gegeben habe? Möglich. Definitiv noch nicht thematisiert wurden indes die Backstage-Bräuche der Gruppe Neutral Milk Hotel. Ein Freund berichtete mir, die Band habe anlässlich ihrer Deutschland-Tournee im zurückliegenden August auf ihrem Tour-Rider vegane Kost erbeten. Soweit so gewöhnlich. Einigermaßen originell aber scheint mir, dass die Bandmitglieder darauf bestanden haben sollen, das Essen selbst zuzubereiten. Nun, auch wenn mir persönlich die Vorstellung, vor einem Auftritt in dampfenden Töpfen herumzurühren, einigermaßen aufwändig erscheint, sollen die Musiker natürlich machen, was sie wollen. Wie aber mögen Menschen, die in Hosen rumlaufen, deren Umtausch sie nicht final ausschließen können, wohl auf Einladungen in Backstage-Räume reagieren, deren Luft von veganer Kocherei geschwängert ist? Jede Leserin, die im Klamottenladen schon einmal belauschen durfte, dass eine entrüstete Verkäuferin einem Kunden den Satz „Entschuldigung, aber Ihre Hose riecht nach veganem Backstage-Essen, die können Sie anderswo umtauschen!“ um die Ohren blies, gewinnt einen Totenschädel voll Heidschneckenblut! Oder eine der folgenden drei großartigen Platten: Chuck Prophet – „Night Surfer“. The Growlers – „Chinese Fountain“. Ty Segall: „Manipulator“.

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Ständig wird man in diesen Tagen nominiert, Lieblingskram aufzulisten. Ich kann das leider nicht mitmachen (auch wenn die Menschen, die einen da nominieren, noch so freundlich sind), da ich mich schon vor langer dazu entschieden habe, ein nominierungsfreies Leben zu führen. Am Ende muss man noch Ämter belegen, wenn nicht gar bekleiden! Ich hab schon genug Stress: Ständig muss ich Schnürsenkelbinden, irgendwo hingehen, überlegen, was ich gerade sagen wollte – da kann ich mich nicht noch zu irgendwelchem Kram nominieren lassen! Vor allem nicht zu Listen, von denen es auch schon entschieden zu viele gibt. Wobei ich gestehen muss, dass ich letzte Woche im Zuge der U2/Apple-Hysterie eine Liste von Bands angelegt habe, die mir bitte niemals im Schulterschluss mit einem Riesenkonzern unverlangt ein Album in die Playlist stopfen sollen. Ich werde die Liste nicht veröffentlichen, da schon entschieden zu viele Listen in der Welt herumliegen. Nur so viel: Huey Lewis & The News sind nicht drauf. Aber vielleicht Elbow.

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Herbert Grönemeyer ist auch ein lustiger Vogel. „Dauernd jetzt“ soll sein neues Album heißen. Das klingt ein bisschen, als sei der Titel vom Verein der Grönemeyer-Albumtitel-Parodisten ersonnen worden. „Ständig immer“, „Immer hier“, „Für immer dauernd“ und „Ewig weiter“ wurden als Titel vermutlich nach zahlreichen Telefonkonferenzen verworfen.

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Eine große Freude bereitet mir derzeit, das Herumlesen in alten Ausgaben des Howl-Magazins, das mein Musikhören in den frühen Neunzigern ganz maßgeblich prägte. Ich kann nur dringend empfehlen, im Internet nach alten Ausgaben zu stöbern, man kann sich sicher auch noch nachträglich prägen lassen. Eben las ich dort eine Rezension von „Last Days of Pompeji“, dem zweiten Album von Grant Harts Band Nova Mob. Pompeji, so heißt es dort am Ende, sei die Stadt, „die den Pink-Floyd-Auftritt verpasste, weil sie untergegangen war.“

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Wonach es wohl wohl backstage bei Grant Hart riecht?  Erst letztes Jahr sah ich den Mann beim Kölner Weekend-Festival, wo es ihm gefiel, den Großteil seines Auftritts mit einer umgeschnallten Kopftaschenlampe zu bestreiten, was ihn für das geblendete Publikum aussehen ließ wie irgendetwas aus „The Fog – Nebel des Grauens“ von John Carpenter. Dieses Jahr, so ist zu lesen, spielen beim Weekend-Festival unter anderem Teenage Fanclub, A Certain Ratio und ESG. Wie es wohl backstage bei Pink Floyd in Pompeji gerochen hat? Vermutlich nach Roger Waters.

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