Fahrstuhl zum Schafott

Was vom Kinojahr übrigbleibt, sind erst einmal Zahlenkolonnen. 2007 starteten die meisten Fortsetzungen, gab es den höchsten Kopieneinsatz, machte Hollywood den größten Umsatz. Während der Sommersaison wurde in Amerika mit vier Milliarden Dollar ein neuer Rekord aufgestellt. Fast die Hälfte davon trugen jene sieben, acht Sequels bei, die zuvor als Favoriten gesetzt waren – wie „Spider-Man 3“, der mit 151 Millionen Dollar das beste Startergebnis aller Zeiten erzielte. Die Bosse können sich loben: Alles richtig gemacht. Doch die Lage ähnelt einem Pyrrhussieg. Das Zittern um die Zukunft des Kinos geht weiter. Die Produktionskosten lagen 2007 mit durchschnittlich 65 Millionen Dollar pro Film so hoch wie noch nie, allein „Spider-Man 3“ verschlang 260 Millionen Dollar. Zugleich weiden fast jährlich die Ticketpreise angehoben.

Die Publikumszahlen sind allerdings kaum gestiegen, in Deutschland sogar gefallen. „Fluch der Karibik 3“, „Harry Potter und der Orden des Phönix“ und „Shrek der Dritte“ hatten rund jeweils eine Million Zuschauer weniger als die vorherigen Teile. Schuld ist für hiesige Kinobetreiber mal wieder das Wetter. Dabei mangelt es vor allem an Originalität und neuen Konzepten. „Spider-Man 3“? Schon wieder vergessen. „Shrek der Dritte“? Völlig überflüssig. „Stirb langsam 4“? Letztlich enttäuschend. „Der Sternwanderer“, „Wintersonnenwende“, „Der goldene Kompass“? Immer gleicher Fantasy-Quark, der selbst Kinder ermüdet.

Innovative Computerspiele und komplexe Fernsehserien auf DVD wachsen zudem zu einer bedrohlichen Konkurrenz. Und die Renditegaranten im Kino sind Auslaufmodelle. „Ocean’s 100“ wird es wohl nicht geben. Das Ende von „Harry Potter“ ist absehbar. „Shrek“ soll zwar weiter leben, aber wie lange? Produzent Jerry Bruckheimer flucht, weil Johnny Depp nicht mehr den Piraten geben will. Bruce Willis würde gerne noch mal John McCIane spielen, nur sein Physiotherapeut rät ihm ab. Trotzdem wird die Fortsetzungsmanie mit „Indiana Jones 4“ und sogar „Die Mumie 3“ nicht abreißen.

Wie es anders geht, zeigt das Animationsstudio Pixar, das stets nach vorne blickt und deshalb mit „Ratatouille“ 2007 den kreativsten, unterhaltsamsten Film aus Hollywood geschaffen hat. Richtungsweisend ist auch der filigrane Humor von Marc Forsters „Schräger als Fiction“, der leider ebenso untergegangen ist wie das sinistre Magier-Drama „Prestige“ von Christopher Nolan. Kevin Costner, sonst unerträglich, überraschte in „Mr. Brooks“. Der beste Actionfilm neben „Das Bourne Ultimatum“ war der Western „Todeszug nach Yuma“ von James Mangold. Die geistreiche Ironie in „Die Queen„, die altmeisterliche Konsequenz von Robert Altmans “ A Prairie Home Companion“ und Clint Eastwoods „Letters From Iwo Jima“ hätte eigentlich niemand verpassen dürfen. Je rund 500000 Zuschauer sahen immerhin „Irina Palm“ und „Vier Minuten“, den Gewinner des Deutschen Filmpreises.

Das Glanzstück des Jahres ist allerdings Quentin Tarantino gelungen. „Death Proof“ ist eine Liebeserklärung an das Kino, das mit der digitalen Technik zunehmend seine Seele verliert, an starke Frauen, schöne Hintern, legendäre Autos, Trash und Crashs. Die Dialoge über Sex, der nur Hoffnung und Behauptung bleibt, gleiten dahin wie ein prickelndes Vorspiel mit einem orgiastischen Höhepunkt. Langatmiges Gequatsche? Auch in Jean-Luc Godards „Außer Atem“ wird nur geredet. Tarantino bleibt einzigartig.

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