Habe die Ehre

Ein Vormittag im Land des Lächelns: Wie Trompeter Stefan Mross immer wieder sonntags den ungenierten Unterhalter im ARD-Frühaufsteherprogramm gibt

Immer wieder sonntags komme die Erinnerung, sangen Cindy und Bert selig, als „Am laufenden Band“ und „Was bin ich?“ die Straßenfeger im deutschen Fernsehen waren. Immer wieder sonntags kommt heute Stefan Mross, jener Trompeter, der für seine Platten nicht selbst blies, mit alkoholischen Exzessen auffällig wurde und mit der Sängerin Stefanie Hertel verheiratet war, bis er sie gegen seine Aufnahmeleiterin austauschte. Aufgenommen wird eine Unterhaltungssendung für sonntägliche Frühaufsteher, die den bigotten Schwiemel aus Sommer, Sonne und Liehiiiebe in vollen Zügen genießen. Stefan Mross, eine ölige bayerische Entität zwischen Michael Schanzes Anbiederei und der Zotigkeit von Karl Moik, begrüßt das Publikum im „Europapark Rust“; die Kulissen sehen aus, als hätte ein Kindergarten ein Blümchenmalen auf gelber Pappe veranstaltet; die Zuschauer sitzen in Funktionsjacken auf Bierbänken, als würde gleich der Heizdeckenverkäufer mit dem Vortrag beginnen. Der Heizdeckenverkäufer Mross liefert. Wo der säftelnde Conferencier auftritt, da ist der Mallorca-Troubadour Jürgen Drews nicht weit. Drews ist der virilste 71-Jährige der Welt, und er weiß es. „Immer noch knallt bei mir die Sicherung raus, wenn ich dich seh, wie Gott dich schuf“, röhrt er in dem Brecher „Du kriegst bestimmt den Liebesnobelpreis“. Mross sagt oft „Habe die Ehre“, obwohl man ihm anmerkt, dass er die Auftretenden für Flitzpiepen hält. Jetzt kommt Anna-Carina Woitschack, eine Entdeckung von Dieter Bohlen: „Setz die Segel und lass uns starten/Auf einmal ist wieder Sommer/Einen Sommer lang“, trällert die resche, maskenhafte Blondine zum automatisierten Cheerleader-Ballett. Mross stellt die herzigen Zwillinge Verena und Nadine „aus dem schönen Münsterland“ vor: „Ach, jawoll, die Mädels!“ Die Mädels treten in einem Sympathiewettbewerb gegen den Titelverteidiger Hansi Berger an, einen feschen Akkordeonisten aus Südtirol, der „Die Zeiten, die san anders worn“ (nicht von Bob Dylan) intoniert. Auf dem Akkordeon steht „Hansi“. „Auch dieser wunderschöne Tag“, lippenbewegt der Gaudibursch in Lederhosen, „wird morgen gestern sein/Die Welt, die muss sich weiterdreh’n.“ Verena und Nadine mimen „Zwei Herzen, ein Lachen“: „Weil wir gerne fröhlich sind, sind oft die Sorgen klein.“ Dann kommen die Südtiroler Spitzbuam: „Die Spuren der Sonne werden niemals vergeh’n.“

Mross ist nun auf Betriebstemperatur und befragt die Weltrekordlerin im Weintraubenstampfen. „Ich trink‘ Wein aus der Mosel“, faselt der Bayer. Ungeniert starrt er auf den Busen der Weintraubenmamsell, stammelt irgendwas wie: „Das Herz in der wunderbaren Brust – obwohl, i woaß ja no gar net, wie wunderbar die is“, und die stämmige Pfälzerin versetzt: „Trinkst du nen guten Winzertropfen, lässt sich’s später besser … stampfen.“ Derart befeuert, tritt Mross in einem Zuber drei Liter Most, die Weltrekordlerin stampft nur zwei Liter. Vor Stolz packt Mross das Revers seines Jacketts und wirft sich in die Brust. Ein maulfaules Mädchen, das in einem Musical eine Katze spielt und von Mross „kleine Maus“ genannt wird, singt ausdruckslos und falsch „Zwei kleine Italiener“.

Nun überrascht der aasige Moderator eine Frau im Publikum, indem er ein verzopftes Märchen von einem „Karnevalsprinzen“ erzählt – zu diesem Zweck hat er ein altes Buch aufgeschlagen und sitzt in einem Ohrensessel. Die Frau im Publikum merkt, dass sie gemeint ist, sie hat drei Kinder mitgebracht, ihr Freund führt ein Sportartikelfachgeschäft im Ruhrgebiet. Mross geht zu ihr und sagt immer wieder: „Aber das Märchen ist noch nicht zu Ende“, er fragt: „Wie könnte das Märchen zu Ende geh’n?“, sie sagt schließlich ohne Überzeugung: „Sie leben glücklich bis ans Lebensende!“, und hastenichgesehn wird der vierschrötige Freund mit Wams und Kappe auf einem Gaul hereingeführt, um der Maid einen Heiratsantrag zu machen. Sie keucht: „Ja!“ Hernach singt Nicki, im Showgeschäft seit 1983, und Stefan Mross muss in einem auf blasbaren Schwimmbecken auf einem elektrischen Surf brett reiten. „Schon seit der ersten Sendung zieht’s mir hier die Schuh‘ aus!“, ruft der Unterhaltungskünstler. Zum Schluss belfert noch einmal Jürgen Drews, jetzt mit Bratenrock und Fliege.

Das Wetter hat gehalten, es ist immer noch Sommer, die Liehieebe blüht, die Rentner schunkeln, immer wieder sonntags kommt die Erinnerung, und dieser wunderschöne Tag wird morgen gestern sein. Habe die Ehre.

Der Autor schätzt „Willkommen bei Carmen Nebel“ und den „Musikantenstadl“ mit Andy Borg; seine liebste Show aber bleibt „Der blaue Bock“.

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