Heinos Rache – eine Rezension von Arne Willander

Das Album "Mit freundlichen Grüßen" schlägt die Popkultur mit ihren eigenen Mitteln.

Hey, war Heino nicht verdammt uncool? Seit den 60er-Jahren intonierte der Albino-Barde sonor Volkstümelndes, Pseudo-Folkore und Schlager-Schwachsinn, wurde zur Galionsfigur der Blaue-Block-Fraktion und Hassgestalt jeder Jugend. Heino litt still, besuchte in den 80er-Jahren Südafrika und Namibia, schrieb vorzeitig seine Memoiren und gab den ausgeschlafenen ehemaligen Bäckersburschen, der von Gottes Gnaden zu Höherem berufen war. Als er merkte, dass die Parodien – etwa vom „wahren Heino“ – ihn auch bei der nächsten Generation notorisch machten, entdeckte er die Selbstironie sowie die Tatsache, dass er hinter den dunklen Brillengläsern schmerzfrei ist.

In seinen späten Jahren imitierte Peter Alexander häufig die Kostümgruppe Dschinghis Khan und andere zeitgenössische Erscheinungen, und sein altes Publikum, das die Zeit nicht mehr verstand, amüsierte sich wie Bolle. Auch Alexander galt den Jüngeren nicht viel, er war ein Unterhaltungskünstler von gestern, der König des Samstagabends, der im Fernsehen noch bis in die 80er-Jahre regieren durfte. Heino ist heute sogar aus den Volksmusik-Sendungen verschwunden, der aasige Florian Silbereisen gibt dort selbst den Clown, und zünftige Akkordeonspieler mit Gelhaaren gehen mit Tschingdarassabumm voran. Heino ist 74 Jahre alt, sein Publikum stirbt weg.

Mit einem Befreiungsschlag kehrt der Sänger nun aus seinem Retiro zurück: Das Prinzip „Remake/Remodel“ hat Johnny Cash, Neil Diamond und Udo Lindenberg wieder nach oben gebracht; mit Ironie ließen sich Tony Christie, James Last und Tom Jones überarbeiten, indem sie sich dem Zeitgeist anbiederten. Heinos Album „Mit freundlichen Grüßen“ ist insofern eine Provokation, als er die Songs der Gegenkultur singt; Lieder von den Ärzten, Clueso, Stephan Remmler, Keimzeit und Nena. Sofort empörte sich die Grupe Oomph!, obwohl Heino ihr „Augen auf“ würdevoll nachsingt. Rammstein und Marius Müller-Westernhagen reagierten richtig, also gelassen, indem sie sich kaum darum kümmerten. Man kann gegen Heino nicht gewinnen.

Heinos neue Plattenfirma heißt Starwatch, und die Produzenten seiner Platte haben alles richtig gemacht: Ihre Bläser-Arrangements sind elegant, die Stücke sind unzerstörbar. Und Heinos Bariton, sein stoischer Sprechgesang, trägt die dümmlichste Lyrik – der Mann hat ein majestätisches Bravado. Das schnodderige „Junge“ von den Ärzten, ein Eltern-Lamento an den unbotmäßigen Sohn, ist noch vergnüglicher, wenn es mit Heinos Autorität und Hintergrund gesungen wird: „Junge, wo soll das noch enden? Und immer dieser Lärm! Und ihr nehmt doch alle Drogen!“

Auf Heino können sich alle einigen, weil Heino schon für unsere Eltern der Watschenmann gewesen war. Deshalb ist „Mit freundlichen Grüßen“ seine Rache an uns allen: Heino schlägt uns mit den eigenen Waffen. Und die köstlichste Ironie liegt darin, dass er niemals ein Nummer-eins-Album hatte – jetzt aber womöglich eines haben wird.

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