Festivalbericht

Hurricane 2015: So war der Samstag – mit Farin Urlaub, K.I.Z., Future Islands u.v.m.

Tag Zwei beim Hurricane-Festival 2015 mit First Aid Kit, K.I.Z, Future Islands, Cro, Farin Urlaub, Black Rebel Motorcycle Club u.v.m.

Nachdem der Freitag im Zeichen nasskalten Regenwetters stand, gibt es am Festival-Samstag Sonne satt. (Auch wenn sich die Wolken nicht gänzlich vertreiben lassen wollten.)

First Aid Kit

Der Hippie-Folk von First Aid Kit ist da genau das richtige, um die zarte Andeutung eines Sommertages zu genießen. Die beiden filigranen schwedischen Schwestern Johanna und Klara Söderberg haben sichtlich Spaß mit ihrem angetüdelten Sirenengesang. Man denkt sich: Gut, dass diese lächelnd vorgetragenen Country-Variationen nicht von ein paar hässlichen Truckern in einer amerikanischen Bar vorgetragen werden. Conor Oberst hatte schon den richtigen Riecher, als er die Band auf seinem Label Saddle Creek Records unter Vertrag nahm.

Future Islands

Noch geschmeichelt vom raumgreifeneden Wohlklang der Schwedinnen, wird es nun hektischer: Future Islands entführen stilvoll in die 80er. Das größte Kapital der Band ist Sänger Gerrit Welmers, der sich mit Emphase in die Songs wirft, mit den Armen rudert, auf den Bühnenboden wirft, springt und brüllt. Mit skinny jeans, orangenem Hawaiihemd und theatralischen Gesten sieht er aus wie eine Mischung aus Morrissey und Joaquin Phoenix. Die Bereitschaft sein letztes Hemd zu geben, sich komplett zu verausgaben, wird vom Publikum euphorisch goutiert, vor allem ihr Hit  „Seasons“ wird wildtanzend befeiert.

Die Antwoord

Die eigentlichen Feiergroßmeister sind allerdings Die Antwoord, denn mit ihrem muskelbepackten RaveRap verbinden sie auf derart impulsive und sicher auch martialische Art und Weise all das, was die Popmusik in den letzten Jahren an den Randzonen des Kommerzes verkommen lassen hat. Sängerin Yolandi Visser, mit weißumrandeter Augenpartie, piepst ihre kaum verständlichen Ansagen ins Publikum, ihr hühnengleicher Kollege Ninja – der seinem Namen alle Ehre macht und nach etlichen Bädern im Publikum freudestrahlend seinen durchtrainierten Allerwertesten entblößt – ist hingegen für die knallharten Sprüche („Fuck The Rules!“) und vorpreschenden Gesangsparts zuständig. Dann brettern allerdings die messerscharfen Beats dazwischen und Publikum wie Musiker hüpfen derart ungestüm, dass man noch Kilometer weiter leichtzuckende Erdstöße vernommen haben muss. Ein merkwürdiges Gespann, diese Elfe und der Testosteronkoloss, doch die Südafrikaner haben zur Zeit, man verzeihe den Kalauer, die richtige Antwort auf den kommerziellen und künstlerischen Overkill der Rap- und Danceszene parat.

Farin Urlaub Racing Team

Farin Urlaub sorgt dann schon für einen gewissen Stilbruch, als er mit seinem Racing Team die „Green Stage“ entert. Mit weiblichem Chor im Rücken und durch ein Bläser-Ensemble verstärkt, wirken nicht nur die neuen Songs aus dem Album „Faszination Weltraum“ immer ein Stück größer, als sie sind. Auch solo spielt der große Blonde letztlich Ärzte-Lieder ohne Ärzte – selbst den eingefleischtesten Fans dürften mittlerweile die zuweilen sogar geschmacklosen Selbstzitate und ewiggleichen Reimschemata (wo der Herzinfarkt wie selbstverständlich mit dem Wörtchen Sarg vermählt) zuviel geworden sein. Allerdings gehört Urlaub, seinem Künstlernamen entsprechend, zu den entspanntesten Naturen, die sich in dieser Galaxie denken lassen und so befindet er sich mit dem gutgelaunten Publikum in einem niemals launigen Dialog, der so etwas wie echte Verbundenheit ausdrücken mag. Wenngleich der jugendliche Spaß von einst immer mehr einer professionellen Show-Routine gewichen ist, so ist doch die Verbindung zwischen Künstler und Anhänger hier auf eine berückende Art und Weise vorbildlich. Da ist es passend, dass das „Abschiedslied“ als letzter Song des Sets keine Spur wehmütig daherkommt – schließlich wird so einer wie Farin Urlaub in angespannten Zeiten wie diesen mehr als gebraucht, Plattitüden hin oder her.

Cro

Cro ist schon lange  bei den oberen 10.000 angekommen, freut sich aber immer noch sichtlich wie ein kleines Kind über die Zuneigung seiner zum großen Teil weiblichen Fans. Die singen die groovend-entspannten Stücke wie „Easy“ und all die anderen zahllosen Boy-meets-Girl-Szenarien dankbar mit. Carlo Waibel, wie der Mutlangener mit bürgerlichem Namen heißt, ist eigentlich kein Showman, auch kein Womanizer. Eher hat man das Gefühl, dass er seine Maske trägt, um seine natürliche Schüchternheit zu verbergen. Dieser Schmuserap ist für all die aufgeregten jungen Mädchen, die zum ersten Mal auf einem Festival sind, vielleicht so etwas wie das Äquivalent zu einem Alcopop. Zum Schluss gibt es dann noch ein bonbonfarbendes Feuerwerk – das den zahlreichen anderen Rapperkollegen, die an diesem Tag die „Bluestage“ unsicher machen, nicht vergönnt ist. Am Ende siegt Freundlichkeit eben doch über loses Mundwerk.

K.I.Z.

K.I.Z. haben natürlich anderes im Sinn. Die Berliner Rapper spielen  ihre Proll-Attitüde mit grenzenlosem Hang zur Ironie gnadenlos aus. Da fallen die zahlreichen Grenzüberschreitungen in den mitunter radikalen Texten (die auch nicht davor Halt machen, Adolf Hitler in den Refrain mit einzubeziehen) gar nicht mehr auf. Immer wieder gefällt sich das Trickster-Quartett mit politischen Ansagen („Jetzt gibt es ein bisschen Bildung!“). Die zahlreichen popkulturellen Zitate – von Venga-Boys bis Pippi Langstrumpf – sind enorm wirkungsvoll und derart subtil eingesetzt, dass ihre Verschiebung auf einen oftmals unerhört subversiven Kontext erst wirksam wird, wenn der Rausch des Abends längst verflogen ist.

Black Rebel Motorcycle Club

Nach den zahlreichen deutschen Acts ist nun Platz für die vielleicht coolste, weil zunächst am emotionslosesten daherkommende Band des Abends. Der Black Rebel Motorcycle Club rollt zu einem bedrohlichen Gitarrengewitter auf die Bühne. Peter Hayes Locken stehen tief im Gesicht, die Zigarette ist schon fast verglommen, die Nebelschwaden umschließen die Kalifornier gänzlich. Die psychedelischen Gitarrensounds sind so trocken, dass man geradezu den Staubgeruch an ihren schwarzen Lederstiefeln in der Nase kitzeln spürt. Ihre dröhnende Psychedelia und die hart angeschlagenden Instrumente vermitteln zwar einen gewissen Autismus, doch nach all den Partysängern und Mitmachmusikern ist das genau das richtige für den Abschluss des zweiten Festival-Tags auf dem Hurricane. Wie selbstverständlich mischen sich balladeske Songs wie „Rivals“ mit Southern Rock und mäandernden Gitarrenmonstren („Let The Day Begin“).  Diese Typen haben den Rock ’n‘ Roll-Lifestyle noch mit der Muttermilch aufgesogen.

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