„I give a fuuuuck“

Gut aussehen kann Orlando Bloom besonders gut in lustigen Kostümen, diesmal als eitler Duke in „Die drei Musketiere“. Er ist nicht aufsässig, Manieren hat er auch. Die ganze Welt will ihn. Ist er Hollywoods Star-Prototyp 2011?

Vor dem Fahrstuhl im Four Seasons Hotel lungern Mädchen und Jungs, die Telefone griffbereit. Orlando Bloom könnte im Fahrstuhl stehen, dann muss blitzschnell das Foto für Twitter geschossen werden. Mit Fotos von Orlando kann man sehr gut punkten, der ist begehrt wie Vampir Robert Pattinson vielleicht. Oder Pirat Johnny Depp. Eben einer der Garde, die nicht einmal mehr mit einem Sack über dem Kopf einfach so zu Starbucks gehen könnten.

Orlando sitzt 15 Stockwerke höher und muss arbeiten. Zwei, drei Dutzend Menschen aus der ganzen Welt warten auf ihn, weil die ganze Welt auf ihn zu warten scheint. Es geht um „Die drei Musketiere“ (Kinostart 1.9.), und er gibt ein Interview nach dem anderen. Stundenlang, tagelang, vielleicht wochenlang, das Interesse ist riesig. Er wird gefragt werden, wie es ist, mit Christoph Waltz zu drehen (Waltz spielt Kardinal Richelieu). Und wie es ist, mit Milla Jovovich zu spielen (sie ist Milady, die böse Verführerin). Er wird nach seiner Supermodel/Victoria-Secret-Frau Miranda Kerr und dem Baby gefragt werden. Wie es so ist als junge Familie. Das interessiert die Leute sehr, weltweit.

Vor dem Interview wird höflichst nachgefragt, ob man ihn genau darauf bitte nicht ansprechen könnte. Weil: Darüber wollten alle sprechen. Ok. Wir versuchen also in den 20 Minuten lieber herauszufinden, ob es sich bei dem Schauspieler auf dem seidenen Sofa eventuell um einen passenden Prototyp für den modernen Star 2011 handelt.

Der Manieren-Check. Orlando Bloom steht auf, wenn jemand den Raum betritt. Er fragt, wo man sitzen will. Er räumt benutzte Kaffeetassen weg. Hallo, wie gehts? Wie war Ihr Tag bisher? Früh aufgestanden? Ja, kennt er zu gut. Telefonieren mit Europa und so. Orlandos Look: Er trägt einen zerknautschten Pullover, dunkle Jeans, kaum Bart. iPhone griffbereit. Er gähnt, immer mal wieder. Nun ja. Nicht wirklich unhöflich. Er hält die Hand korrekt vor den Mund. Er schaut interessiert, aber nicht aufgeregt. Bloom ist in der Profi-Liga. Er ist ein Blockbuster-Gesicht. Kein Milchbubi mehr, der anfängt. Er absolviert Routine mit Lässigkeit.

Orlando kommt der Hauptfigur aus der Serie „Entourage“, Vincent Chase, sehr nahe. (Chase ist ein Schauspieler, der in Hollywood Karriere macht und mit Katastrophen, Niederlagen und Narzissmus zurechtkommen muss. Seine Entourage hilft ihm dabei.) Bloom hat die gleiche Aura wie die Figur Chase: die Mixtur aus leichter Langeweile und Freundlichkeit. Bescheiden sein, wenn der Moment es verlangt. Arrogant sein, wenn es der Moment verlangt. Nicht einfach. Wir fragen nicht nach Supermodelfreundin und Baby. Wir wollen über Orlandos Entourage reden, in Hollywood ein wichtiger Teil des Karriere-Lebens.

Haben Sie eine Entourage, die Sie immer begleitet?

Nein, so etwas hab ich nicht. Ich habe echte Freunde.

Ihr neuer Film „Die drei Musketiere“ handelt vom Zusammenhalt unter Männern.

Ich finde, er ist ein großes Statement zu Männerfreundschaft. Da kann man sich was abschauen.

Aber Orlando ist gar kein Musketier, sondern der Duke of Buckingham, Gegner der drei Musketiere. In früheren Verfilmungen spielte diese Figur keine große Rolle. Sie ist für die Geschichte nicht zentral. Hollywood-Jungschauspieler wollten immer einen Musketier spielen. Kiefer Sutherland spielte Athos. Charlie Sheen Aramis. Die Musketiere 2011 sind auch ganz flott, aber Regisseur Paul Anderson hat sich für Orlando etwas sehr Besonderes ausgedacht. Kämpfen und fechten sollen die anderen. Orlando tritt einfach auf. Als Duke of Buckingham.

Bloom spielt also einen reichen, gut angezogenen, gemeinen Angeber, an der Grenze zum Arschloch. Er flirtet mit allen Königinnen Europas, er ist kein Vertreter der „guten Sache“. Der Duke besitzt ein Luftschiff, gibt wahnsinnig damit an und kritisiert laufend andere Leute, auch den König, für ihre ältliche Garderobe. Über die Rolle spricht Orlando gerne. Denn der Duke muss anders beeindrucken, als fechtend rückwärts von Notre Dame zu stürzen.

Wer ist der Duke, was hat er uns zu sagen?

Er ist ein Rockstar, ein kindischer Typ. Ihm geht es vor allem um das Luftschiff, mit dem er regelmäßig aufkreuzt. Alle beneiden ihn um das Schiff. Im Film wirkt das so, als ob er immerzu mit einem neuen Ferrari daherkommt. Ein Luftschiff gab es damals noch gar nicht. Aber Paul Anderson hat gesehen, wie gut mir so ein Luftschiff steht. Der Duke kommt einfach und tritt auf. Ich muss nur posen. Das finde ich sensationell.

Ihre Outfits im Film sind die heißesten, zickiger als die Kleider von Milla Jovovich.

Meine Kostüme sind die besten. Mein Lieblingsanzug ist ein schwarzer Overall. Er passt mir wie angegossen. Ich will ihn nicht mehr hergeben. Ich liebe exzentrische Kleidung wie die des Duke. Ich bin beim Dreh 24 Stunden am Tag so herumgelaufen. Ich wollte gar nichts anderes mehr anziehen.

Warum?

Seine Outfits sagen „I give a fuuuuuck“.

Orlando zieht das „fuuuuck“ sehr lang. Und er flüstert es. Er will sich nicht als Rebell profilieren. Das ist derzeit out in Hollywood, die Zeiten verlangen andere Typen. Für Blockbuster in 3D müssen Jungs und Mädchen her, die posen können. Johnny Depp kann posen. Leonardo DiCaprio auch. Und Orlando kann das noch besser. Er hat es von der Theaterbühne in London mitgebracht. Für einen Film wie „Die drei Musketiere“ in 3D mit allen möglichen Technik-Spielereien und neuartigen Waffen, die geschickt bedient werden wollen, ist ein Poser dringend nötig.

Paul Anderson muss gesehen haben, wie Bloom in Kostümen wirkt. Orlando zählt zu den Jungs, deren Karriere-Highlights sich anhand von Verkleidungen am besten erzählen lassen. Besonders gut stand Bloom das taillierte Jackett und der Hut des späten 19. Jahrhunderts. Das trug er als attraktiver Stricher in „Wilde“, der Verfilmung der Biografie von Oscar Wilde. In „Herr der Ringe“, Orlandos Durchbruch in Hollywood, hatte sich Peter Jackson eine blonde Mähne für Bloom ausgedacht. Er trug sie tadellos zu den spitzen Ohren.

Sein Look in „Fluch der Karibik“ – mit Schnauzbärtchen und Piratentuch – stand ihm ausgezeichnet und wirkte sehr natürlich. Wäre man ihm so auf Ibiza am Strand begegnet, man hätte sich nicht groß über ihn gewundert.

Man muss schon ein bisschen eitel sein, um in Kostümrollen zu bestehen, denn man konkurriert dann immer auch mit der Kleidung. Der Duke im Film ist passenderweise ein Narzisst sondergleichen. Orlando gibt zu, dass er selbst am Anfang seiner Karriere vielleicht ein bisschen zu verliebt in sich selbst war.

Fanden Sie sich eine Weile geradezu übermenschlich schön? Und toll?

In der Vergangenheit gab es eine Zeit, in der ich mich schuldig gemacht habe, nicht über mich lachen zu können. Das ist jetzt vorbei.

Der Beweis: Sie spielen in Ricky Gervais Serie „Extras“ sich selbst. Sie spielen Orlando Bloom, der sich vor Angeboten kaum retten kann. Nur ein Mädchen findet ihn nicht so toll. Das macht Orlando Bloom wahnsinnig, und er versucht, das Mädchen mit allen Mitteln zu überzeugen. Er zeigt ihr sogar seine Platzierung in der „Sexiest Man Alive“-Liste …

Ja, Wahnsinn, nicht? Mein großes Vorbild in dieser Hinsicht ist auf jeden Fall Johnny Depp. Er weiß genau, wie das mit der Selbstironie wirklich funktioniert.

Die Sache mit der Liste stimmt übrigens. Orlando hat einen Platz auf Hunderten der „Sexiest Man Alive“-Listen. Er steht immer in der Nähe von Leonardo oder Johnny. Er fällt nicht ab. Sein Beliebtheitskurs ist stabil. So wie er selbst. Er verwandelt sich nicht plötzlich in einen Anti-Typ. Er fühlt sich überall wohl, sagt er. Und wenn er in Bayern die Musketiere dreht, findet er eben Sauerkraut und das Bier lecker. Er beherrscht die Kunst der Assimilation an die Welt, an der er gerade teilhat. Oder die er gerade spielen muss. Orlando wird es noch weit bringen. Auch wenn Orlando jetzt ganz schön oft gähnt.

Sein Tag ist lang. Die Gespräche gehen immer weiter. Gleich wird wieder jemand kommen, der ihn nach Frau und Baby fragt. Es hört ja nie auf. Die Welt ist so groß, alle wollen diese Sachen von ihm wissen. Immer die Frau, immer das Baby. Nach seiner Arbeit für UNICEF wird er selten gefragt. Deshalb erzählt er einfach drauflos. Er spricht von Orten auf der Welt, wo Kinder auf tagelange Fußmärsche zum Wasserholen geschickt werden, obwohl diese Anstrengung meist umsonst ist, weil das Wasser schlecht ist und alle krank macht. Orlando ist fassungslos darüber. Es ist, als erzähle er sich die Geschichte selbst. Und gar nicht jemand anders. Er macht das sehr gut. Es fehlt nur noch ein Kostüm dazu.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates