Q&A

„Ich lebte wie eine Nonne“: Florence Welch im Interview

Die Sängerin von Florence + The Machine über ihren Sturz von der Bühne, Geister auf dem Friedhof und ein Lob von Neil Young.

„Vielleicht tat es mir ja ganz gut, eine Weile unter die Räder zu kommen“, sagt Florence Welch angesichts von „How Big, How Blue, How Beautiful“, ihrem ersten Album nach vier Jahren. Die schwierige Trennung von ihrem Freund hatte sie auf sehr eigene Art verarbeitet – sie entschloss sich, die Zügel etwas schleifen zu lassen und möglichst viel Spaß zu haben. Doch schließlich zog die 28-Jährige einen energischen Schlussstrich, komprimierte diese Erfahrungen zu ihrem emotional intensivsten Album und schwor bei den Sessions sogar dem Alkohol ab. „Ich lebte wie eine Nonne“, sagt Florence. „Ich radelte zum Studio, radelte nach Hause, las, aß und ging zu Bett. Es war fast eine Art Rekonvaleszenz. Aber es war eine magische Zeit.“

Sie lieferten beim Coachella Festival zwar einen fantastischen Auftritt, brachen sich aber den Fuß. Was war da los?
Ich forderte die Zuschauer auf, sich auszuziehen. Wir tun das bei unseren Shows schon seit geraumer Zeit – und mein Gitarrist macht mich ständig an, dass ich selbst nicht mitmache. Also dachte ich mir: Shit, du musst das jetzt wohl oder übel auch tun. Ich fing also an, mir das Hemd auszuziehen, bis ich mir dachte: Ich muss da runter ins Publikum, wo sich alle ausziehen. Ich machte also einen Satz von der Bühne, landete hart auf dem Boden und dachte nur: Oh Shit! Ich schaffte es zwar noch, wieder auf die Bühne zu klettern, aber dort fand mich dann mein Security-Typ, wie ich – nur im BH – hinter dem Lautsprecher lag.

In vielen der neuen Songs geht es um eine Beziehung, in der sich zwei Menschen zunehmend voneinander entfremden.
Es war eine Erfahrung, die ich niemandem wünsche. Aber wenn man etwas Positives daraus machen kann, ist es den Preis wohl wert. Jeder Song ist wie ein Talisman – ein kleiner Zauberspruch, den man nur für sich selbst aufschreibt.

Sie sind ein Jahr lang komplett ausgestiegen, bevor Sie das neue Album gemacht haben. Womit haben Sie sich beschäftigt?
Es sollte eigentlich eine unbeschwerte Zeit sein, doch tatsächlich ging es in meinem Kopf drunter und drüber. Ich versuchte der Frage auf den Grund zu gehen, was mich wirklich glücklich macht: Das Leben als große Party oder doch eine Zweierbeziehung? Die Pause führte unweigerlich dazu, dass ich mich mit meinen eigenen Dämonen auseinandersetzen musste.

Hörte einer der Dämonen vielleicht auf den Namen „Alkohol“?
Natürlich. Wenn man auf Tour ist, fließt er automatisch. Man fährt in eine andere Stadt, kommt in ein neues Hotel – und solange die Show nicht darunter leidet, ist auch alles prima. Aber man kann diese Einstellung eben nicht auf sein Privatleben übertragen. Wenn man jenseits des Tour-Plans so zu leben versucht, kommt man schnell zu der Einsicht: Oh Shit, ich hab’s wohl wieder mal verbockt!

Was genau meinen Sie mit „verbockt“?
Dass man zum Beispiel als Schnapsleiche bei „MTV News“ landet. Einmal gab’s in meinem Haus eine riesige Party. Ich war schon gut abgefüllt, als wir noch zu einer polynesischen Bar gingen. Ich hatte schon lange nicht mehr auf einer Bühne gestanden, aber da die Bar eine Hausband hatte und ich schon reichlich Kurze gekippt hatte, ließ ich mich schließlich überreden. Zwei Tage später bekomme ich einen Anruf von meinem Manager: Irgendjemand muss mich wohl mit dem Smartphone aufgenommen haben, wie ich grölte und plärrte und mir Schnäpse hinter die Binde goss. Und natürlich landete das gleich bei „MTV News“.

Sie sind für Ihre abgehobenen Outfits bekannt. Wird es im Lauf der Jahre schwerer, immer neue Kreationen zu finden?
Im Moment geht es mir eigentlich eher ums Reduzieren. Ich habe inzwischen den Eindruck, als würde das, was man trägt, auch automatisch diktieren, wie man sich auf der Bühne verhält. Und deshalb möchte ich sicherstellen, dass ich diesbezüglich die größtmögliche Freiheit habe. Ich schaue mir an, wie selbstverständlich Nick Cave in seinem Anzug auf die Bühne kommt. Mit anderen Worten, wir nehmen von den Kostümierungen zunehmend Abstand. Ich bin fasziniert von der Idee, die Grenze zwischen meinem privaten Ich und der Bühnenperson immer weiter abzubauen.

Es heißt, dass Sie in früheren Jahren versucht hätten, mit Geistern in Kontakt zu treten.
Na ja, ich bekam als Mädchen immer einen Kick, wenn ich mich auf Friedhöfen herumtrieb. Es ist eine irgendwie befreiende Erfahrung, dem Tod so nahe zu sein. Als ich 17 Jahre alt war und zur Beerdigung meiner Oma musste, sah ich, wie plötzlich ein kleiner Junge aus den Büschen trat. Ich dachte mir: Ich tue jetzt einfach mal so, als wäre ich ein Geist, und jage dem Knirps einen Schrecken ein. Wir hatten ein kurzes, banales Gespräch, bevor er wieder in den Büschen verschwand. Doch dann fragte ich mich: „Shit, woher kam der Junge eigentlich? Vielleicht war er ja ein echter Geist!

Sie sind im letzten Jahr auch bei Neil Youngs Bridge-School-Benefizkonzert aufgetreten. Haben Sie Neil kennengelernt?
Ja, er ist ein Mensch mit einer bemerkenswerten Energie. Er erzählte mir, dass er nach dem Hören meiner Platte zunächst dachte, ich wäre ein Mann mit einer hohen Stimme. Er sagte so was wie: „Ich lebe in den Bergen, ich hab mit Medien nichts am Hut. Ich dachte halt, du wärst ein Mann, der zufällig Florence heißt.“ Und ich so: „Hey, das ist ja ein echter Punk! Danke, Neil, ich bin begeistert!“

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