Ihm ist nichts peinlich

ROD STEWART GEHÖRT zu diesen Männern, die man kaum übersehen kann, und das liegt nicht nur daran, dass er immerhin 1,78 Meter ist -größer, als man annimmt, weil man den Sänger stets in Begleitung ihn weit überragender Models sieht. Er wirkt wie ein Mensch, der seinen festen Platz im Leben gefunden hat. Kommt schon lächelnd ins Zimmer, sieht ausgeschlafen aus und platziert sich sofort im größten Sessel. Er trägt einen schwarzen Anzug mit Krawatte und Einstecktuch, aber Sneakers. Die Haare stehen ihm wie immer perfekt unperfekt zu Berge. Er fragt, ob man etwas trinken wolle, und schiebt dann hinterher:“Oder vielleicht ein paar Linien Kokain?“ Über den Scherz lacht er selbst am lautesten, denn heutzutage ist natürlich klar, dass es ein Scherz ist. Rod Stewart heult vielleicht in der Öffentlichkeit, wenn es um Fußball geht, oder trinkt mal einen über den Durst. Aber die großen Exzesse liegen hinter ihm, „Rod the Mod“ war gestern. Er ist jetzt 68.

In den vergangenen Jahren hat er mehrere Alben mit amerikanischen Standards aufgenommen und schließlich noch ein Weihnachtsalbum. Er glaubte selbst nicht mehr, dass er überhaupt noch Lieder schreiben kann – und weil die „Great American Songbook“-Alben so erfolgreich waren, musste er es gar nicht versuchen. Bis eines Tages sein Freund, der Gitarrist Jim Cregan vorbeikam und ihn „in den Arsch trat“, wie Stewart sagt. Das Ergebnis heißt „Time“, elf Stücke hat Stewart dafür (mit)verfasst – mehr denn je. „Früher fielen mir mal drei, mal fünf ein. Aber elf? Ich war selbst überrascht! Und froh, dass die Plattenfirma mir das durchgehen ließ. Zu dem Weihnachtsalbum war ich ja vertraglich verpflichtet, und ich muss irgendwann auch noch ein Country-Ding machen. Bei dieser Platte waren die Erwartungen seitens des Labels bestimmt nicht sehr hoch. Wer macht in meinem Alter schon noch gute Alben?“ Er lacht laut auf, seine Stimme wird gleich noch etwas rauer.

Zwischen der melancholischen Jugenderinnerung „Brighton Beach“ und dem Scheidungsdrama „It’s Over“, zwischen dem üblichen Mainstream-Rock und ein paar ruhigeren, souligeren Stücken scheint sich Stewart wohlzufühlen wie lange nicht mehr. In „She Makes Me Happy“ singt er fast unverschämt fröhlich: „I’m a stubborn kinda fellow, never thought this could happen to me/I could smoke and drink and gamble just as I pleased/Now I’m working out daily and I’m watching my waistline/ I’m rocking in paradise/ When I get home there’s a hot bath waiting/Glass of wine on the side.“ Immerhin, Wein gibt es noch! Rod Stewart sagt, dass er nie gespielt oder geraucht habe, doch der Rest stimmt so ziemlich. Es ist ihm egal, was andere von seinem neuen gemütlichen Leben halten. Er hat sich früh daran gewöhnt, dass man es nicht allen recht machen kann: „Mein Lieblingslied auf dem neuen Album ist ,Can’t Stop Me Now‘, da geht es um all die Zurückweisung, die ich am Anfang meiner Karriere erlebt habe. Wie ich nach Hause kam und meinem Vater sagen musste: ,Keiner mag mich und meine Musik!‘ Habe trotzdem weitergemacht.“

Man solle nichts zu seinem Privatleben fragen, hieß es vor dem Interview -was sowieso nicht nötig ist, weil Stewart freiwillig davon erzählt. Er ließ in seiner Autobiografie „Rod“, die im vergangenen Jahr erschien, ja auch kein Detail aus. „Mein Leben war immer ein offenes Buch, schon bevor ich das Buch schrieb. Mir ist nichts peinlich, ich schäme mich für nichts. Aber wenn es ans Songschreiben geht, denke ich: Sei so ehrlich wie möglich, solange die Ehrlichkeit nicht zu schmalzig wird. Es gibt nichts, worüber ich nicht schreiben würde. Scheidungen, Exzesse, Kämpfe: Das gehört nun mal alles zum Leben dazu.“

Und was einige zweifelhafte Alben betrifft oder sein Engagement in Las Vegas: Im Zweifelsfall kann er immer sagen, er habe es für die Familie getan. Acht Kinder von fünf Frauen wollen schließlich versorgt sein. Der jüngste Sohn ist gerade zwei Jahre alt geworden, die älteste Tochter bereits 50. Stewart weiß immerhin, dass er seinen Fans einiges zugemutet hat: „Das klingt schwülstig, aber ich habe dieses Album wirklich für meine Fans gemacht -für die, die mit mir aufgewachsen sind, die schon ,Gasoline Alley‘ mochten, die sich nach dem klassischen Storytelling zurücksehnten. Sie mussten ja lange genug warten und einiges ertragen. Ich persönlich habe mein Weihnachtsalbum über die Feiertage mit meinen kleinen Kindern gern angehört, aber ich verstehe schon, dass einige den Kopf geschüttelt haben.“

Wenn er demnächst auf Tournee geht, will er seinen jüngsten Sohn auf die Bühne holen, natürlich im Kilt. Er hat das mit all seinen Kindern gemacht, als sie klein waren. „Sean hat damals geweint, er war zu schüchtern. Aber Alastair liebt es, er tanzt immer. Es ist schwer, Kinder richtig zu erziehen, wenn man so erfolgreich ist. Sie sollen wissen, was ihr Dad macht. Aber ich möchte nicht, dass sie in meinem Schatten leben. Es ist ein schmaler Grat zwischen Zuviel-Vorenthalten und Zu-sehr-Verwöhnen.“ Rod Stewart ist stolz darauf, dass er bei allem Chaos, das in seinem Leben herrschte, nie seine Kinder aus den Augen verloren hat. In der Familienvilla in Los Angeles ist offensichtlich einiges los. „Vier Kids leben bei mir: die beiden Kleinen natürlich und zwei meiner Töchter. Sean und Renée kommen jeden Tag vorbei. Nur Liam ist weiter weg, er spielt Eishockey in Spokane, Washington, und meine Älteste, Sarah, lebt in England. Die anderen sehe ich ständig.“ Er lehnt sich zurück, lacht noch einmal kehlig und sagt dann das Unvermeidliche: „Some guys have all the luck!“

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