Interview mit M83 und Videopremiere von „Midnight City“

Ab diesem Freitag gibt es das Doppelalbum "Hurry Up, We're Dreaming" von M83 zu kaufen. Wir haben mit Anthony Gonzalez über Weltraumgedichte, Sahnehäubchen und die Sehnsucht nach der Kindheit gesprochen.

Zu unserem Interview mit Anthony Gonzalez alias M83 haben wir heute exklusiv die Vorabpremiere des neuen Videos zu „Midnight City“:

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Die Vorabsingle „Midnight City“ war schon ein geradezu unverschämt eingängiger Hit. Ab diesem Freitag gibt es das Doppelalbum „Hurry Up, We’re Dreaming“ von M83 zu kaufen. Bei uns konnte man die Platte bereits vorab hören: Dramatische, bombastische, hallende Synthesizer-Dreampop-Songs, hat Anthony Gonzalez, der Kopf hinter M83, komponiert. Justin Meldal-Johnsen (Beck, NIN) produzierte die Songs, und Zola Jesus steht auf der Liste der beteiligten Künstler. Doch im Endeffekt ist “ Hurry Up…“ eine Ein-Mann-Show . Als Einflüsse benennt Gonzalez auch deutsche Elektronik-Größen wie Tangerine Dream, Neu! und Kraftwerk. Doch zur Gitarre griff der Franzose einst wegen seiner Liebe zu Iron Maiden. Auch heute steht er immer noch auf die Klassiker – Judas Priest und Co. Einen Teil dieser Bigger-than-life-Attitüde, des Comic-haften findet man auf „Hurry Up…“ wieder: die Sehnsucht nach einer Kindheit, in der wir mit Superhelden zu anderen Planeten geflogen sind und unbesiegbar waren…

Das erste, was man von Ihrer neuen Platte hören konnte, war die äußerst eingängige Single „Midnight City“. War es von Anfang an Ihr Ziel, einen Pop-Hit zu produzieren?

Es hat sich so ergeben, dass der Song sehr tanzbar und spaßig geworden ist – obwohl die Atmosphäre eigentlich düster ist. Ich habe beim Komponieren nicht daran gedacht, eine Single zu schreiben.

Aber das Saxophon-Solo ist definitiv das Sahnehäubchen auf dem Kuchen…

Ja, das Stück war schon fertig, bevor das Saxophon dazu kam. Justin und ich hatten schon immer daran gedacht. Und an der Stelle war es dann so offensichtlich und so ein Klischee, dass wir uns sagten: Wir müssen das machen – egal, was die Leute darüber sagen oder denken werden. Das Solo gehört da einfach hin.

Es gab auch einen Video-Teaser zum Album. Der sah teilweise fast wie eine BBC-Doku aus – die Schönheit und die Wunder der Welt… Wurde das Material extra für den Teaser gefilmt?

Ein guter Freund von mir, Greg Hunt, arbeitet für die Skateboard-Marke Alien Workshop. Er filmt Skateboarder, und ich liebe seinen Stil. Er ist tatsächlich extra zur Küste gefahren und hat dort das Material für den Teaser aufgenommen.

Was können Sie über das Konzept hinter „Hurry Up…“ verraten?

Auf dem Cover sitzen Bruder und Schwester auf dem Bett. Für mich sind die beiden CDs mit diesen beiden Kindern verbunden. Eine CD ist für den kleinen Jungen, und eine  ist für das kleine Mädchen. Es geht darum, wie man als Kind träumt und welche Verbindungen zwischen Geschwistern bestehen. Dementsprechend hat auch jeder Song einen Zwilling auf der anderen CD.

Im Vorfeld wurde verkündet, Sie würden mit diesem Album Ihr ganzes Leben zusammenfassen.

Musikalisch ist das tatsächlich eine Retrospektive. Es gibt haufenweise Elemente, die ich lange nicht mehr genutzt habe, aber auch neue, die es zu verdauen gilt. Das Saxophon ist ein gutes  Beispiel, aber auch eine Akustik-Gitarre habe ich vorher noch nie auf einem Album verwendet.

Midnight City by M83

Werfen wir einen Blick auf ein paar Song-Titel. Da tauchen diverse Namen auf, einer lautet „Claudia Lewis“.

Eines Tages habe ich im Internet aus Spaß über UFOs und Aliens recherchiert. Ich bin auf eine Seite gestoßen, auf der Leute „space poems“ veröffentlichen. Darunter war auch eine Claudia Lewis. Diese Weltraumgedichte waren ziemlich kitschig, aber ihr Name klingt toll. Und in dem Song geht es auch um einen Raumfahrer. Also war das ein guter Titel.

Nächster Name in einem Song-Titel: „Stevie McQueen“ – fast wie der berühmte Schauspieler.

Es ist der berühmte Schauspieler. „Stevie McQueen“ war ein Arbeitstitel, den wir behalten haben, weil uns kein besserer eingefallen ist. Es ist witzig, Sie haben ausgerechnet die beiden einzigen Titel gewählt, bei denen es keine direkte Verbindung zwischen Titel und Musik gibt. Die beiden Songs bilden also auch ein Paar auf diesem Album.

Bei „Klaus I Love You“ gibt es folglich einen Hintergrund?

Ja, „Klaus I Love You“ wurde von Klaus Kinski und Klaus Schulze inspiriert.

Wie kam Kinski auf das Album?

Ich bin ein großer Fan, er ist einer meiner Lieblingsschauspieler, hauptsächlich wegen „Aguirre, der Zorn Gottes“.

Sie sind auch ein Freund von Weltraum- und Science-Fiction-Zeug. Da wäre zum Beispiel der Song „Train To Pluton“.

Es gibt da eine Art Zug-Sampel. Und als ich ein Kind war, mochte ich die Serie „Galaxy Express“, in der ein Kind mit einem Zug von Planet zu Planet reist. Der Song ist also eine Reise zu einem Planeten.

Neben relativ anspruchsvollen Sci-Fi-Filmen wie Tarkovskys „Solaris“ oder George Lucas‘ „THX 1138“ mögen sie also auch eher kitschige Serien. Hat das mit dem Kind in Ihnen zu tun?

Ja, „Star Trek“ und die alten Folgen von „Kampfstern Galactica“ habe ich in meiner Kindheit gesehen. Es macht Spaß, sie jetzt als Erwachsener noch mal zu sehen, weil sie mich an diese gute Zeit erinnern.

Im Albumcover treffen sich beide Atmosphären. Es wirkt kindlich-kitschig einerseits, hat aber auch eine seltsame, düstere Note.

Wahrscheinlich denken viele Leute, dass ich eine sehr melancholische Person bin, weil meine Musik so klingt. Dabei bin ich eigentlich ein sehr glücklicher Mensch, weil ich mit dem, was ich mag, meinen Lebensunterhalt verdienen kann. Das ist die helle Seite. Auf der anderen Seite bin ich sehr melancholisch, wenn es um die Vergangenheit und meine Erinnerungen an sie geht. So ist auch das Cover: verträumt, aber zugleich sehr melancholisch.

Warum blicken Sie so wehmütig auf Ihre Kindheit zurück?

Ich hatte damals einfach eine großartige Zeit. Manchmal, wenn man als Erwachsener das Gefühl hat, dass alles schief läuft und man nicht mehr weiß, wie man seine Rechnungen bezahlen soll, sind Gedanken an die schöne Kindheit tröstlich. Als Erwachsener muss man an viele Dinge denken. Dabei würde ich am liebsten heute noch einfach nur Filme gucken und mich mit meinen Keyboards vergnügen.

Wollen Sie mit Ihrer Musik die perfekte Traumwelt anbieten?

Ich möchte einfach die Realität mit der imaginären Welt vergleichen. Ich mag es, wenn man aus einem Traum aufwacht und traurig ist, weil der Traum perfekt war und man will, dass er für immer bleibt. Man will für immer in dieser Welt bleiben. Das ist es, was die Kinder auf dem Cover sagen: Sie wollen einfach nur träumen, immer weiter träumen. Als Kind hat man diese starke Vorstellungskraft, denkt sich ständig Geschichten und Abenteuer aus. Es geht mir darum, phantasievoll zu sein.

Sie haben schon Shows für The Killers, Kings Of Leon und Depeche Mode eröffnet. Wird es mit diesem Album Zeit für Ihren eigenen Durchbruch?

Das hoffe ich. Ich habe schon in einem anderen Interview gesagt: Wenn mich diesmal jemand im Vorprogramm haben wollte, würde ich das wahrscheinlich ablehnen. Ich will das nicht mehr machen – es sei denn, es wären Radiohead oder so. Jemand, den ich wirklich mag.

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