Kung Fu und Kriminalität: Wu-Tang Clan sind zurück – das Porträt

Wie der Wu-Tang Clan nach internen Problemen wieder die HipHop-Crew Nummer eins wurde

Rza starrt aus dem Fenster des Soho Grand Hotel in New York und sieht etwas angeschlagen aus. Der Kopf des Wu-Tang Clan hat gerade eine Marathon-Telefonkonferenz mit dem Rest der Band hinter sich gebracht, um die letzten Details des neuen Albums, „A Better Tomorrow“, zu besprechen. Und wie immer, wenn der Clan mit- oder übereinander diskutiert, wird lustvoll vom Leder gezogen: Inspectah Deck war genervt, weil RZA den MCs die thematischen Vorgaben der Raps aufgedrängt habe; Raekwon weigerte sich, im Video zur neuen Single mitzumachen. „Unser letztes Album war schon eine schwere Geburt“, sagt RZA, „aber diesmal sprengte es alle Dimensionen.“

Mitte des letzten Jahrzehnts waren die internen Beziehungen auf dem Nullpunkt angekommen. RZA sah sich mit gleich zwei Prozessen konfrontiert: Sowohl Ghostface Killah als auch U-God klagten nicht gezahlte Tantiemen ein. Die Band warf ihm auch vor, den Gruppen-Sound mit seiner Produktion zu verwässern. Die Spannungen erreichten einen Höhepunkt, als RZA den ganzen Clan zur Premiere des Films „American Gangster“ einlud, in dem er eine tragende Rolle spielte – und nur Inspectah Deck sich blicken ließ. Beim nächsten Gruppenmeeting, so RZA, hagelte es Kritik. „Daraufhin sagte ich ihnen: ,Ihr werdet immer meine Brüder bleiben, aber geschäftlich will ich mit euch nichts mehr zu tun haben.‘“

Doch als das 20-jährige Jubiläum ihres Debütalbums nahte, fragte RZA sich, ob er den Wu nicht doch noch einmal reanimieren solle. „Enter The Wu-Tang (36 Chambers)“, 1993 veröffentlicht, hatte die Band als das talentierteste, aber auch brachialste Kollektiv im HipHop eta-bliert – eine neunköpfige Crew, die mit Kung-Fu-Filmen und mystischem Symbolismus aufgewachsen, gleichzeitig aber auch in der Drogen-Szene von Staten Island unterwegs war. Je länger RZA über das Jubiläum grübelte, desto mehr Perspektiven taten sich auf: eine Welt-Tournee vielleicht, die Renaissance der zwischenzeitlich eingestellten „Wu-Wear“-Kollektion, möglicherweise ein Comic oder ein Video-game. Und er entschloss sich, gleich zwei verschiedene Alben aufzunehmen: „A Better Tomorrow“ und eine zweite Platte, von der nur eine einzige Kopie gepresst werden sollte. Letztere, „Once Upon A Time In Shaolin“, soll in absehbarer Zukunft versteigert werden. RZA behauptet, bereits ein Angebot über fünf Millionen Dollar vorliegen zu haben.

Anfang 2013 begann er mit der Arbeit an neuem Material und bestand darauf, im Studio seinen Live-Band-Ansatz noch vertiefen zu können. Er arbeitete in L.A. mit dem Vintage-Funk-Guru Adrian Younge, besuchte die Royal Studios in Memphis (wo Al Greens klassische Songs entstanden) und engagierte einige der damaligen Session-Cracks. RZA, selbst ein profilierter Gitarrist, dirigierte im Alleingang die Studioband durch die Akkordwechsel.

Raekwon wollte jedoch externe Produzenten ins Boot holen – und auch mehr Geld sehen. RZA stimmte dem zweiten Wunsch zu, zahlte die gewünschte Summe aus eigener Tasche und spielte Rae-kwon und Ghostface einige der vorhandenen Beats vor. „Das ist eindeutig RZAs Album“, meint Raekwon. „Ich fasste den Entschluss, wie ein guter Soldat zur Truppe zurückzukehren und meinen Dienst zu tun.“

„A Better Tomorrow“ kombiniert klassische Wu-Elemente (Kung-Fu-Film-Clips, Anspielungen auf kriminelle Großtaten) mit RZAs organischen Beats und optimistischen Tupfern – der Wir-können-die-Welt-verändern-Zuversicht des Titeltracks oder der Nostalgie von „Wu-Tang Reunion“, auf dem Ghostface eine rührende Hommage auf Ol’ Dirty Bastard liefert, der 2004 verstarb. Angesichts der komplizierten Vorgeschichte fügen sich die einzelnen Elemente erstaunlich harmonisch zusammen.

RZA mangelt es indes nicht an Selbstbewusstsein. „Mein Bruder sagte mir neulich: ,Der Clan ist dein Vermächtnis. Womöglich hast du sogar Obama zur Präsidentschaft verholfen, weil deine Musik unterschiedliche Kulturen miteinander verbunden hat.‘“

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