KUSCHELKURS INS GLÜCK

Das nennt man wohl Doppelstrategie. Erst das ausufernde Mannschaftsreimen „30-11-80“ mit gleich 17 Kollegen aus allen deutschen Rap-Generationen – von Smudo über Moses Pelham und Afrob bis Frauenarzt -, ein kleiner Gruß an die alten Zeiten. Dann aber macht Sido ernst mit dem vielbeschworenen Älterwerden in diesem so unerwachsenen Musikgenre. Im Piano-Schmusesong „Einer dieser Steine“, der in Raketengeschwindigkeit in die Top Ten schoss, rechnet er melodramatisch mit der bösen Vergangenheit ab: „Jeder meiner Schritte hat Probleme bereitet, nachts versunken auf ne eklige Weise, fast ertrunken in nem See voller Scheiße“. Schlumpfmützen-Liedermacher Mark Forster gibt den Duett-Partner in dieser Ode an die Frau an Sidos Seite: „Hast ihm nen großen warmen Platz in deinem Herz geschenkt!“ Der Ex-Maskenmann hat sich damit bewusst weit von den üblichen HipHop-Kampfzonen entfernt. Er will zeigen, dass er auch weich kann. Es ist sein „I Need Love“. Mit dem kleinen Unterschied, dass LL Cool J mit diesem sparsam instrumentierten Lovers-Rap 1987 Geschichte geschrieben, aber Sido in seiner Weiterentwicklung leider die Musik vernachlässigt hat. Es spricht nichts dagegen, Genregrenzen in die Tonne zu treten -und immer aggro braucht kein Mensch. Doch dann sollte die Produktion erst recht frisch wirken. Trotzdem: Für sein neues Publikum in Deutschland hat Sido alles richtig gemacht. Und sogar Helge Schneider und Marius Müller-Westernhagen als Gäste auf sein fünftes Album geladen. „HipHop wird mit mir erwachsen“, sagt Sido. Angekommen in der Mitte der Gesellschaft, ist der Fortschritt am Gartenzaun hängen geblieben.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates