Led Zeppelin live hören mit Jimmy Page: „Es war in jeder Hinsicht: grenzerweiternd“

Anlässlich der Veröffentlichung der ersten drei Led-Zeppelin-Alben als Remastered Edition bat niemand Geringeres als Jimmy Page zur Listening Session inklusive anschließendem Gespräch in den Berliner Meistersaal. Und konnte sich eine kleine Spitze gegen ROLLING STONE nicht verkneifen. Von Markus Brandstetter.

Es ist ein historisches Ambiente, in das Warner Music eine Handvoll Journalisten zur Listening Session bittet: In der Köthener Straße, nahe des Potsdamer Platzes, steht der Meistersaal seit 1910. Später wurde der altehrwürdige Ort von den Meisel Musikverlagen gekauft. Die Hansa-Studios entstanden, der Meistersaal diente bis Anfang der 1990er Jahre als zweiter von rund fünf Studioräumen. Nachdem das Gebäude in den Sechzigern von Ariola für Aufnahmen von Rudolf Schock, Peter Alexander oder Robert Stolz genutzt wurde, nahmen hier ab den Siebzigern unter anderem David Bowie, U2, David Byrne, Depeche Mode oder Iggy Pop auf. Ein angemessener Ort also, um die neuen Remastered-Editionen der ersten drei Led-Zeppelin-Alben zu hören – mit dem Mann, der nicht nur für die Gitarrensounds, sondern auch für die Studioarbeit der Band generell verantwortlich war und das auch immer noch ist: Jimmy Page.

Good Times und mächtig wumms

Nach kurzer Anmoderation der Plattenfirma begrüßt Jimmy Page die anwesenden Gäste. Links der Bühne, auf der der 70-Jährige später mit dem britischen Journalisten Alan Bangs und dem Publikum eine Q&A abhalten wird, prangt auf einer Leinwand das berühmte Foto, das Led Zeppelin vor der bandeigenen Boing 720 zeigt. Fünfundvierzig Jahre, nachdem „Led Zeppelin I“  in den Londoner Olympic Studios in einer Netto-Arbeitszeit von rund 36 Stunden aufgenommen und gemixt wurde, erscheint der Backkatalog der Band nun also nach und nach in diversen überarbeiteten Editionen. Den Anfang machen Led Zeppelin „I“, „II“ und „III“ – und um den Wumms zu beweisen, den Zeppelin auch beinahe ein halbes Jahrhundert später immer noch haben, durch die Neubearbeitung mehr denn je, hat man auch eine dementsprechende Anlage in den Saal gestellt, über die in den nächsten 45 Minuten einige Stücke der Companion-Discs in imposantem Sound zu hören sind. Den Anfang machen „Good Times, Bad Times“ und „Communication Breakdown“. Köpfenicken, gefälliges Mitwippen, anerkennende Blicke. In der hintersten Reihe steht derweil: Jimmy Page. Wer unauffällig versucht, einen Blick nach hinten zu werfen, bemerkt, dass der Mann immer noch mindestens ebenso viel Spaß an den Songs hat wie 1969. Eine dreiviertel Stunde später schließt „Keys To The Highway“ den Listening-Teil ab.

Die bestmögliche Qualität

Dass Remastered-Editionen nur selten Begeisterungsstürme auslösen, ist auch Page bewusst. Dennoch ist die Neuveröffentlichung des Backkatalogs weit mehr als nur eine schnell zusammengewürfelte Neubearbeitung mit arbiträr ausgewähltem Bonusmaterial. Viel mehr war es für den Gitarristen – im Alleingang für das Projekt verantwortlich – eine Mammutaufgabe, sich durch hunderte von Stunden an Studio-Material und Outtakes sowie Live-Versionen durchzuhören und so die seiner Meinung nach perfekten (und Page hat definitiv seine Vorstellung von Perfektion) Bonus-Discs zusammenzustellen. „Mir war bewusst, dass das eine epische Aufgabe werden würde“, erzählt er, sichtlich zufrieden mit dem Ergebnis: „Der Anspruch, den ich bei Led Zeppelin klanglich über all die Jahre immer gesehen habe, war es, die bestmögliche  Qualität herauszuholen, und das brachte eben die Idee des Remasters ins Spiel“. Frühere Remastered-Editionen seien eben mit den damaligen Möglichkeiten entstanden: „Es hat sich alles verändert“.

Bei der Frage, ob Sänger Robert Plant oder Bassist John Paul Jones etwas zu der Veröffentlichung beigetragen hätten, bleibt Page trotz offensichtlicher Antwort ganz Gentleman. „Nun, das Mastering habe ich mit John Davis (dem Mastering Engineer) gemacht – ich war in der Vergangenheit ja schon der Produzent und in all diese Dinge sowieso involviert, aber bei dem hier – als es endlich losging, hatte Robert einige Tapes zu Hause und meinte, er würde sie mir schicken. Das meiste davon hatte ich sowieso in meinem Archiv, aber einige Sachen davon waren wirklich hilfreich, diese Mixes, die er hatte, mit denen er heimging um an den Lyrics zu arbeiten“.

Led Zeppelin aus der Vogelperspektive

Überhaupt scheint er an diesem Abend lieber über seine Rolle als Produzent reden zu wollen als über seinen Status als Gitarrist. „Wenn ich es aus der Vogelperspektive betrachte, umfasst das eine ja das andere, weil es ja auch ums Schreiben geht. Ich meine, ohne Zweifel waren Led Zeppelin eine gitarrendominierte Band. Es gab schon Teile, wo wir Keyboards hatten, aber instinktiv waren wir gitarrendominiert. Ich weiß eines: Robert Plant hatte vorher nie so gesungen oder Harmonica gespielt, wie er das dann bei Led Zeppelint tat. John Bonham hat nie so gespielt, bevor er zu Led Zeppelin stieß, und John Paul Jones und ich ebenso wenig – Wenn es um mein Gitarrespiel geht, sei es die Technik oder einfach die Haltung, die damit einher geht, war das für mich einfach … ich schätze, das Wort dafür ist grenzerweiternd. Es war in jeder Hinsicht grenzerweiternd, sei es das Produzieren, das Schreiben oder das Spielen.“

Auf seine Selbsteinschätzung als Gitarrist angesprochen, gibt Page sich bescheiden: „Bei meinen beschränkten Fähigkeiten auf der Gitarre – ich meine das ehrlich, weil ich nicht das hatte, was man wirkliche Technik nannte – habe ich immer alles mögliche versucht. Genauso, wie die Musik, die ich als Kind und als Teenager gehört habe, sehr unterschiedlich und bunt war – so war ich musikalisch immer allem gegenüber offen. Ich habe auch versucht, das auf mein Spiel zu übertragen. Ich versuche, alle möglichen Straßen und Abfahrten zu nehmen. Du weißt nie, wozu du in der Lage bist, bis du es getan hast – und um mir das zu beantworten, ist die Antwort wohl, zurück zukommen und wieder zu spielen, oder nicht? Und das hoffe ich, nächstes Jahr zu tun“.

„Ich glaube, es haben bis zu diesem Zeitpunkt nicht viele verstanden, was wir machen“.

Hier kommt natürlich wieder die Frage nach einer Led-Zeppelin-Reunion ins Spiel – es ist allseits bekannt, dass Page große Lust gehabt hätte, nach der 2007er-Show in der Londoner O2-Arena weitere Konzerte zu spielen, es aber an Robert Plant scheiterte. Er ist sich sicher, demnächst mit neuem Projekt wieder live zu spielen. Weil er aber noch keine Mitmusiker hat, könne er noch nicht mehr dazu sagen. Dass es John Paul Jones war, dessen Zusammenarbeit mit Josh Homme und Dave Grohl bei der Band Them Crooked Vultures eine Reunion mit anderem Sänger verhinderte, wird erst einige Tage später nach dieser Listening Session bekannt. Eigentlich paradox: Page ist sich der überlebensgroßen Legende Led Zeppelin durchaus bewusst, die Band ging mit der eigenen Denkmalpflege bis dato immer sehr sorgsam und respektvoll um. Allem Anschein nach hat Page aber auch mindestens soviel Lust, endlich wieder live zu spielen – 2015 könnte es schon mit neuer Band soweit sein, deutet er an. Ob er auch mit seiner neuen Formation Led-Zeppelin-Songs spielen würde, beantwortet Page beinahe mit einem Versprechen: „Oh, hör mal: Wenn ich eine Band zusammenstellen würde, glaubst du, ich würde nicht rausgehen und „Dazed and Confused“ spielen? Natürlich werde ich das tun!“.

Als ihn eine Journalistin darauf anspricht, von der Presse nicht immer gut behandelt worden zu sein, deutet er grinsend in meine Richtung und meint lachend: „Und Sie sitzen neben dem Gentleman vom ROLLING STONE“.  Die ersten drei Alben seien im US-amerikanischen ROLLING STONE schließlich „sehr, sehr seltsam“ rezensiert worden, so sehr, dass die Band die Kritik sogar im Artwork ihres zweiten Albums abdrucken wollte – was allerdings nicht genehmigt wurde.

Als ich ihm nach der Q&A noch einmal begegne, sprechen wir kurz über diesen Vorfall. „Ich glaube, viele haben zu dem Zeitpunkt nicht verstanden, was wir machen“, meint er über den Verriss. „Aber Sie haben das ja nicht geschrieben“ sagt er, lächelt und verabschiedet sich, um noch einige Autogramme zu signieren.

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