Leinwand

Splice HHHH

Adrien Brody, Sarah Polley

Regie: Vincenzo Natali Start: 3.6.

Monster und ihre Schöpfer bildeten in der Literatur und im Kino schon immer eine unheilige Verbindung. Und die Horrorbilder dürften manchen durch den Kopf spuken, wenn über Klon-Experimente und Gen-Forschung diskutiert wird. „Cube“-Regisseur Natali reizt die Ethik-Debatte mit Reminiszenzen an den klassischen „Frankenstein“-Topos noch mal originell aus. Das Ehepaar Clive (Adrien Brody) und Elsa (Sarah Polley) arbeitet für einen Pharmakonzern an Tier-Hybriden. Als ihre Versuche jedoch scheitern und die Finanzierung eingestellt wird, überschreitet Sarah die Grenze. Sie kreuzt menschliche mit tierischen Genen und züchtet eine bizarre, aber lebendige Kreatur heran. Clive will das Wesen töten. Doch in Sarah, die wegen ihrer traumatischen Kindheit kein Baby wollte, erwachen neben wissenschaftlichem Ehrgeiz auch die unterdrückten Mutterinstinkte. Bis der Grusel-Thriller den Genreregeln nach in den Splatter-Showdown stürzt, treibt Natali mit makabrem Witz, perfekt dosierten Schockmomenten und ketzerischer Lust am Sündenfall seine schrecklich-schöne Familienstory voran. Mit Polley und Brody hat er zudem klug zwei Charakterdarsteller besetzt, die emotional und intellektuell glaubwürdig sind. Und Delphine Chaneac ist als glatzköpfige Mutation wahrlich eine Femme fatale.

Der Vater meiner Kinder HHH1/2

Louis-Do de Lencquesaing

Regie: Mia Hansen-Løve Start: 20.5.

Das Budget ist überzogen. Der selbstverliebte Regisseur will nicht mehr drehen. Trotzdem beginnt das Drama als entspannter Blick auf die Turbulenzen des Filmgeschäfts. Produzent Gregoire (Louis-Do de Lencquesaing) ist ebenso leidenschaftlich wie leidensfähig, wenn es um gutes Kino geht. Doch als die Bank den Kredit verweigert, droht seiner Firma die Pleite. Kurz darauf bringt er sich um. Der Selbstmord kommt unvermittelt in der Mitte des Films, wodurch die Familie in den Vordergrund rückt. Gregoire hinterlässt Frau und zwei Töchter. Sie haben ihn geliebt und verstehen nicht, warum er sie auf diese Weise alleine lässt. Diese Frage beantwortet auch Regisseurin Hansen-Løve nicht, die mit dem französischen Produzent Humbert Balsan befreundet war, der sich 2005 das Leben nahm. Sie lässt die Hinterbliebenen mal still, mal verzweifelt trauern und rätseln. Die Witwe Sylvia (Chiara Caselli) versucht, das Lebenswerk ihres Mannes zu retten. Der unsentimentale Ton des Films ist seine Stärke, die er erst verliert, als die älteste Tochter Clemence (Alice de Lencquesaing ) mit unnötiger Dramatik ein Geheimnis ihres Vaters aufspürt.

My Name Is Khan HH1/2

Shah Rukh Khan, Kajol

Regie: Karan Johar Start: 10.6.

Hongkongs Superstar Jackie Chan machte es vor, nun folgt ihm mit Shah Rukh Khan sein Pendant aus Indien: Um auch das westliche Publikum zu betören, hat die in seiner Heimat beispiellos vergötterte Ikone des Bollywood-Kinos erstmals einen Film in Amerika gedreht. Als Moslem Rizvan Khan heiratet er in San Francisco gegen den Willen der Eltern die allein erziehende Hindu Mandira (Kajol). Die Stimmung der anfangs stets eine Spur zu kitschigen, albernen, bunten Romanze kippt mit den Anschlägen vom 11. September. Mandira und ihr Sohn werden schikaniert und bedroht, der an einer autistischen Störung leidende Rizvan am Flughafen gar als Terrorist verdächtigt und in Isolationshaft gesteckt. Mit den Worten „Ich muss den Präsidenten der Vereinigten Staaten sprechen“ macht er sich auf zu einer Odyssee quer durchs Land, die versöhnlich im Angesicht von Barack Obama endet. Mit der politisch naiven Schnulze, die voller gutherzigem Pathos religiöse und rassistische Vorurteile anklagt, Guantanamo und „Forrest Gump“ vermengt, reicht Khan clever den Amerikanern die Hand. Für den indischen Markt wird es mehr Gesangs- und Tanzszenen geben. Aber auch die um gut eine Stunde gekürzte Version dürfte, trotz des Erfolgs von „Slumdog Millionär“, für die meisten Europäer gewöhnungsbedürftig bleiben.

Amelia HH1/2

Hilary Swank, Richard Gere

Regie: Mira Nair Start: 17.6.

Im Gegensatz zur bis heute bekannten Flieger-Legende Charles Lindbergh ist Amelia Earhart kein ewiger Nachruhm geblieben. Dabei überflog die Amerikanerin als erste Frau den Atlantik. Und das gleich zwei Mal. Erst 1928 als Passagierin, was damals schon eine Sensation war, und 1932 allein als Pilotin. 1937 ging sie beim Versuch, die Erde am Äquator zu umrunden, über dem Pazifik verschollen. Rein äußerlich ist Hilary Swank perfekt besetzt als jene Abenteurerin, die auch als Feministin eine Pionierin war. Vielleicht hat sich die zweifache Oscar-Preisträgerin zu sehr auf diese Ähnlichkeit verlassen, denn die Besessenheit ihres Charakters fürs Fliegen und die privaten Konflikte daraus bleiben oberflächlich. Und die indische Regisseurin Mira Nair vermag trotz ansehnlicher Bilder keine epische Größe zu erzeugen, was auch am biederen Schnitt liegt. Sie buchstabiert nur die Stationen aus Earharts Leben nach. Richard Gere ist als ihr Mentor und späterer Gatte unauffällig, und Ewan McGregor wirkt als ihr Liebhaber sogar deplaziert. Spannung kommt erst im Schlussakt auf, wenn auf ihrem letzten Flug der Ozean immer näher kommt und das Bild virtuos von einem rasenden schillernden Strudel ausgefüllt wird.

Mammut HHH

Gael Garcia Bernal, Michelle Williams

Regie: Lukas Moodysson Start: 10.6.

Was ist Freiheit? Wie definiert man Glück? Das junge New Yorker Ehepaar Ellen (Michelle Williams) und Leo (Gael Garcia Bernal) hat Erfolg und Geld. Sie widmet sich ihrer Karriere als Ärztin, möchte aber auch mehr Zeit mit der kleinen Tochter verbringen. Die wird betreut vom Kindermädchen Gloria, die wiederum für den Job ihre beiden Kinder auf den Philippinen gelassen hat. Leo ist als Betreiber einer Community-Website viel auf Geschäftsreisen, vermisst seine Familie, hat aber in Thailand den Wunsch, sich von den Zwängen eines bürgerlichen Lebens lösen zu wollen. Der schwedische Regisseur Moodysson verhandelt zwar das nicht gerade neue Thema der modernen westlichen Sinnkrise, stellt sie aber plastisch den Lebensumständen in der Dritten Welt gegenüber. Das hat „Babel“ schon dramatischer und brillanter gezeigt. Es ist allerdings immer wieder sehenswert, um sich über die Widersprüche und Ansprüche in unserer Gesellschaft klar zu werden.

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