Lenny Kravitz: Hintergrundgedöns zur Hausarbeit – ein kritischer Geburtstagsgruß

Keine Frage, er sieht mit 50 immer noch besser aus als 99 Prozent der Menschheit mit 25. Auch seine Musik würde immer noch gerne sexy sein – doch ist sie längst zu Schlager geworden, der große Liebe beschwören will, in Wirklichkeit aber völlig harmlos ist. Von Markus Brandstetter.

Als Leonard Albert Kravitz in den letzten Zügen der Achtziger Jahre mit seinem Debüt-Album „Let Love Rule“ daherkam, war die Welt noch eine andere. Die CD löste gerade die Schallplatte ab, die Musikindustrie verkaufte massenweise Tonträger, die Sowjetunion existierte noch, Milli Vanilli waren nicht als Vollplayback-Act enttarnt worden, Napster war noch nicht mal eine Vorahnung der Plattenbosse – und die Musik von Lenny Kravitz: Die war richtig toll.

Kravitz war anscheinend ein musikalischer Alleskönner und Multiinstrumentalist; dass er dabei umwerfend aus sah, war freilich auch kein Hindernis. Mit seinen langen schwarzen Dreadlocks war er der Inbegriff eines Rockstars, mit Lisa Bonet hatte er das perfekte weibliche Pendant als Partnerin (heute: Ex-Frau) an seiner Seite.  Ein Musiker und Sexsymbol (nie ein Fehler im Popzirkus) – einer, der lange dafür kämpfte, einen Plattenvertrag zu bekommen, der für die Industrie lange Zeit wahlweise nicht schwarz oder weiß genug war. „Let Love Rule“ verkaufte sich noch eher moderat, nach Arbeiten für Madonna und Vanessa Paradis ging es mit den nächsten Longplayern stetig nach oben. Kravitz tourte mit Bob Dylan und Tom Petty, sang mit Mick Jagger auf dessen Solo-Album und schrieb gemeinsam mit Steven Tyler für Aerosmith. Kravitz war überall gern gesehen.

1993 erschien „Are You Gonna Go My Way“. Die Frage war mit einem klaren „Ja“ zu beantworten. Kravitz vermengte Soul mit Funk und Rock’n’Roll, seine Songs waren ungemein catchy und noch meilenweit von der Beliebigkeit entfernt, die den US-Amerikaner, ehemals Schulfreund von Slash, heute ausmacht.

„Rock’n’Roll Is Dead“ skandierte er auf „Circus“ zwei Jahre später. Antwort von Prince: Der Song „Rock ‚N‘ Roll Is Alive (And It Lives in Minneapolis)“ (erschienen als B-Seite der Single „Gold“). Tot war der Rock’n’Roll bei Kravitz 1995 noch nicht – das passierte danach, Stück für Stück.

1998 dann vollbrachte Kravitz den Sprung in die Unsäglichkeit: Im Songbaukasten gefertigt und mit Pennäler-Lyrik versehen, wurde „Fly Away“ leider zu seinem vielleicht bekanntesten Song. „I wish that I could fly, into the sky, so very high“ – weitere Künstler, die Sie lyrisch interessieren könnten: Bon Jovi ab 1995, Silbermond, Nickelback, Rosenstolz und Michael Bolton. Album für Album, Song für Song, Schnulze für Schnulze wurde Kravitz’ Musik uninteressanter, konturloser, langweiliger. Wenn man sich auf hohem Niveau wiederholt, ist das die eine Sache – AC/DC machen das seit Jahren sehr gut.  Kravitz aber wiederholt sich beharrlich in musikalischer Mittelmäßigkeit. Dieselben Beats, dieselben Gesangsmelodien, dieselben Floskeln und „yeahs“, die Stimme schmierig-nölend.

Keine Frage, er sieht mit 50 immer noch besser aus als 99 Prozent der Menschheit mit 25. Auch seine Musik würde immer noch gerne sexy sein, wild und verwegen. Und doch ist sie längst Hintergrundgedöns zur Hausarbeit geworden, Schlagermusik, die große Liebe beschwören will, in Wirklichkeit aber blutleer, uninspiriert und völlig harmlos ist.

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