Lost in translation

Die Misere der ignorierten literarischen Übersetzer in Deutschland

Wenn das nächste Buch von T. C. Boyle erscheint, wird es mancher gut, mancher schlecht finden. Unter denen, die sich von Boyle nicht länger angesprochen fühlen, vielleicht beim folgenden Roman noch weniger, werden die wenigsten auf die Idee kommen, das näher zu untersuchen. Der Mann hatte seine Zeit, ist nun eben nicht mehr so aufregend. Das kommt ja vor.

Bei Philippe Djian gab es nach sieben Titeln auch so einen Knick. Sein Stil kam nicht mehr aus der Hüfte wie noch in „Betty Blue“, der Tonfall war nicht mehr so locker. Kein Mensch kommt auf die Idee, zurückzublättern zu Seite drei und da – im Fall Djian – festzustellen: Die Stimme Djians ist anders, seit der Diogenes Verlag andere Übersetzer beauftragt.

Michael Mosblech perfektionierte diesen Ton, einen Rhythmus mit Harmoniewechseln und gezielten Dissonanzen doch dann war er plötzlich weg vom Fenster. Bis die „FAZ“ in einer Rezension eines ganz anderen Romans staunte, die deutschen Leser hätten das Glück, dass Mosblech doch einmal wieder übersetzt.

Kein Mensch ahnte, dass Mosblech das durchmachte, was nun Werner Richter widerfährt: Vor rund 20 Jahren empfahl er T. C. Boyles „Water Music“ mehreren deutschen Verlagen, brachte es bei einem kleinen unter und übersetzte auch nach dem Wechsel zum Hanser-Verlag alles von Boyle. Die Bücher erzielten ordentliche Auflagen („Drop City“ lag bei den Bestsellern von 2003 auf Position 73), bei denen man sich denkt, ganz angelsächsisch: „He’s laughing all the way to the bank.“ Doch Werner Richter lacht weder den ganzen Weg zur Bank – noch sich eins ins Fäustchen. Unlängst erging es Richter wie Mosblech: Jahrelanger Zank mit dem Lektorat führte dazu, dass der Hanser Verlag nun andere Übersetzer engagiert. Selbstverständlich ist es gut möglich, dass die auch einen guten Job machen. Übersetzer gibt es ja wie Sand am Meer.

Die Unis entlassen alljährlich Tausende, die mit Dumping-Preisen um Jobs buhlen. Ohne das emsige Wirken der Übersetzer, allein in Dachkammern, kaum beachtet und schlecht bezahlt, wären wir um viele Schätze ärmer. Umso schlimmer, dass Übersetzer wie Leibeigene in den Hinterhöfen der Buchfabriken gehalten werden. Keine PR, keine Vorstellungen bei Elke Heidenreich. Bisweilen auch keine Erfolgsbeteiligung – wie sie Burkhart Kroeber für „Im Namen der Rose“ reich gemacht hat (1 % vom Ladennettopreis ab einer Auflage über 10 000 ist Usus).

Kroebers Fall ermutigte Karin Krieger, für ihre Arbeit an Alessandro Bariccos „Seide“ nachträglich eine Erfolgsbeteiligung zu erklagen. Sie einigte sich mit dem Piper Verlag außergerichtlich. Außerordentlich war das Nachspiel: Der Verlag ließ nicht nur die folgenden, sondern sogar die bereits erhältlichen Titel von einem anderen übersetzen! Solange die Leser schlampige Texte hinnehmen, kämpfen Übersetzer in ihrer Ecke arg allein. Carl Weissner, als deutsche Stimme von Dylan, Zappa, Bukowski und Warhol seit jeher in der Spitzenliga: „Es ist oftmals erschreckend, wie wenig es einen Verlag interessiert, ob seine Titel ordentlich oder miserabel übersetzt sind. Viele denken sich anscheinend, dass das klar geht – solange sie damit zu ihrem Geld kommen.“

„Be sensible!“ raunt es angelsächselnd, sei vernünftig und mach die Leser einfach etwas sensibel! Ein erster Schritt wäre, so die gelegentlich übersetzende Krimi-Autorin Pieke Biermann, manche Frechheiten und Dilettantismen einfach nicht mehr hinzunehmen. „Wenn in Raymond Chandlers LA. plötzlich ein ‚Peterwagen‘ vorfährt, geht es dann doch zu weit. Eine Übersetzung ist ja immer auch eine Art von Interpretation und Nachdichtung, aber die Freiheit ist natürlich auch nicht beliebig.“ Notfalls, sagt sie, müssten die Leser Konsequenzen ziehen: „Ein offenkundig grottenschlecht übersetztes Buch sollte man einfach zum Laden zurückbringen. Minderwertige Ware reklamiert man sonst ja auch.“

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