Man On The Moon

Er steht einfach da mit einem kindlichen Lächeln auf der Bühne eines Kinosaals neben einem kleinen Plattenspieler und schaut zu, wie der Vorspann über die Leinwand läuft. Als die Musik endet, stoppen auch die Credits abrupt. „Hello, my name is Andy and this is my movie“, stellt sich Jim Carrey vor und erklärt, weil der Film leider nicht sehr gelungen und auch gar nicht komisch sei, habe er einiges herausschneiden müssen. Er sei nun, ja kürzer. Und deshalb könnten jetzt alle nach Hause gehen. Dann beginnt die Musik von vorne – und quasi als Abspann laufen auch die Credits weiter. Der Auftakt ist ein kongenialer Einfall, um auf den amerikanischen freesytle comedian Andy Kaufman einzustimmen. Als Essenz seines Schaffens und Wirkens sabotiert der Epilog die Erwartungshaltung der Zuschauer, ja stellt sich so ganz im Sinne Kaufmans der folgende zweistündige Film über dessen Leben selbst in Frage – bis alles seinen gewohnten Gang nimmt Denn plötzlich erscheint Carrey wieder und beruhigt das Publikum, es wäre nur ein Scherz gewesen, damit jeder gewarnt sei, der seinen Humor nicht möge.

Milos Forman gibt uns dadurch eine Gebrauchsanweisung, die niemand hatte, als Kaufman in den Siebzigern wie ein Mann vom Mond über die Amerikaner hereinbrach und diese nicht wussten, was und wie ihnen geschah. Man kann ihm zuschreiben, nicht nur das Unerhörte an sich, auch das Politisch Unkorrekte ins Fernsehen gebracht zu haben. Bereits als Stand-up-Komiker in New York schuf Kaufman den „Foreign Man“, Muster seiner späteren Figur des einfältigen Mechanikers Latka in der populären ABC-Sitcom „Taxi“, indem er mit polnischem Akzent radebrechend Vorurteile schürte – am liebsten gegen sich selbst Er schlich sich in die Formate des klassischen Entertainment ein, um sich als Zielscheibe dem Publikum auszusetzen, es mit Pöbeleien oder nur seiner Person zu konfrontieren. Buhrufe waren sein Beifall.

NEU IM KINO Leinwand

Wo denn da die Pointe sei, wird im Film ständig zu seinen Einfällen bemerkt Kaufman hatte dazu einst gesagt: „I never told a joke in my life. I just want real recations, test how people deal with reality. I play with their heads.“ Dafür bediente er sich einer anarchischen Authentizität, die ebenso abgekartet war wie der mediale Schein, den er immer wieder manipulierte. So nötigte er Produzenten einer Serie, bei seinem Gastauftritt die Live-Übertragung abzubrechen, weil er die Schauspieler beleidigte. Natürlich war alles abgesprochen, auch sein berühmtester Coup, der Kampf gegen den Wrestler Jerry Lawler. Kaufman war damals gegen Frauen in den Ring gestiegen, denen er höhnisch 500 Dollar bot, sollten sie ihn flachlegen. Bis Lawler den sexistischen Feigling zum Duell forderte und ihm den Nacken verrenkte. Ihre Versöhnung bei David Letterman geriet zur Prügelei. So hat Kaufman die Regem des Wrestling mit dessen Mitteln auf die Spitze getrieben.

Zudem erfand er seinen Kumpel Tony Clifton, einen fetten, miesen, unflätigen Lounge-Sänger zwischen Sinatra, Liberace und Tom Jones. Um die Figur glaubwürdiger zu machen, spielte oft auch sein Partner und Co-Autor Bob Zmuda diese Rolle. Und bis zuletzt wusste selbst ihr Manager George Shapiro nicht, ob dieser Typ vielleicht tatsächlich existiert Weil Kaufman hier zu Lande nur wenigen (noch) bekannt sein dürfte, muss man ihn sich als verschärfte Varriation aus Harald Schmidt, Christoph Schlingensief und Helge Schneider vorstellen.

Wie erfasst man einen multiplen Provokateur? „There’s no way to describe what I do. It’s just me“, hatte Kaufman sich einmal erklärt. Und Forman schien dessen Komplexität auch nicht aufbröseln zu wollen.,,Du bist verrückt, aber irgendwie auch brillant“, attestiert Shapiro (Danny De Vito) seinem Klienten und resigniert: „Du lebst einen großen, planvollen Witz, den du allein verstehst.“ So ist „Man On The Moon“ als Reminiszenz an den Künstler eine Revue, die ergötzlich jenem Plan nacheifert und einige Querverweise versteckt hält. DeVito spielte damals in „Taxi“ neben Kaufman, Lawler spielt sich hier selbst, und Clifton firmiert in den Credits unter „himself“ – den Carrey wiederum 1995 in einer Tribut-Show an Kaufman gespielt hat. Seine jetztige Rolle hat ihm nach „The Truman Show“ den zweiten Golden Globe eingebracht, der Kaufman trotz zweier Nominierungen verwehrt blieb. Dafür ist es Carreys erster Flop. Kaufman hätte das nicht gestört.

Denn Carrey nimmt sich des unberechenbaren Neurotikers und meditierenden Vegetariers wunderbar an zwischen nervöser Mimik und eruptiver Gestik. Die besten Szenen sind ohnehin Szenarien von Kaufman, etwa wie er mit F. Scott Fitzgeralds Roman „Der große Gatsby“ gnadenlos den Saal leerliest Als Initialzündung für derartige Zumutungen wendet Forman dessen Karrierebeginn ins Märchenhafte. Carrey steht steif in einem Nachtclub vor gelangweilten Gästen – und spielt Kinderlieder auf der Gitarre. „Keine Show, kein Geschäft“, erläutert der Inhaber. Und feuert ihn.

Kaufman stilisierte seine Shows zur Selbsterfahrung für beide Seiten, indem er das Scheitern an sich selbst vorführte und so zur Kunst erhob. Ein Neutrum, das alle narrte. „Du kennst mein wirkliches Ich nicht“, sagt er zu seiner Freundin Lynne (Courtney Love). Und sie sagt: „Du hast kein wirkliches Ich.“ Als er 1983 an Lungenkrebs erkrankt, hält Zmuda (Paul Giamatti) es für einen genialen Gag. Kaufman legt seine Hoffnung in die Hände eines Wunderheilers – und erkennt, dass es ein Taschenspielertrick ist Da lässt Forman Carrey selig lächeln. Als begreife Kaufman die Ironie: Nur einer war besser.

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