Manchmal etwas singen, das nichts bedeutet: die Kanadierin Sara Craig

Um endlich einmal wieder das (Auflage-)lockende Antlitz von Tatjana Patitz auf den Titel tun zu können, überraschte ein Hamburger Boulevard-Blatt kürzlich mit der ungeheuer provokativen Einschätzung von Fellow-Model Paulina P., die sinngemäß ausführte, wer zuviel nachdenke, habe vor der Kamera oder auf dem Laufsteg nichts verloren.

Und im Studio oder auf der Bühne auch nicht, würde Sara Craig ergänzen. Die heute in Toronto ansässige Kanadierin aus Hamilton/ Ontario hievte ihre lange gehütete Phantasie von der „Entertainerin“ erst mit 21 ohne musikalischen Background in die Wirklichkeit ausgelöst möglicherweise durch ihren damaligen Boyfriend, der in ihren Augen zumindest als Musiker „so fast ziemlich alles falsch machte“. Craig dagegen beharrt darauf, absolut nichts „mit Absicht zu tun“. Instinct rules, okay!

Okay? Sprache als Virus begreifend (um die von ihr bewunderte Laurie Anderson herbeizuzitieren), gelingen Sara Craig auf ihrem Debütalbum „Sweet Exhaust“ schöne Momente, wenn sie lautmalerisch improvisierend, der „Perkussivität“ wegen, gar ins Deutsche kippt. Andererseits aber konnte der Instinkt nicht verhindern, daß wir uns auch mit Platitüden wie „Why is pain so fascinating?“ (Titelsong) herumplagen müssen. Wie sollte er auch. Auch schon das schaurige Cover präsentiert die Craig als magere, verrenkte Leidensfrau.

Die Optik also mißglückt der Inhalt aber: theatralische Vignetten von Entfremdung, Nähe, Gewalt, Leidenschaft, Zärtlichkeit, fremdbestimmter Mutterschaft („Sittin‘ On A Fence“), näher an Mary Margaret O’Hara als an Sarah McLachlan, beispielsweise.

Gemäß der bereits von Landskollegen (Cowboy Junkies, Blue Rodeo) befolgten Maxime von Daniel Lanois, wonach man für jede Produktion einen neuen „Tempel“ bauen müsse (weil nur der absolute Hingabe garantiere), quartierte sich Craig samt Musikern, 100 000 Dollar-Equipment (das kaum durchs Portal paßte) und einem zunächst skeptischen Wunsch-Produzenten -John Punter, der mit Roxy Music arbeitete für die Produktion von „Sweet Exhaust“ über fünf Wochen in einer Kirche weit vor den Toren Torontos ein. Des besonderen spirit wegen – ganz offensichtlich Craigs Lieblingswort.

„Manchmal“, sagt Craig, sei es schön, „etwas zu singen, das nichts bedeutet“. Aber manchmal bedeutet etwas auch mehr, als ihr lieb ist. Anders als Tori Amos muß Craig allerdings noch keine Poststelle beschäftigen, die ihr die Fan-Briefe vom Halse hält. Noch nicht. „Manchmal schreiben Leute, daß sie eine Situation genauso erlebt haben. Was mich schon ein bißchen verstört, denn vieles davon habe ich mir ja einfach ausgedacht. Mir war nicht klar, daß dies für einige Leute tatsächlich Realität sein kann!“

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