Nackt, bizarr, luxuriös

EINE NACKTE FRAU liegt auf einem Sofa – ihre Augen sind geschlossen, den Mund hat sie leicht geöffnet, in ihrer angewinkelten Hand hält sie eine brennende Zigarette: Eines der Fotos, die Helmut Newton 1987 gemacht hat. Dessen Bel-Air-Serie – laszive Frauen, perfekt arrangiert, nackt in High Heels, zwischen Langeweile und Gleichgültigkeit – hat Phoenix-Sänger Thomas Mars inspiriert.

Der ist gerade in Berlin aus dem Taxi gestiegen. „Entschuldige die Verspätung“ – seinem starken Akzent haben weder Frau Coppola noch der neue Wohnort New York etwas anhaben können. Dass bei Phoenix nichts mehr so ist, wie es noch bei der letzten Platte, „Wolfgang Amadeus Phoenix“, war, hat mit Musik nichts zu tun. Seit Mars mit Regisseurin Sofia Coppola verheiratet ist, gehört er sozusagen zu Hollywoods High Society, der Coppola-Glanz hat auch auf seine Band abgefärbt.

Das neue Album der Franzosen heißt „Bankrupt!“, und es ist mehr als nur ein weiteres Stück in der Phoenixschen Diskografie. Mit Warner hat die Band eine neue Plattenfirma – jetzt soll es ein besonders großes Stück vom Rock’n’Roll-Kuchen sein. Dazu macht Mars erst einmal Tabula rasa:“Wenn wir ein neues Album aufnehmen, dann ist es, als hätten wir plötzlich keine Ahnung mehr von Musik. Wir müssen sozusagen alles von Grund auf neu lernen.“

Die Ankündigung weckt Erwartungen, doch das Album klingt genau so, wie man das von Phoenix erwartet hatte: Die Stücke bestehen aus nostalgischem 80er-Jahre-Synth-Pop mit wirbelnden Elektro-Beats, 70er-Anklängen und Jingle-Gitarren. Das lange Intro des Songs „Bankrupt!“ erinnert verdammt an „Love Like A Sunset“ – auch wenn Phoenix diesmal ihr üppigstes, rund acht Minuten langes Stück nicht zugunsten der Radiotauglichkeit in zwei Teile zerlegen. Dennoch sind auf dem Album wieder zehn Songs. „Ein Rahmen ist wichtig, damit man die künstlerische Freiheit ausleben kann“, erklärt Mars. Die künstlerische Freiheit, die Phoenix meinen, sind jene kleinen Intros, die wie papierene Cocktail-Schirmchen in jedem der Stücke stecken, so als hätten die Franzosen versucht, den animierenden Sound asiatischer Karaoke-Buden mitzuschneiden.

Intros hin oder her -„Bankrupt!“ klingt ziemlich amerikanisch. Eine Beobachtung, die Mars erstaunt, weil er das ganz und gar nicht beabsichtigt hatte. Dabei hätte das Album-Cover – ein Pfirsich samt Blüte – in den 60er-Jahren auch für eine Banderole für Frucht-Konserven aus Kalifornien herhalten können. Außerdem war Mars ganze sechs Monate in Kalifornien, an Sofia Coppolas Filmset zu „The Bling Ring“, und schrieb dort Songs. Das Stück „SOS in Bel Air“ reicht textlich zwar nicht an die Köstlichkeit des Titels heran, hängt aber wohl am ehesten mit der Newton-Fotografie zusammen. „Es geht um dieses bizarre Gelangweilte-Hausfrauen-Ding, das man in Bel Air überall spürt: den deprimierenden Luxus, die geheuchelte Perfektion. Wo du gar nicht mehr sagen kannst, ob jemand ein Drogenproblem hat, weil sowieso alle Pillen schlucken.“

Thomas Mars schlägt sich momentan nicht mit dem Problem Langeweile herum. Seine Zeit in Berlin ist begrenzt: Der Sänger muss am Abend schon wieder in Paris sein. Jet-Set-Leben. Er wird es nicht zur Newton Stiftung schaffen – vielleicht bleibt ja noch Zeit für eine Currywurst.

40% Bel Air

25% Helmut Newton

25% Synth-Pop

10% Fruchtkonserven

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