New Noises

Den White Stripes-Vergleich, dem jedes Gitarre-Schlagzeug-Duo in den letzten Jahren ausgesetzt war, hat das kalifornische Duo TWO GALLANTS längst abgelegt. Und auch ihre Jugend, in der Adam Stephens und Tyson Vogel vor allem Guns N’Roses hörten, scheinen sie weit hinter sich gelassen zu haben. Mit dem zweiten Album „What The Toll Tells“ schafften die beiden (die sich nach einem Kapitel aus James Joyces „Dubliners‘ benannten) mit ihrem wuchtigen Folk-Blues den Durchbruch. Nach der rein akustischen EP „The Scenery Of Farewell“ haben sie nun ihr neues Album fertiggestellt, auf dem sie die Essenz aus Folk, Blues und Country destillieren. Es heißt konsequenterweise schlicht „Tu’o Gallarn“.

HNostalgiker sind sie und das, was man im letzten Jahrhundert gern „postmodern“

nannte – die sechs Briten von THE GO! TEAM aus Bnghton, die aus Fernsehmelodien, Hip-Hop-Beats und Indie-Gitarren eine Musik machen, die trotz Raps und Slogans eigentlich Instrumentalmusik ist wie die Fetenhits von James Last. Mit ihrem zweiten Album „ProofOf Touth“, auf demunter anderem auch Public Enemys Chuck D gastiert, stellen sie noch einmal ihre 9Oer-Jahre-Jugend unter Beweis.

DUnd so wie der nächste Track klingt eine ooer-Jahre-Jugend. Mit viel Libertines-Hören. Das sind die FIVE! FAST!! HITS!!! aus München. Im Atomic Cafe, der neuen Heimat von Mehmet Scholl, ist dieser melodische, mit Rabaukenromantik versetzte Brit-Rock schon längst ein Hit, und das hier zu hörende „Do This Thing“ vom Debütalbum des schmissigen Quartetts, „Brothers From Different Mothers“, könnte bald auch bundesweit die rauchenden Indie-Mädchen zum Tanzen bringen.

Auf unserer Reise durch die Jahrzehnte sind wir jetzt in den frühen Siebzigern angelangt. Zunächst denkt man noch, hier entfalte sich ein atmosphärisches Krautrock-Epos, doch spätestens, wenn die Flöten, die akustischen und die Jingle-Jangle-Gitarren einsteigen, ist klar, das hier einer durch die Blume des Zeitgeistes die Flower Power reanimiert. Es ist der sanfte, vielfach verehrte Schrat Sam Beam, der sich auch auf seinem bisher schönsten Folk-Pop-Album „The Shepherd ’s Dog“ wieder IRON & WINE nennt.

OWir gehen noch ein paar Jahre zurück und befinden uns im Keller eines alten pinken Hauses in Woodstock. Oder so. Die FELICE BROTHERS sind Bewohner des gleichen Landstrichs in upstate New York wie einst The Band, haben die Catskill Mountains im Blut und in den Stimmen. Sänger Simon Feiice hat eine Wäscheklammer auf der Nase und einen Waschbären verschluckt – oder ganz viele Platten von Bob Dylan zu Hause. So klingt er auf dem Debütalbum „Tonight In Arizona“ jedenfalls. Und in alter Dylan-Manier haben die Feiice Brothers auch schon einen schönen Mythos von den drei Zimmermanns(!)-Söhnen und ihrem Ausreißer-Blutsbruder namens Christmas gestrickt. An einer Stelle auf „Tonight In Arizona“ schlägt auch noch der Blitz ins Studio ein. Thunder on the mountain!

Eigentlich sollte das zweite Solo-Album von Sonic Youths THURSTON Moore ja nach einer Zeile aus dem Song „Wonderful Witches“ heißen, den wir hier hören: „Here come the language meanies“. Diese Wendung fand er in einem Interview mit dem 1983 verstorbenen New Yorker Underground-Poeten Ted Berrigan. Doch Moores Frau, die Sonic Youth-Bassistin Kim Gordon, fand diesen Titel wohl zu sperrig, und so heißt das unter anderem mit einigen grandiosen Gitarreneinlagen von J. Mascis geschmückte Album nach einem neuen Instrumentalstück „Trees Outside The Academy“. Moore griff selbst kaum zur elektrischen Gitarre und wandelte mit der Akustischen zur Violine in den Grenzen des new weird America.

Er habe dieses Mal eine Platte machen wollen, die einfach nur Geschichten erzählt, sagt der Kölner Komponist und A-Musik-Musiker Marcus Schmickler über das vierte Album seines Projekts PLURAMON. Heraus kam das träumerische, atmosphärische „The Monstrous Surplus“, fast eine traditionelle Pop-Platte. Doch das Songwriter-Ich wird durch drei Erzählstimmen ersetzt, die von der Schauspielerin und Sängerin Julia Hummer, der in New York lebenden Künstlerin und Ex-„Spex“-Autorin Jutta Koether und Julee Cruise, die schon der letzten Pluramon-Platte ihre Stimme gab, gesungen werden.

Würde man auch nicht denken, wenn man Dan Miller und seine Ehefrau Tracee Mae auf „I’m Sure Of It“ duettieren hört, dass Miller in den Neunzigern mit Jack White von den White Stripes in einigen Garagenbands gespielt hat. Man hätte eher getippt, er habe auf der front porch gesessen und Lee-Hazlewood-Platten gehört. Dass seine Band BLANCHE Loretta Lynn aut ihrem von White produzierten Comeback „Van Lear Rose“ unterstützt hat, passt da schon besser. Und dass Miller sogar einen Auftritt als Schauspieler in dem Johnny-Cash-Biopic „Walk The Line“

hatte, passt gut ins Bild, das man sich von ihm macht, wenn man das neue süffig-rootsige Album „Little Amber Bottks“ hört.

QAuch das Bild, das man sich vor vier Jahren zum Debüt der PAUL DIMMER BAND, „Im b}einen Kreis“, machte, muss man inzwischen ein bisschen ausbessern. Sie können nämlich auch – wie man bei ihrem neuen Song „Ersatz für dich“ hören kann – beschwingten Pop. Aber natürlich klingen schwermütige Melancholie, Sentiment und Nostalgie auch hier mit. Und wer mehr davon braucht, sollte sich ihr neues wohlklingendes Album „Wenn alle Stricke reißen“ besorgen. Da glaubt man gar nicht, dass die Paul Dimmers in ihrer Freizeit auch bei einer Pearl Jam-Coverband mitspielen.

Der Wohlklang ist auch auf den Platten des kalifornischen Songschreibers RICHARD SWIFT heimisch.

„Dressed Up For The Letdown“ heißt das neue Album des Dylan-Fans und Harry-Nilsson-Adepten, der auch immer gut ist für eine zitierfähige Textzeile. „I played your heart but I broke two strings Jesus Christ, you’re a lovely thing“, heißt die schönste aus dem herrlichen „Buildings In America“, in dem er sich bei 2:35 Minuten sogar noch kurz zu Costello-Balladenhöchstform aufschwingt.

E Normalerweise rümpft man ja heutzutage eher die Nase, wenn wieder mal von einem „Comeback“ eines ehemals Großen die Rede ist. Da müssen meist Steuerschulden beglichen oder Koksrechnungen bezahlt werden, und dann wird die olle Legende noch einmal inszeniert. Aber es kann auch anders gehen. So beiläufig, wie es nun mal seine Art ist. hat KEVIN AVERS mit einigen Fans wie Teenage Fanclub und Architecture In Helsinki und Weggefährten wie Hugh Hopper und Robert Wyatt mit „The Unfairgro und „eine Platte hingezaubert, zu der selbst einige seiner Großtaten aus den Siebzigern neidisch aufblicken müssen.

Nach dem alten Meister Ayers ertönt auf unserem „New Noises“-Bonus-Stück eine Band, die ihre Karriere noch vor sich hat. AVIDS sind nämlich die Gewinner der „Coca-Cola Soundwave Discovery Tour 2007“. Das Quartett aus dem nordrhein-westfälischen Wesel hat mittlerweile auch schon bei „Rock am Ring“ und im Vorprogramm von Klee und We Are Scientists seine Bühnentauglichkeit bewiesen.

Pünktlich zum 50. Geburtstag von Jack Kerouacs Klassiker der Beat-Literatur „On The Road“ gibt es in unserer Hörbuch-Reihe TALKING BOOKS die Geschichte um Sal Paradise, Dean Moriarty, Bebop, Drogen und Rausch auf sechs CDs, vorgelesen von Michael Hansonis, noch einmal zum Nachhören. Auf den „New Noises“ gibt es eine erste Hörprobe, alles weitere zur Folge sieben der Talking Books erfahren Sie auf Seite 9 dieser Ausgabe.

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