Nicht mehr wild auf Geschlechter-Diskurse: Die Babes In Toyland müssen sich nach allen Seiten verteidigen

Die Göttin Nemesis war tatsächlich so etwas wie das „Riot-Girl“ der griechischen Mythologie. Sie verfolgte jeden mit Zorn, der sich nicht an die Political Correctness hielt, und sie wagte es sogar, dem großen Zeus einen Korb zu geben. Leider waren einem Girlie damals ziemlich enge Grenzen gesetzt. Auf der Flucht vor Zeus verwandelte sich Nemesis in eine Gans, damit sie nicht erkannt würde. Zeus war aber nicht so blöd, wie sie dachte, verwandelte sich in einen Schwan und vereinigte sich mit ihr.

Die drei „Nemesisters“ von Babes In Toyland lungern auf ihren Stühlen herum und strecken ihre blassen Gesichter in die Sonne. Hier wird im Moment gar nichts gerächt, sondern nur Mittagessen bestellt. „Die einzigen, an denen sich Nemesis heute noch rächen würde, sind männliche Journalisten“, grinst die Schlagzeugerin Lori – und alle kringeln sich ob dieser Liebenswürdigkeit. Die griechische Mythologie kennt Lori noch aus der High-School, und alle fanden, „Nemesisters“ sei ein passender Titel für das neue Album. Aber das war’s dann auch schon. „Wir mögen es nicht, wenn man in uns die musikalische Variante eines neuen Feminismus sieht“, doziert Lori, die fürs Programmatische zuständig ist „Alles, was wir verkörpern, ist der Wunsch, Musik zu machen und dafür anerkannt zu werden, ohne daß wir uns als Weibchen herausputzen müssen.“ Sängerin Kat meint nur, sie habe versucht, „einige von diesen neuen feministischen Schinken zu lesen“. Und Maureen redet lieber über Musik als über Politik.

Die Musikerinnen sind nicht gerade wild auf Geschlechter-Diskurse. Babes in Toyland sind in der verzwickten Situation, eine selbstverständliche Sache erst als selbstverständlich etablieren zu müssen: Sie wollen eine Band bilden, ohne klassische Frauen-Bilder zu bedienen. Madonna empfinden sie keineswegs als Vorreiterin auf diesem Weg. „Sie hat doch wieder nur das Sex-Objekt gemimt, hat sich nackt auf Titelbilder abbilden lassen“, meint Lori. „Ob sie ihre Sexualität selbst kontrolliert, ist doch sekundär, wenn sie trotzdem im knappen BH auftritt.“ Mit Bands wie L7 und Hole wollen sich die Babes auch nicht identifizieren: „Nur weil wir alle keinen Schwanz haben, heißt das doch nicht, wir hätten musikalisch etwas gemeinsam“, so Kat. So sind sie ständig damit beschäftigt, sich nach allen Seiten hin zu verteidigen, ohne sich dafür in Gänse verwandeln zu müssen. Blöde, anstrengende 90er Jahre.

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