Nick Waterhouse: Der Stil-Student

Mit seinem vergangenheitssüchtigen Mono-Debüt gelingt dem Amerikaner Nick Waterhouse ein großer Wurf: weißer Rhythm & Blues. Unser Forums-User Frank Castenholz traf Waterhouse für uns - und debütierte mit diesem Feature in der Juli-Ausgabe als Stone-Autor.

Nach den (buchstäblich) hoch gehandelten Singles „Some Place“ und „Is That Clear“ sowie den begeisternden Club-Gigs im Frühjahr waren die Erwartungen an das Debütalbum von Nick Waterhouse groß. Die Platte „Time’s All Gone“ löst sie nun ein, indem sie eher auf Stilsicherheit denn Vielfalt setzt.

Bereits Ende 2010 hatte Waterhouse mit „Some Place“, seiner ersten Single, die Aufmerksamkeit einiger weniger Wahrer des coolen Vintage-Wissens auf beiden Seiten des Atlantiks erregt. Ästhetisch fügt sie sich nahtlos in jedes bessere R&B/Mod-Set, was sie für Szene-DJs so aufregend machte und den Preis der bald vergriffenen Single in dreistellige Dollarhöhen schießen ließ – eine Anerkennung der in crowd, die vielen anderen aktuellen R&B/Soul-Acts bislang verwehrt blieb. Zugleich bellt er seine Botschaft mit einer aufgekratzten Dringlichkeit, die dem Track eine heutige Pop-Frische verleiht: „There’s some place I swear it’s not in my mind/ But it’s somewhere I been trying so hard to find/  Some place, I know it’s not quite clear/ A place I can only say that it’s not right here.“ Wer sich je fehl am Platze wähnte, wird sich hier wiederfinden können.

Dabei vermittelt Waterhouse Aufbruchstimmung, nicht Nostalgie. Und schöpft doch aus dem Vollen der Pop-Historie: „Mich hat wohl alles in meinem Leben irgendwie musikalisch geprägt. Auf meinen ersten Tapes waren Sachen von den Ramones, Germs, Sex Pistols und Talking Heads. ,Green Onions‘ habe ich mir mit 15 als Single gekauft und dachte, das ist die coolste Sache aller Zeiten. Dann gab es mal ein Jahr, in dem ich fast nur Charlie Christian und Lester Young hörte und versuchte, diese ganzen Licks zu lernen. Natürlich habe ich haufenweise R&B 45s aus den frühen Sechzigern, aber ich liebe auch Pop. Leiber & Stoller haben mich enorm beeinflusst. Und ich würde töten, um mit Jackie Shane zusammenarbeiten zu können.“

Bei aller Breite der Einflüsse belegt „Time’s All Gone“ doch eher Homogenität denn Expansion und steht ganz im Zeichen des energischen Drives der Singles. Ein Umstand, der wohl auch den hektischen Aufnahmebedingungen geschuldet ist: „Die Tracks wurden letztes Jahr im August in vier oder fünf energiegeladenen Live-Sessions eingespielt. Wir fuhren Freitagnacht von San Francisco nach Costa Mesa.  Zwölf Stunden Aufnahme, dann eine Show, weitere zehn Stunden im Studio und Sonntagnacht zurück nach Hause, um Montagmorgen um sieben wieder zur Arbeit zu gehen. Ich hatte damals noch keinen Plattenvertrag und musste alles aus eigener Tasche bezahlen.“

Viel Zeit und Geld für eine Erweiterung der Palette blieben also nicht. Tatsächlich liegt die Qualität mancher Tracks eher im präzisen Sound und der forschen Attitüde als im nuancenreichen Songwriting. Missen möchte man keinen. Dass Waterhouse über einen Stimmausdruck verfügt, der näher an Garage als an manierlichem Soul-Schönklang ist, und mit seinem Gitarrenspiel auch keinerlei ausgestellte Virtuosität anstrebt, darf man als Stärken verstehen, die sein Profil schärfen und ihn vor allzu einfachen Vergleichen mit radiotauglicheren Kollegen bewahren – ebenso wie seine exakte, von den Produktionstechniken alter Meister inspirierte Sound-Ästhetik. „Die Kontrolle über den gesamten Aufnahmeprozess ist mir sehr wichtig. Schon in meiner Teenager-Band war ich derjenige, der die Songs schrieb und das Equipment aussuchte. Irgendwann wurde mir klar, dass die Produktion und der Klang des Schlagzeugs genauso wichtig sind wie alles andere im Song. Das Instrument, das ich am besten spielen kann, ist meine Band.“

Mit der ansteckenden Energie, die in den rohen, Mono abgemischten Takes von „Time’s All Gone“ gespeichert ist, steckt Waterhouse seinen Claim des Blue Eyed R&B selbstbewusst ab. Und steht doch angesichts seiner weit gestreuten Einflüsse und Interessen erst am Anfang seiner Entwicklung.

Der Name Nick Waterhouse geisterte schon recht früh durch die Vinyl-Single-Threads unseres Forums – da lag es nahe, dass auch ein Forumianer das Feature für unser Heft schrieb. Zum Text von Frank Castenholz gibt es hier noch eine exklusive Rolling Stone Session mit Nick Waterhouse. Die haben wir selbst gefilmt – wobei es uns nicht wundern würde, wenn sich im Forum noch der ein oder andere Videokünstler tummelt…

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