Nur noch Cops da? Miss Thompson bei Occupy Wallstreet in New York

Unsere L.A.-Bloggerin Miss Thompson besuchte in der vergangenen Woche New York und die Demonstranten in der Nähe des Zuccotti-Parks - viele waren nicht mehr da. Hier ihre Eindrücke im unverkennbaren Miss Thompson-Style.

10.15 Uhr. Starbucks, Liberty Street. Ein paar Meter vom Zuccotti-Park entfernt. Da ist er, der Autonome. Allein. Schal vor dem Mund, Springerstiefel, bisschen nervös. Blick auf den Asphalt gerichtet. So zuletzt gesehen in Kreuzberg, Oranienstrasse.

Er muss von gestern Nacht übrig sein. Gestern Nacht war die große Nacht für OCCUPY WALLSTREET, der 17. November. Alles ging Richtung Brooklyn Bridge, Ausschreitungen, Pfeffersprays, harter Anorak-Look. Im Fernsehen: Verkehrschaos, Sperrungen, Großmütter mit Pfefferspray im Gesicht.

Wie würde die Situation heute morgen im Zuccotti Park sein? Die Zeltlager, die Parteizentrale war entfernt. Frage zwei: Was würden Hadley und ich anziehen, um dort aufzutauchen? Ich entscheide mich für Camelhaarmantel und Boots aus Wild-und Schlangenleder (die Polizisten würden mich später darauf ansprechen). Hadley als Neu-New-Yorkerin greift zum Trenchcoat. Sehr classy, gepaart mit skinny Jeans.

Es ist merkwürdig leer am Morgen. Gespenstisch. So als stehen wir vor einem Schlachtfeld, auf dem gestern noch die Hölle tobte. Ein paar Absperrungsgitter stehen traurig herum. Schlacht beendet. Oder nicht? Wo sind alle hin? Und sind wir zu früh dran für „Occupy“?

„Es wird voller zur Lunchzeit“, sagt Polizist 1.

Gegen Mittag muss er zur Wallstreet wechseln, Kreuzung „TIFFANYS“ und „DEUTSCHE BANK“. Da wird, unter Umständen, „die Post abgehen.“

Polizist 2 sagt, ihm ist kalt. Er ist froh über seine Ohrenschützer. Vielleicht kommt heute niemand. Vielleicht.

Was ist hier los? Reste der OCCUPY Zeltstadt-Bibliothek liegen herum, zerfleddert. Auf den Steinbänken sitzen zwei Körper mit Wolldecken über dem Kopf, niemand plant sie festzunehmen.

Die Belegschaft im Zuccotti Park hat andere Sorgen: sich gegenseitig fotografieren und sich gegenseitig interviewen. Und herumschnüffeln am Kriegsschauplatz. Würde jemand  mit Pfefferspray kommen? Würde der im Gesicht Tätowierte gleich abgeführt werden? Und was wollen wir hier denn? Das fragt uns die Gang aus 12-jährigen Girls: „Gehört ihr zu den 99%?“ Für ihr Alter hauen sie die Frage ganz schön hart raus. Sie klingt wie eine Beleidigung. Auch 12jährige stellen sich in Amerika eben diese Frage: Ist es eigentlich besser, man gehört zu den 1% , statt den 99%? Am Ende?

Die Fotografen und Interviewer suchen heute morgen nach Park-Besuchern in billigen, dreckigen Klamotten. Nach Obdachlosen. Nach Pennern, die was sagen könnten. Zum Armutsthema. Zum Bankenirrsinn. 

Doch „Occupy“ hat bald dieselben Probleme, wie jede Revolution: ihre Befürworter bestehen nicht zu 100% aus Opfern. Und die Anführer, die Leiter dieser Revolution, sehen nicht aus wie schlampige Studenten ohne Job. Und sie schlafen sogar im schicken „W“ Hotel. (700 US-Dollar die Nacht, die Werbung für das Hotel im Meatpacking District lockt mit „lassen Sie ihrem inneren Gordon Gekko freien Lauf“) So wie Peter Dutro, Businessmann und Mitglied im Führungskomitee von Occupy.

Dutro hatte null schlechtes Gewissen. Das „W“ lag in der Nähe der Front, eben Downtown. Er brauchte eine strategisch günstige Lage. Er teilte das Hotelzimmer mit Genossen und brachte ihnen Zigaretten und Essen in die Zelte. Er bezahlte das Zimmer und das Bett mit ägyptischen Baumwolldecken mit seiner American Express Karte. Peter wird nicht der letzte Mensch mit Geld sein, der die Revolution gut findet. Darauf muss man sich einstellen.

Die Leute vom Fernsehen sind enttäuscht. Autonome sind heute nicht gekommen. Kein Kravall, keine Drohungen. Die Anzahl der üblichen Verrückten mit Schildern in den Händen ist niedrig, Polizist 1 und 2 sind nervös. „Wir haben kein Update, was heute passiert. Aber die Sache ist nicht zu Ende.“

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