Oben ohne im Konfetti-Gewitter

In Lederjacke und hohen Schuhen spazieren Pärchen gemütlich aufs Gelände der Australian Open, um die Band ihrer Jugendtage zu feiern. Die heimische Vorband Dead Daisies schenken sich die meisten und später stellt sich heraus, dass die textsicherere Hälfte der Fans doch tatsächlich aus jüngeren Rockern besteht. Mähneschwingend brüllen sie „Steeeve, make me a baby!“ Und Steven Tyler, der recht artistisch mit Mikroständer über die Bühne stakst, beglückt sie mit sexy Gepose. Wie ein Barrenturner streckt er seinen Körper den vor allem weiblichen Fans in den ersten Reihen entgegen. Diese greifen sehnsüchtig (oder auch amüsiert) nach dem dünnen Mann, der ihr Vater, vielleicht sogar Großvater sein könnte -ein paar wenige ergattern eine Berührung.

Das Programm der „Global Warming“-Tour ist ein passabler Alt-Neu-Mix – auch einige Songs von „From Another Dimension“ kommen zum Einsatz. Doch an jenem warmen australischen Abend wird es erst richtig laut und leidlich gefühlvoll beim alltime favourite aus dem „Armageddon“-Soundtrack „I Dont Wanna Miss A Thing“. Steven Tyler, in weißer Hose und weißem Umhang, könnte auch als Zauberer Gandalfs Bruder durchgehen. Er wandert, rennt und tanzt zwei Stunden lang, bis er zu „Dream On“ ein wenig Ruhe am Flügel findet. Nun trägt er einen schwarz-weißen Mantel. Anfangs zierte eine herzförmige Sonnenbrille sein Charaktergesicht, nun ist es der Hut eines Fans aus der ersten Reihe. Tyler blickt in diesem Moment auf Joe Perry, der bloß noch ein zerfetztes Shirt trägt und -anders als Steven Tyler -dem Publikum kaum einen Blick schenkt. Volle Konzentration dem Gitarrenspiel.

Nach 120 Minuten Gefühlsund Kostümshow schwächeln die Hüften. Tyler reckt die Arme gen Himmel, als er final oben ohne im glitzernden Konfetti-Meer untergeht. Einen Moment, auf den die Aussies 24 Jahre gewartet haben.

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